Spezial: Wirtschaftsstandort Latsch

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Der Wirtschaftsstandort Latsch steht in diesem Sonderthema im Fokus. Nimmt man allein die Zahl der Betriebe her, so ist Latsch – und das ist beeindruckend - der zweitstärkste Wirtschaftsort im Vinschgau. 693 Betriebe aller Couleur sind in Latsch Zuhause.

 

von Angelika Ploner

 

Latsch ist ein starker Wirtschaftsraum. Das belegen allein schon die Zahlen. 693 Latscher Betriebe sind bei der Handelskammer Bozen registriert. Zum Vergleich: 717 Betriebe hat etwa der Hauptort Schlanders, die Gemeinde Naturns hat sogar 20 registrierte Betriebe weniger als Latsch. Natürlich ist der Wirtschaftsstandort Latsch eng mit latsch 2der Landwirtschaft verknüpft. 386 land- und forstwirtschaftliche Betriebe stehen 307 Betrieben in den verschiedensten Branchen gegenüber. Die Branchenbreite ist nichtsdestotrotz da und zeigt sich vor allem in der Industriezone Latsch, eine der attraktivsten und vielfältigsten im Vinschgau.

Industriezone Latsch.
In zwei Jahren feiert die Industriezone Latsch 50 Jahre. 1972 beschloss die Gemeindeverwaltung unter Sepp Rinner eine Handwerker- und Industriezone auszuweisen. Im Dorfkern war es zu eng geworden, vor diesem Hintergrund wurden fünf Hektar ausgewiesen. Dass damals kein Quadratmeter Grund enteignet werden musste, ist eine bemerkenswerte Leistung. Die Gemeindeverwalter verhandelten so geschickt, dass am Ende alles einvernehmliche Lösungen standen. Zwei Betriebe waren bereits in der heutigen Industriezone angesiedelt: Die Pedross AG und die Firma Sepp&Franz Rinner OHG. Die Zone 1, wie die Industriezone Latsch in ihren Anfängen getauft wurde, platzte schon bald aus allen Nähten. In drei Phasen erlangte die Industriezone dann im Laufe der Jahre ihre heutige Größe. Allein die MIVOR nimmt heute 9 Hektar ein, fast das Doppelte der ersten Grundausweisung.

Die Arbeitgeber.
latsch 3Apropos MIVOR: Die MIVOR ist unter den sieben Genossenschaften die mengen- und mitgliederstärkste Genossenschaft im Vinschgau. Seit 13 Jahren gibt es die MIVOR in ihrer heutigen Form, hervorgegangen aus der Fusion von Ortler und MIVO. Die MIVOR ist zweifelsohne eine wichtige Säule der Latscher Wirtschaft. „Die insgesamt 342 Mitglieder bewirtschaften eine Fläche von 1.075 Hektar und produzieren eine Menge von 76.686 Tonnen Äpfel“, sagt Martin Metz, der neue Geschäftsführer der MIVOR.

155 Hektar werden biologisch angebaut oder befinden sich in der Umstellungsphase, 920 Hektar hingegen beträgt der Flächenanteil, den die integrierte Produktion einnimmt. Das Ernteverzeichnis in der MIVOR geht aber über den Apfel hinaus. 8,3 Tonnen Birnen wurden 2019 geerntet, 13,6 Tonnen Kirschen, über eine halbe Tonne Erdbeeren, rund eine halbe Tonne Marillen und 19 Tonnen Biogemüse. Insgesamt ergibt das eine Erntemenge von aufgerundet 76.729 Tonnen. Eine beeindruckende Zahl. Nicht weniger beeindruckend ist die Anzahl der Mitarbeiter. In der MIVOR sind 181 Mitarbeiter in Produktion und Technik, im Verkauf, in der Verwaltung oder im Qualitätsmanagement beschäftigt. Die MIVOR ist damit gleichzeitig der größte Arbeitgeber in Latsch.
Auch die Vi.P - das Herz der Genossenschaften - ist in Latsch beheimatet. 1990 wurde die Vi.P aus der Taufe gehoben, heuer feiert das Netzwerk der sieben Genossenschaften - ganz nebenbei bemerkt - das 30 jährige Jubiläum. Im Verkauf, in der Verwaltung, im Marketing, in der Qualitätssicherung, im Controlling und im EDV-Bereich arbeiten hier - in der Vi.P - „derzeit insgesamt 44 Mitarbeiter“, heißt es auf Nachfrage vom Vinschgerwind. Und weiter: „Die Vi.P als Erzeugerorganisation inklusive Genossenschaften hat insgesamt 820 Beschäftigte.“
MIVOR und Vi.P haben nicht nur eine organisatorische Verbindung, sondern auch eine personelle. Der langjährige Obmann der Vi.P Sepp Wielander kam von der MIVOR, der neue Obmann der Vi.P. Martin Pinzger ebenfalls. Das nur am Rande erwähnt.

latsch 4Knapp hinter dem Primus MIVOR liegt mit rund 170 Beschäftigten das Land. Die Autonome Provinz Bozen ist bei den Arbeitgebern unter den ersten in Latsch, das ist unter anderem auf den großen Schulsprengel zurückzuführen. Der Schulsprengel Latsch umfasst die Grundschulen Latsch, Morter, Goldrain, Tarsch, Kastelbell, Tschars und die Mittelschule Latsch. Direktor Stefan Ganterer: „Wir haben 90 Lehrpersonen und 7 Mitarbeiterinnen für Integration für SchülerInnen mit besonderen Bedürfnissen. Im Sekretariat arbeiten 7 Personen, dazu kommen 15 Schulwarte und ich als Direktor.“ Macht in Summe 120 Beschäftigte im Schulsprengel Latsch. Ein Teil dieses Personals arbeitet in der Gemeinde Kastelbell/Tschars und zählt demnach nicht zur Gemeinde Latsch.

Das Bildungsangebot in der Gemeinde Latsch umfasst neben dem Schulsprengel auch das Bildungshaus Schloss Goldrain. Anders ausgedrückt: Vinschgaus einziges Bildungshaus befindet sich in der Gemeinde Latsch. Laut Datenerhebung des Amtes für Arbeitsmarktbeobachtung sind im Bildungshaus durchschnittlich 14 Mitarbeiter beschäftigt. Und noch etwas zeichnet das Bildungsangebot der Gemeinde Latsch aus: Die Kindertagesstätte, kurz KITA. In Latsch wurde vor 15 Jahren die erste Kindertagesstätte eröffnet, heute gibt es KITAS in vielen Gemeinden Vinschgaus. Geführt werden diese von der Sozialgenossenschaft der Tagesmütter.
Ein wichtiger Arbeitgeber - um im öffentlichen Sektor zu bleiben - ist auch das Seniorenwohnheim Annenberg Latsch. „Wir haben knapp über 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt der Präsident des Seniorenwohnheims latsch 5Alexander Janser auf Nachfrage. Die Direktorin Iris Cagalli erklärt: „Weil Pflege und Betreuung ein Frauenberuf ist, beschäftigen wir natürlich anteilig viele Frauen. Deshalb ist mir auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein großes Anliegen.“ Alle Altersgruppen von 23 bis über 60 Jahre sind im Seniorenwohnheim Annenberg vertreten. Zu finden sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so Iris Cagalli, in den Bereichen Verwaltung, Küche, Reinigung&Wäscherei, Pflege&Betreuung und im Bereich Tagespflegeheim. Ein eigenes Einarbeitungsprogramm für Berufs- und Wiedereinsteigerinnen ist eine der Maßnahmen im Altenheim, die den Mitarbeiterinnen entgegenkommen soll. „Wir ermöglichen zusätzlich Arbeitsintegration in Form von Projekten in Zusammenarbeit mit den Sozialdiensten und erfüllen auch die Vorgaben der Pflichtanstellungen“, ergänzt die Direktorin. Der öffentliche Sektor spielt in Latsch überhaupt - und auf den ersten Blick in jedem Fall überraschend - eine große Rolle. Immerhin sind insgesamt 343 Arbeitnehmer dort zu finden.

 

lvh-Obmannn Latsch Andreas Nagl

latsch 6783 139Wir sind froh, dass wir wieder arbeiten dürfen. Das möchte ich vorausschicken und betonen.
Zum Wirtschaftsstandort Latsch aus Handwerkssicht ist folgendes zu sagen: Wir haben viele Traditionsbetriebe in Latsch, die gesund und sehr gut unterwegs sind. Schwieriger hat es das junge Handwerk. Neuansiedlungen sind nur unter schwierigen Bedingungen möglich. Zudem gibt es Bereiche im Handwerk, wo der Nachwuchs wenig Entwicklungsmöglichkeiten hat. Das ist sehr schade. Wenn wir in die Zukunft schauen - auch vor dem Hintergrund von Corona - so muss man schon sagen: Im Handwerk ist kaum HomeOffice möglich. Wir sind für unsere Kunden vor Ort, wo wir produzieren und dort wird auch der Umsatz gemacht.
Andreas Nagl

 

 

s34 schwienbacherMit rund 330.000 Nächtigungen ist die Tourismusbranche in den Gemeinden Latsch und Martell einer der wichtigsten Wirtschaftszweige. Stark zugenommen haben in den letzten Jahren die Urlaub auf dem Bauernhof Betriebe, welche rund 10% der Übernachtungen generieren. Als Betreiber der Lifte und Liegenschaften der Tarscher Alm leistet der TV einen wertvollen Beitrag, um die Attraktivität des Gebietes zu steigern. Ein Familienrundwander- und Themenweg, der im Sommer eröffnet wird, und der neu errichtete Barbarossa-Trail tragen zur Weiterentwicklung des Gebietes am Nörderberg bei. Die Tourismustreibenden sind sich einig, dass der Tourismus nur erfolgreich im Zusammenspiel mit allen gestaltet werden kann.
Roman Schwienbacher, Präsident TV Latsch-Martell

 

 

Latsch ist international.

Der größte private Arbeitgeber in Latsch ist der Leistenhersteller Pedross AG. „Wir beschäftigen derzeit 164 Mitarbeiter“, heißt es bei Pedross. 1956 wurde der Betrieb am heutigen Standort von Karl Pedross gegründet.

Mit 4 Mitarbeitern hat er damals die Tätigkeit aufgenommen, heute gehen die Produkte der Pedross AG in die ganze Welt hinaus. Der Latscher Sockelleisten-Hersteller gehört zu den international anerkannten Protagonisten in der Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von Fußbodenzubehör, Furnierkanten und Ummantelungsware. Ein Vorzeigebetrieb, den in Latsch zu haben, stolz macht.
Zu den weiteren größeren privaten Unternehmen zählt auch die Rizzi Group. „Die aktuelle Mitarbeiterzahl liegt bei latsch 630 Mitarbeitern im Büro und ca. 40 Mitarbeitern in der Produktion je nach Saison“, sagt Simone Rizzi auf Nachfrage dem Vinschgerwind.
Beim Möbelmitnahmemarkt Avanti, der ebenfalls zu den größeren Arbeitgebern der Gemeinde zählt, arbeiten 60 Mitarbeiter, davon 40 in der Filiale in Latsch und 20 in Bozen.
Einer der traditionsreichsten Betriebe in Latsch ist die WMH. „Wir beschäftigen 30 Mitarbeiter“, erklärt Patricia Herion-Ropte. Der Industriebetrieb bedient den hochspezialisierten Nischenmarkt, nämlich die Verzahnungstechnik. Bewundernswert: Zwei Frauen stehen mit Patricia Herion-Ropte und Anna Maria Tappeiner an vorderster Front.

Latsch ist vielfältig.
Der überwiegende Teil der Betriebe in Latsch sind aber Klein- und Mittelbetriebe, sie bilden das Rückgrat der Latscher Wirtschaft. 100 Betriebe sind im Bereich Handwerk und Dienstleistungen zu finden, 85 Prozent davon beschäftigen zwischen 1 und 5 Mitarbeiter, 15 Prozent hingegen haben eine Mitarbeiterzahl zwischen 6 und 30 Beschäftigten.

Demnach ist Latsch nicht nur für die Landwirtschaft ein fruchtbarer Boden, sondern auch für verschiedene Unternehmen, vor allem Traditionsbetriebe oder Familienbetriebe. Vieles sind innovative und leistungsstarke Betriebe. Zusammen bilden diese ein beeindruckendes Arbeitsplatzangebot mit knapp 2.000 Arbeitsplätzen. Um genau zu sein hatten im vergangenen Jahr 1.905 Personen ihren Arbeitsplatz in Latsch. Eine beachtliche Zahl.
Die Unternehmen in Latsch entwickeln, produzieren und verkaufen Produkte und Dienstleistungen und bilden einen latsch 7bunten Mix mit verschiedenen Bauunternehmen, Elektrobetrieben, Einrichtungsstudios, es gibt Maler, Spengler, Schlosser, Betriebe, die einen Nischenmarkt bedienen oder eine Vielzahl an Dienstleistern wie technische Büros. Apropos technische Büros: Auffallend in Latsch ist die geballte Fachkompetenz was den technischen Bereich anbelangt. Konkret: Es gibt im Vinschgau wohl kein Dorf mit einer vergleichbar hohen Anzahl an Technikern, Ingenieuren und Architekten.

Latsch ist einen Besuch wert.
Auch der Einzelhandel im Ortszentrum bildet einen attraktiven Mix. Hier, im Ortszentrum sitzt das Herz des Handels. Das Modeangebot zeichnet sich durch besondere Vielseitigkeit aus, hinzu kommen Geschäfte, die Tabak- und Geschenkartikel oder Schmuck anbieten und sich mit Begegnungsorten wie verschiedene Bars abwechseln.
Der historische Ortskern und das Einkaufszentrum Herilu in Latsch haben ein Nebeneinander gefunden.

 

Tourismus.
Der Tourismus in Latsch und Martell blüht. Das ist auch auf die rührigen Mitarbeiter des Tourismusvereins zurückzuführen. David Stocker der Geschäftsführer des TV Latsch – Martell fasst die Zahlen auf Nachfrage vom latsch 2137Vinschgerwind zusammen: „Wir hatten 2019 insgesamt 337.211 Nächtigungen, 67.786 davon entfallen auf Martell. Betriebe haben wir insgesamt 116, 36 davon in Martell.“ Touristisch kann man in Latsch und Martell natürlich aus dem Vollen schöpfen: landschaftlich einzigartig mit einer unvergleichlichen Bergwelt und zwei Aufstiegsanlagen - davon träumen andere Gemeinden im Vinschgau, besonders Nachbargemeinden. Die Erdbeere und die Kräuter - regionale Produkte überhaupt - haben in kaum einem anderen Tourismusgebiet einen so hohen Stellenwert wie hier. Beispiel Erdbeerfest. Die Regionalität ist in Latsch-Martell nicht frommer Wunsch, sondern wird gelebt. Auch das ist beeindruckend - nicht nur die Anzahl der Betriebe insgesamt, die Latsch zweifelsohne zu einem starken Wirtschaftsraum machen.

Quellen: Amt für Arbeitsmarktbeobachtung, WIFO - Handelskammer Bozen, lvh, verschiedene Betriebe in Latsch, Gemeinde Latsch

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