Nationalpark Stilfserjoch - Waldagenda 2030 Das Strategiepapier der Südtiroler Forstabteilung

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Melag in Langtaufers und sein Schutzwald Melag in Langtaufers und sein Schutzwald

Wolfgang Platter, am Tag des Heiligen Pankratius, 12. Mai 2023

Dass es dem Wald in Südtirol und auch im Vinschgau derzeit nicht gut geht, sieht man allenthalben. Der Orkan Vaja 2018 und die Schneedruckschäden in den Wintern 2019 und 2020 haben viel Schadholz entstehen lassen. Lange Trockenphasen in den Vegetationsperioden, schneearme und milde Winter haben die Entwicklung der Borkenkäfer bis zu einer Massenexplosion der Käfer begünstigt. Und an den Schwarzföhren des Vinschgauer Sonnenberges auch die Entwicklung des Prozessionsspinners begünstigt. Nicht nur wegen seiner Schutzfunktion z. B. in steilen Alpentälern ist ein gesunder Wald wichtig. Er erfüllt noch viele weitere Aufgaben. So bindet der Wald Kohlenstoff, ist eine Kohlendioxidsenke und schützt dadurch das Klima. Der Wald fördert und erhält als Lebensraum die biologische Vielfalt. Er liefert Holz als Baustoff und erneuerbare Energie. Er filtert die Luft und stabilisiert den Wasserhaushalt und die Böden. Und der Wald bietet Erholung und Naturerlebnisse.

Waldagenda 2030
Vor wenigen Wochen hat die Abteilung Forstwirtschaft in der Südtiroler Landesverwaltung ihr Strategiepapier „Waldagenda 2030“ für die Pflege und den Erhalt der Wälder in Südtirol vorgelegt. Dieses Strategiepapier enthält sieben Leitziele und die ihnen zugeordneten Handlungsfelder. In meinem heutigen Beitrag versuche ich eine Zusammenfassung dieses Strategiepapieres.

Die forstlichen Betriebe
DSC 7971Der Südtiroler Wald gehört insgesamt rund 23.000 Waldbesitzern, die oft aber nur wenige Hektare ihr Eigentum nennen. Über 60% des Waldes sind Privateigentum. Knapp die Hälfte des Südtiroler Waldes ist Teil von 13.450 geschlossenen Höfen bei insgesamt 20.247 landwirtschaftlichen Betrieben in Südtirol. Die Wälder sind durch Forstwege gut erschlossen. Trotzdem sind die Bringungsbedingungen im Bergwald vergleichsweise aufwändig, weil häufig ein Seilkran benötigt wird. Die Holzpreise auf dem Weltmarkt schwanken erheblich. Das Bewusstsein für die Wichtigkeit einer kontinuierlichen Waldpflege und -bewirtschaftung ist nur teilweise vorhanden. Eine erstes strategisches Ziel der Waldagenda 2030 lautet daher Erhöhung der Wertschöpfung für Waldeigentümer.

Klimaschutz
Die Wälder sind als terrestrische Lebensräume neben den Ozeanen als aquatische Ökosysteme die wichtigsten Kohlendioxidsenken.
Die CO2- Emission jeder einzelnen Südtirolerin und jedes einzelnen Südtirolers belief sich 2019 auf 5 Tonnen im Jahr. Bis 2040 will Südtirol klimaneutral werden. Messungen an der Station Grünwald am Ritten haben ergeben, dass der Fichtenwald auf jedem Hektar dauerhaft 250 Tonnen Kohlenstoff speichert, davon 80 t C/ha im Baumbestand und 170 t C/ha im Boden. Anders ausgedrückt: Jeder Hektar Wald bindet pro Jahr 11 Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Der hohe Waldanteil auf Südtirols Landesfläche bietet ein großes Potential für den Klimaschutz. Ein strategisches Ziel unserer Forstwirtschaft ist die Erziehung von klimaresilienten, also widerstandfähigen und stabilen Wäldern. Ein weiteres: Die Verkleinerung von Waldflächen vermeiden zugunsten von anderen Nutzungen.

Biodiversität
Von den 14.700 in Südtirol nachgewiesenen Tierarten lebt ein Großteil ständig oder teilweise im Wald. Daneben sind in Südtirols Wäldern auch über 1.100 Pflanzenarten beheimatet. Darunter 173 Moosarten, 49 Baumarten, 23 Arten von Kleingehölzen sowie rund 6.000 Pilzarten. In der breit angelegten Studie der Waldkartierung Südtirols wurde anhand von 70 Einzelkriterien untersucht, wie groß der Einfluss des Menschen auf die Wälder ist, die sogenannte Hemerobie. In 35 % der Südtiroler Wälder ist der Einfluss des Menschen vernachlässigbar: Sie werden als natürlich oder naturnah eingestuft. 42 % sind mäßig veränderte Wälder, 24 % werden als stark verändert oder künstlich klassifiziert. Insgesamt gibt es in Südtirol 111 verschiedene Waldtypen. Jeder Hektar Wald in Südtirol enthält durchschnittlich 25 m³ Totholz. In Südtirol wurden bereits über 4.000 Neophyten nachgewiesen, das sind ortsfremde eingewanderte oder eingeschleppte Pflanzen. Einige strategische Ziele der Wald­agenda 2030 zum Thema Biodiversität heißen: Genetische Vielfalt erhalten, indem die natürliche Verjüngung des Waldes gefördert wird. Dann: Die Aufwertung von ökologisch bedeutsamen Waldlebensräumen und die Zulassung von natürlicher, unbeeinflusster Waldentwicklung.

Die Schutzfunktion
DSC 8187An vielen Orten Südtirols schützen Wälder Wohnhäuser und Wirtschaftsgebäude, Straßen, Bahnlinien und andere Infrastrukturen vor Naturgefahren wie Steinschlag, Lawinen und Muren. Rund ein Viertel des Südtiroler Waldes ist „Objektschutzwald“. Rund 58 % des Südtiroler Waldes liegen über einer Meereshöhe von 1.500 Metern. Die Bergwälder sind klein strukturiert und vielfältig, aber pflegeintensiv.
Extreme Wetterlagen und in der Folge Schadensereignisse werden in ihrer Abfolge immer häufiger. Das Sturmtief Vaja hat Ende Oktober 2019 in Südtirol 2.650 Hektar Schutzwald vernichtet. In den Wintern 2019 und 2020 hat starker Schneedruck zu hohen Schadholzmengen geführt. Als Folge hat sich in trockenen Sommern und milden Wetterperioden der Fichtenborkenkäfer auf eine nie dagewesene Weise vermehrt und die Waldbestände empfindlich und großflächig geschwächt.
Die Rotwildbestände in Südtirol sind zu hoch. Der starke Wildverbiss verhindert die natürliche Waldverjüngung v.a. in den höheren Lagen. Durch die immer intensivere Freizeitnutzung des Waldes, v.a. durch Schitourengeher und Mountainbiker werden die Wildtiere in immer kleinere Rückzugsräume gedrängt. Ziele sind und bleiben die Sicherstellung der Schutzfunktion der Wälder und ihre Verjüngung, aber auch eine wildökologische Raumplanung wird Raum greifen müssen.

Ressource Holz
Seit Generationen setzt man in Südtirol auf Holz. Die Waldwirtschaft und die Weiterverwertung von Holz gehören zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen in unserem Land. Alle Waldflächen Südtirols werden in einem Waldbehandlungsplan oder in einer Waldkartei beschrieben. Im Durchschnitt wurden in den letzten zehn Jahren jedes Jahr 700.000 – 800.000 Vorratsfestmeter (Vfm) Holz aus Südtirols Wäldern entnommen. Das Verhältnis von Nutzholz zu Brennholz lag in der Regel bei 75:25 bzw. 70:30%. In Südtirols Sägewerken werden jährlich rund 500.000 Festmeter Holz eingeschnitten. Zwei strategische Ziele der Waldagenda 2030 heißen: Jährlich mindestens 30% der öffentlichen Neubauten in Holz- oder Hybridbauweise zu bauen und den Anteil an einheimischem Restholz in Südtirols Fernheizwerken zu erhöhen.

Wasser und Boden
Der Wald ist ein großer Puffer. Als riesiger natürlicher Wasserspeicher schützt er vor Hochwasser und Trockenheit gleichermaßen. Die Kapazität von Südtirols Waldflächen, Wasser zurückzuhalten, liegt bei 350 Millionen Kubikmetern. Das entspricht der dreifachen Menge des Reschenstausees.

Erholung und Naturerlebnis
Die vielfältigen Wald- und Almlandschaften, die von jahrzehntelanger Bewirtschaftung geprägt sind, verleihen Südtirol zusammen mit den Bergmassiven sein einzigartiges Landschaftsbild. Einheimische und Gäste nutzen den Wald als Erholungs- und Freizeitraum. Rund 7.000 Kilometer der 16.000 Kilometer an ausgeschilderten und markierten Wanderwegen Südtirols führen durch Wälder. Aktuell sind im ­Geobrowser 296 Mountainbike-Routen mit rund 4.665 Strecke ausgewiesen. Die Fläche der Skipisten in Südtirol beträgt 4.389 Hektar. Etwa 19% davon liegen im Wald. Ein strategisches Ziel der Waldagenda 20230 in diesem Bereich heißt, die Achtsamkeit der Menschen für den verletzlichen Bergwald, für die Wildtiere und die Natur insgesamt zu erhöhen.

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