Nationalpark Stilfserjoch: Das Bartgeierjahr 2019 - Eine Aktualisierung

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Der Bartgeier ist das Endglied der Nahrungskette. Mit seiner aggressiven Magensäure vermag er die Kalksubstanz von Röhrenknochen aufzulösen. Er erschließt sich dadurch das fett- und eiweißreiche Knochenmark aus dem Skelett von toten Wildtieren, wenn die anderen Beutegreifer schon gefressen haben. Foto: Antonio Guarrera Der Bartgeier ist das Endglied der Nahrungskette. Mit seiner aggressiven Magensäure vermag er die Kalksubstanz von Röhrenknochen aufzulösen. Er erschließt sich dadurch das fett- und eiweißreiche Knochenmark aus dem Skelett von toten Wildtieren, wenn die anderen Beutegreifer schon gefressen haben. Foto: Antonio Guarrera

Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Gregor d. Gr., 12. März 2020

 

63 territoriale Bartgeier-Paare in den Alpen, 53 davon brütend und 38 flügge gewordene Jungvögel aus Naturbruten: Das ist die kürzest möglich Zahlenformel für die Brutsaison 2018/19 der Bartgeier in den Alpen. Diese Zahlen machen das vergangene Jahr zum bisher erfolgreichsten Bartgeier-Jahr seit Beginn des Wiederansiedlungsprojektes im Jahr 1986. Die 38 Junggeier kommen zu den bisherigen 150-180 flüggen Junggeiern aus Naturbruten in den Alpen dazu und bestätigen den Trend des exponentiellen Wachstums der alpinen Bartgeier-Population. 15 ist die Anzahl der beobachteten und monitorierten Brutpaare im italienischen Teil der Alpen in der Brutsaison 2018/19, 291B49 davon im Nationalpark Stilfserjoch und im Vinschgau (östliche Zentralalpen) und 6 im Nationalpark Gran Paradiso und in den Regionen Piemont und Aosta (Westalpen). In den französischen Pyrenäen sind die Brutpaare der Bartgeier im Zeitraum 1994-2017 von 16 auf 44 gestiegen. Diese Erfolgsstatistik ist dem Jahresbericht „infogipeto Nr. 36“ vom Dezember 2019 zu entnehmen, der in englischer und italienischer Sprache unter wesentlicher Federführung von Dr. Enrico Bassi in den letzten Wochen herausgekommen ist. Enrico Bassi ist der Ornithologe im lombardischen Anteil des Nationalparks Stilfserjoch.

Die Freilassungen aus Volierenzuchten
Zu den 38 flüggen Jungen aus Naturbruten in den Alpen kamen 2019 noch 22 Freilassungen aus Volieren-Zuchten. Die sechs Freilassungsstandorte lagen 2019 in Frankreich und Spanien und wurden als Brückenköpfe für die Vernetzung der Bartgeier aus den Alpen mit jenen in den Pyrenäen und in Andalusien gewählt. In den Pyrenäen waren die Bartgeier nie ganz ausgelöscht worden, in Andalusien ist die Art 1980 ausgestorben. Zur Erinnerung: In den Alpen war der Bartgeier um 1930 erloschen.
Seit Beginn des Wiederansiedlungsprojektes im Jahr 1986 sind aus Volieren-Zuchten insgesamt 560 Junggeier geboren, 323 davon wurden im Rahmen des Wiederansiedlungsprojektes freigelassen und 237 im Rahmen des Zuchtprogrammes unter den Zuchtstationen ausgetauscht. Die 323 Freilassungen waren wie folgt verteilt: 227 in den Zentral- und Rand-Alpen, 63 in Andalusien, 20 Grands Causses (F), 6 Korsika, 3, Sardinien, 4 Maestrazgo (E).
In Gefangenschaft haben 2018/19 42 Paare insgesamt 67 Eier gelegt. Dies ist ebenfalls ein neuer Rekord. 36 Junggeier sind geschlüpft und 30 davon flügge geworden.

Verluste
421B2Im Jahr 2019 wurden insgesamt 6 Bartgeier tot aufgefunden, 3 in Frankreich, 1 in der Schweiz, 1 in Spanien und 1 in Taufers im Münstertal. Die drei Jungvögel Monna (BG 1017), Buisson und Europe wurden unweit des Freilassungsortes in den Grands Causses in Frankreich tot wiedergefunden. Gea (W 276), ein junger, noch nicht geschlechtsreifer Bartgeier aus einer Naturbrut wurde bei Albacete in Spanien gefunden. Die zwei geschlechtsreifen Männchen GT 047 und GT 061 wurden in der Val Chamuera (CH) und in Taufers (letzterer von Markus Raffeiner) gefunden. Zu den bisher geklärten Todesursachen: Monna durch einen Absturz und Gea (untergewichtig und unterernährt) sind eines natürlichen Todes gestorben. Buisson und GT 061 (Taufers) sind durch Stromschläge an Elektrofreileitungen verschmort. Das Männchen GT 047 (Val Chamuera CH) hatte eine starke Verletzung am Kopf, die auf eine Aggression durch einen territorialen Steinadler hinweist, aber auch drei eingekapselte Schrottkörner im Körper. Das Tauferer Männchen GT 061 war Partner des territorialen Paares Foraz (CH) gewesen, welches 16 km vom Fundort entfernt das Zentrum seines Territoriums hatte.

Bruterfolge aus Naturbruten
Im Jahr 2019 wurden in den Alpen insgesamt 57 territoriale Brutpaare monitoriert, drei davon waren Erstbeschreibungen von neuen Paarbildungen (2 in Frankreich und eines in Tirizong CH). 49 der 57 erfassten Paare haben gebrütet: 7 Bruten sind vor dem Schlupf fehlgeschlagen. Insgesamt sind 42 Junge geschlüpft (A:4, CH:17, F: 17, I:11), davon sind 4 vor dem Flüggewerden verendet und die oben schon erwähnten 38 Jungen sind erfolgreich ausgeflogen. Das sind 9 mehr als in der Brutsaison 2017/18. In den Alpen lag der Bruterfolg 2018/19 bei 78% (2017/18: 66%).

Im Nationalpark Stilfserjoch und im Vinschgau
600B32019 sind im Nationalpark Stilfserjoch 4 Junggeier und im Vinschgau außerhalb des Parkgebietes ein weiteres Junges flügge geworden. Nach einzelnen Paaren ergab sich folgende Situation:

Das Paar Livigno (zusammengesetzt wahrscheinlich aus dem Weibchen Moische und dem Männchen Cic) hat das Junge Adriano-Livigno aufgezogen. Dies ist der 17. Bruterfolg und das Paar erweist sich damit als eines der langlebigsten und erfolgreichsten.

Vom Paar Valfurva (Felix und Heinz-Seraglio) ist am 17. Juni 2019 das Junge Stefan Altura ausgeflogen.

Das Paar Braulio hat auch in der vergangenen Brutsaison sehr früh mit der Eiablage begonnen, aber die Brut ist wenige Tage vor dem Schlupf misslungen.

Das Paar Sondalo konnte für 2019 in seiner Zusammensetzung bestätigt werden, ist aber nicht zur Brut geschritten.

Für das bereits erfasste Paar Foscagno-Grossina konnte 2019 keine gemeinsame Präsenz beider Paarpartner am Horst dokumentiert werden.

Im Südtiroler Anteil des Nationalparks hat das Paar Ortler, das sich 2016 gebildet hatte, 2019 mit „Fleck“ sein zweites Junge erfolgreich aufgezogen.

Das Marteller Paar hat 2019 sein 5. Junges in fünf Jahren zum Ausfliegen gebracht.

Außerhalb der Grenzen des Nationalparks hat das Schnalser Paar sein 2. Junges erfolgreich aufgezogen. Die Zusammensetzung des Schnalser Paares aus einem adulten Weibchen und einem subadulten Männchen konnte bisher genetisch noch nicht aufgeschlüsselt werden.

Leider hielt die Negativserie der Brutmisserfolge des Obervinschgauer Paares auch 2019 an: Nach vier aufeinanderfolgenden Jahren mit Misserfolg ist das Paar 2019 nicht zur Brut geschritten.

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