Stellungnahme der Fraktion „Für Südtirol mit Widmann“ zur Regierungserklärung von Arno Kompatscher

Sehr geehrter Landtagspräsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrter Herr Kompatscher,


zum dritten Mal stellen Sie sich zur Wahl, als Landeshauptmann von Südtirol und werben um
das Vertrauen des Landtags.
Sie tun das aufgrund eines von 5 Fraktionen unterschriebenen Regierungsprogramms
für eine - wie wir seit gestern wissen - elfköpfige Landesregierung, deren
Zusammensetzung und Aufgabenverteilung wir noch nicht kennen.
Mit dieser Landesregierung werden wir uns zu gegebener Zeit beschäftigen und ich
sichere den berufenen Kolleginnen und Kollegen, schon jetzt und hier meine kritische,
aber vorurteilslose und konstruktive Zusammenarbeit in diesem Hause zu.
Heute aber, Herr Kompatscher, geht es um Sie, geht es um die Frage, ob Sie das
Vertrauen dieses Landesparlaments, das die Südtirolerinnen und Südtiroler
repräsentiert, verdienen.
Es geht um das Regierungsprogramm, aber vor allem auch darum, ob die
professionelle und effiziente Umsetzung, ob die Spitzenverantwortung für unser
Südtirol bei Ihnen in den richtigen Händen ist.
Und unsere Antwort ist: Nein!

Dass wir Ihnen das nicht zutrauen, weil wir Sie am Werk gesehen haben, war der
Grund für unser Antreten: für eine bessere Sachpolitik, für eine starke Autonomie, für
Lösungen statt Ankündigungen, für Ausgleich statt gegeneinander Ausspielen, für
Ermöglichen statt Verbieten, für das, was die Südtiroler Volkspartei früher einmal
ausgezeichnet hat.
Dafür haben wir nach der Wahl die Hand gereicht, ohne Ansprüche auf Posten.
Sie haben einer Verstärkung der Regierungsmehrheit durch anerkannte Erfahrung und
Umsetzungsstärke den inhaltlich billigen, aber politisch teuren Kompromiss mit einer
dritten italienischen Liste vorgezogen, von der niemand recht weiß, wofür sie steht.
Sie bewerben sich - zum dritten Mal als Landeshauptmann. Sie sind kein Neuling. Um
Ihre Eignung für die Führung des Landes zu beurteilen, müssen wir daher mehr auf
Ihre bisherige Bilanz schauen, als auf das Regierungsprogramm; dieses steht ja
vorläufig nur auf dem Papier.
Beginnen wir mit der politischen Bilanz: Sie haben als Spitzenkandidat die Südtiroler
Volkpartei mit 48,1 Prozent und 18 Sitzen übernommen und auf heute 34einhalb
Prozent und 13 Sitze abgewirtschaftet und so um einen Großteil ihrer
Gestaltungsmacht gebracht.
Schauen wir jetzt, was Sie von Ihren Ankündigungen in den letzten 10 Jahren
umgesetzt haben:

In Ihrer Regierungserklärung 2018 haben Sie die Wiederherstellung der ausgehöhlten
Kompetenzen versprochen, die Übertragung wichtiger primärer Zuständigkeiten wie
Umwelt, Personal, Arbeitssicherheit. Wo sind sie?
Wie lange schon steht angeblich die Verlängerung der Autobahnkonzession
unmittelbar bevor?
Sie wollten weiterkommen bei der Errichtung einer Landespolizei, Sie haben die
Schaffung leistbaren Wohnraums versprochen, er ist heute so knapp und teuer wie
noch nie und unsere Jungen bleiben im Ausland. Die neue Raumordnung, fragen wir
die Gemeinden, die Bauherrn und die Planer, wie es damit ausschaut.
Sie haben die „Zero-Budgetierung“ angekündigt, alle Budgets sollten auf Null gestellt
und neu aufgesetzt werden; nichts davon haben Sie realisiert.
War das Unfähigkeit oder Überforderung, wie auch immer, jedenfalls ist Südtirol, das
im Vergleich zu anderen europäischen Regionen fast in allen Bereichen an der Spitze
war, überall zurückgefallen.
Im Frühjahr 2022 haben Sie dann auch noch das Gesundheitswesen übernommen;
die Ergebnisse sehen wir:
- Der Gesundheitsbetrieb wird kommissarisch verwaltet,
- Unmögliche Ernennung von Führungspositionen
- Stillstand.
- Die Wartezeiten sind wieder ins Unendliche gewachsen;
- In den Kleinspitälern wurden keine neuen Kompetenzen aufgebaut

Diese Gesundheitspolitik, wenn man sie so nennen kann,
hat auf ganzer Linie versagt.
Ein Versagen gegenüber der Südtiroler Bevölkerung.
Sie haben zwei Jahre versäumt, in denen man Vieles weiterentwickeln hätte können.
Wer jetzt das Gesundheitsressort übernimmt, muss wieder von vorne beginnen und
neu aufbauen, was längst hätte stehen können und müssen.
Aber Sie übernehmen die Verantwortung. Was heißt das eigentlich für Sie? Ich nehme
an alles gleich weiterzumachen wie bisher?
Und wie schaut es mit der groß angekündigten Transparenz und Überparteilichkeit
aus? Schauen wir z.B., wer an der Spitze der Inhouse Gesellschaften sitzt. Und mitten
im Trubel um die Regierungsbildung beschließt eine Interims - Regierung gleich
mehrere Großprojekte, zum Teil gegen die Gutachten der zuständigen Ämter. Ich muss
hier Madeleine Rohrer absolut recht geben. In der Übergangsphase, wo nur
ordentliche Geschäftsgebarung vorgesehen ist, werden im Eilverfahren Großprojekte
verabschiedet. Interessantes Detail am Rande: ein Projekt, das über 5 Jahre nicht
genehmigt wurde, zu dem sich einige Regierungsmitglieder kritisch geäußert und ihre
Zustimmung verweigert hatten, wird jetzt mit 3 abgewählten Landesräten durchgeboxt.
Ist das Ihr Verständnis von Transparenz und Demokratie?

Dann die Regierungsverhandlungen:
Bis Weihnachten werde die neue Regierung stehen haben Sie selbst angekündigt;
heute ist der 18. Jänner.
Der italienischen Sprachgruppe steht auf jeden Fall nur ein Vertreter zu; um das zu
verstehen, müsste man ja nur die Grundrechnungsarten beherrschen. Jetzt sind’s halt
zwei.
Wenn sich die Italiener nicht einigen, gibt‘s eben nur eine Achter-Regierung. Aber
schon wenige Tage nach dieser vollmundigen Ankündigung bekniet man in nächtlichen
Krisensitzungen die Lista Civica, doch nicht alles platzen zu lassen und teilt gerade
noch rechtzeitig für die heutige Wahl die Größe der Landesregierung mit; den Art. 66
des Wahlgesetzes hatte niemand gelesen.
Bei so viel Unprofessionalität, Improvisation auf allen Ebenen und gleichzeitiger
Überheblichkeit, kann unser Urteil nur heißen: Nein! Und zwar ad personam!
Ihnen, Herr Kompatscher trauen wir die Führung der Landesregierung zum Wohle des
Landes und seiner Bevölkerung nicht zu!
Und schon gar nicht die Führung einer Koalition von fünf Parteien.
Wir haben grundsätzlich Verständnis dafür, mit den italienischen Rechtsparteien
zusammenzuarbeiten:
sie spiegeln den Wählerwillen der italienischen Wählerinnen und Wähler wieder, wir
kennen die problematische Geschichte der Fratelli d’Italia, sie haben aber als
Regierungspartei Vernunft und Pragmatismus gezeigt und - was am wichtigsten – ist,
bekennt sich zur EU und zur NATO; man muss wachsam bleiben und schauen ob
diese Wandlung endgültig ist.

Die Lega zeigt Pragmatismus in den von ihr verwalteten Regionen. Vor allem aber
bietet diese Zusammenarbeit die Chance bei der Wiederherstellung der Autonomie
echte Fortschritte zu machen.
Aber diese Koalitionspartner haben die nationale Regierungsmehrheit im Rücken und
sie werden sehr selbstbewusst auftreten.
Um in dieser Konstellation nicht unterzugehen, bedarf es besonderer Führungsstärke,
ruhiger Hand, strategischen Weitblicks und hoher Professionalität.
Diese Eigenschaften haben Sie, Herr Kompatscher, in Ihren bisherigen Amtsperioden
und ganz eklatant auch nach der letzten Landtagswahl vermissen lassen.
Wir können Ihnen daher hier und heute nicht unser Vertrauen aussprechen.
Wenn Sie aber zum Landeshauptmann gewählt werden, gilt was ich eingangs gesagt
habe. Wir werden uns ohne grundsätzlichen Vorbehalt einbringen, kritisch, nichts
schenken, aber konstruktiv, für eine bessere Sachpolitik.
Damit komme ich abschließend zum Regierungsprogramm: Papier ist, wie man weiß,
geduldig.
Im nun vorliegenden Programm, soviel muss man zugestehen, sind durchaus positive
Ansätze zu erkennen. Z.B. nimmt man endlich das Thema Sicherheit genügend ernst.
Auch im Bereich Energie erkennt man eine bestimmte Bewegung, wenn auch begleitet
von Studien, Bewertungen, Auflagen, also der üblichen Bürokratie. Übrigens ist
diesmal das Thema Nachhaltigkeit kaum enthalten, in das Sie, Herr
Landeshauptmann, zuletzt viele Millionen Euro für Shows ausgegeben haben.
Auch diesmal bleibt es bei vielen Themen beim Lippenbekenntnis: wann wird man
endlich einsehen, dass man für leistbare Wohnungen nicht nur mit öffentlichen Baumaßnahmen sondern - neben Sofortmaßnahmen mit einem Sonderbudget - auch
mit einer Ausweitung des private Wohnbaus sorgen muss; bis wir mit „Bauen im
Bestand“ den Bedarf der jungen Leute gedeckt haben, sind diese alle im Ausland.
„Das Gesetz für Raum und Landschaft umsetzen“. Man liest das gerne, kommt aber
schon gleich wieder ins Stocken wenn es heißt „Einsetzung eines Expertentisches zur
Überprüfung der Baustandards“.
Ich fürchte, das Thema wird uns noch einmal über die ganze Legislatur begleiten.
Sanität
im Programm stehen Maßnahmen, die - als Sie, Herr Kompatscher, die Sanität
übernommen habe - schon längst auf Schiene waren, für die das Geld bereitgestellt
war und nur umzusetzen waren. z.B. die Aufwertung der Hausärzte, die Ausstattung
der Gemeinschaftspraxen mit medizinischen Geräten, die Bereitstellung von
Pflegekräften und Mitarbeitern.
Sie haben das alles liegen lassen. Ihre Selbstüberschätzung geht auf Kosten der
Bürger.
Es folgt eine Auflistung von vielen Maßnahmen, die mehr einer Wunschliste ähnelt und
ich frage mich, wer das geschrieben hat und ob Sie das überhaupt durchgelesen
haben.

Mobilität
Seit zehn Jahre herrscht praktisch Stillstand und dort wo der LH eine Bahn bauen will
funktionierts nicht genauso wie die Entwerter in den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Insgesamt bemängeln wir eine klare Vision für die Zukunft Südtirols. Es fehlt auch ein
Konzept für die Professionalisierung der öffentlichen Verwaltung eines Landes. Eine
effiziente ergebnisorientierte Verwaltung ist ein Schlüsselfaktor für seine
Wirtschaftsleistung und den Wohlstand seiner Bürger/innen.
Dafür aber bräuchte man Führungsstärke.
Aber diese sehen wir nirgends.
Ich schließe:
Wir können Ihnen Herr Kompatscher aus den erwähnten Gründen heute nicht unser
Vertrauen aussprechen. Ich werde daher mit NEIN stimmen und wir werden Ihr
weiteres Handeln und Nicht-Handeln mit sehr kritischem Auge verfolgen.
Und noch etwas mit Verlaub Herr Kompatscher: unser Land braucht mehr Zuversicht
– Sie strahlen diese nicht aus.

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