Dienstag, 10 Januar 2012 00:00

„Arbeiten, bescheiden leben...“

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Crispin Foffa, Jahrgang 1925, Müstair.

s15_3789Anfangs der 1950er Jahre suchte Crispin Foffa zwei Maurer und einen Handlanger für seine Baufirma in Müstair und rief im Malser Arbeitsamt an. „Kommen Sie nur, wir haben Leute genug“, antwortete der zuständige Beamte und bestellte ihn zum „Engelwirt“ nach Schluderns. Dort traute Crispin seinen Augen nicht. Zehn arbeitswillige Männer erwarteten ihn. Er musste sieben vertrösten und versprach ihnen, sie später zu beschäftigen, darauf hoffend, dass sich die Firma gut weiterentwickeln würde.

 

Arbeiten hatte Crispin als Bauernbub in Müstair gelernt, wo er als Zweitjüngster mit neun Geschwistern in bescheidenen Verhältnissen aufwuchs. Als er sechs Jahre alt war, starb sein Vater nach längerem Lungenleiden. „Ich habe ihn nicht gekannt und erinnere mich nur noch an die Aufbahrung und an die Beerdigung“, erzählt er. Die Mutter führte die Landwirtschaft mit Hilfe der jüngeren Kinder weiter, während die älteren ihr erstes Geld auswärts verdienten und einen Teil daheim abgaben. Crispin hütete nach dem Abschluss der Schulpflicht 1939  drei Sommer lang zusammen mit einem Freund Alm-Kühe bei Guarda. Um die Schweiz herum wütete der II. Weltkrieg. „Der Senner musste die Alm oft verlassen, um die Grenze zu sichern, und wir zwei Buben haben dann alles allein geschaukelt“, erzählt Crispin. 1942 begann er in Altdorf im Kanton Uri die Maurerlehre. Sein älterer Bruder, der dort lebte, hatte ihm die Stelle vermittelt. Von Montag bis Samstag klingelte um sechs Uhr der Wecker und ein Zehnstunden-Tag begann. „Die drei Lehrjahre waren keine Herrenjahre“, erklärt er. „Mit 20 Rappen Stundenlohn war der Zahltag recht mager“. Nach dem Abschluss der Lehre fand er eine Stelle in Zürich, wo er wissensdurstig alle Gelegenheiten wahrnahm, sich im Baubereich weiterzubilden. Heimweh führte ihn 1950 nach Müstair zurück. „Der eine oder andere hat mich gefragt, ob ich etwas für ihn machen könnte. So habe ich einfach angefangen“, erklärt er. Schon bald musste er sich nach Verstärkung umschauen. Er fand diese 1951 im Maurer Angel Conrad und in den Arbeitern aus „dem Tirol“ . Privat fand Crispin sein Glück mit der gleichaltrigen Magdalena Fallet, die er 1955 im November heiratete. „Nur im Winter hatte Crispin Zeit“, verrät seine Frau. Bald darauf freute sie sich auf ihr erstes Kind. Doch der kleine Bub kam tot zur Welt. Mit dem Kleinen musste das Paar auch den Kinderwunsch begraben. Beruflich ging’s bergauf. Aus der anfangs freien Zusammenarbeit mit Conrad entstand 1963 die Firma  „Foffa&Conrad“, an der sich auch Conrads Bruder Franz beteiligte. Die Firma entwickelte sich gut, expandierte nach Zernez, Bever, Samnaun und beschäftigte1967 bereits 80 Leute, von denen ein Großteil aus dem Vinschgau kam. „Im Frühjahr sind viele um Arbeit betteln gekommen“, berichtet er, und er versuchte nach Möglichkeit ihnen eine zu geben.
„Mit den Vinschgern bin ich meist gut gefahren“, lobt Crispin, der regelmäßig die Baustellen inspizierte und jahrzehntelang auch die Lohntüten persönlich übergab. Er war der Motor des Unternehmens und folgte stets der Lebensphilosophie:  „Arbeiten, bescheiden leben und schauen, dass alles geradeaus geht.“ Urlaube gönnte er sich selten. „Und wenn schon, so sind wir im Winter irgendwohin gefahren“, sagt seine Frau und beschreibt die ungemütlichen verregneten Tage im November 1966 am Wolfgangsee. Für Zweisamkeit blieb wenig Zeit. Jahrzehntelang gestaltete Crispin das öffentliche Leben im Münstertal in führender Position mit, im Gemeinderat, als Großrat, Gemeindepräsident, im Regionalverband, in der Raiffeisenkasse und vieles mehr. Mittlerweile hat sich Crispin zurückgezogen. Die Betriebs-Nachfolge ist geregelt. „Die Leitung liegt nun in jungen kompetenten Händen und sie bleibt in der Verwandtschaft“, freut er sich. Es ist ihm wichtig, dass das, was aufgebaut worden ist, erfolgreich weitergeht. Derzeit sind rund 270 Mitarbeiter beschäftigt, nach wie vor viele aus dem Vinschgau. In seinem  „Schlössl“, wo er mit seiner Frau den Lebensabend verbringt, lässt er sich über alles informieren, was im Betrieb vor sich geht. Daran hat sich auch trotz der schweren Krankheit nichts geändert, gegen die er ankämpft. „Mit 86 ist die Hebamme nicht mehr schuld“, meint er gelassen. Gerne erzählt er aus vergangenen Zeiten.
Die wohl aufrichtigste Wertschätzung erfuhr Crispin von der Ehefrau eines Tauferer Handlangers und Mutter einer großen Kinderschar, die er einmal in seinem Auto mitnahm. Als diese merkte, wer am Lenkrad saß, sagte sie spontan: „Sie sind ja der Herr Foffa, ah … Sie sind der Brotgeber der Vinschger.“ Dankbar schüttelte sie ihm die Hand. An diese Geste denkt er gerne zurück. Mit Genugtuung erfüllt ihn auch, dass er das Versprechen einlösen konnte, das er den Männern einst in Schluderns gegeben hatte.

Magdalena Dietl Sapelza

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


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