Montag, 15 Februar 2016 00:00

IVHS - Eine Erfolgsgeschichte aus dem Vinschgau

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s6 titelAnfragen zur Präsentation auf internationalen Fachtagungen und als gefragtes Ziel von Studienreisen ist das erfreuliche Interesse, welches der Integrierten Volkshochschule Vinschgau (IVHS) entgegengebracht wird. Seit 2007 ist diese als Weiterbildungsprojekt in der Genossenschaft für Weiterbildung und Regionalentwicklung in Spondinig angesiedelt und Vinschgau weit tätig. Dabei war der Start alles andere als einfach. Durch die konsequente Umsetzung der pädagogischen Ziele, Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen zusammenführen und Situationen zu schaffen, in denen sie gemeinsam lernen, Verantwortung und Sinn erfahren können, hat sich die IVHS etabliert und über den Vinschgau hinaus einen Namen gemacht.

von Ludwig Fabi

Inklusive Erwachsenenbildung ist zentraler Bestandteil des pädagogischen Konzeptes der Integrierten Volkshochschule Vinschgau.

Juliane Stocker, Sascha Plangger und Friedl Sapelza haben gemeinsam an diesem Konzept gearbeitet und es für die Bedürfnisse im Vinschgau adaptiert. Dank der finanziellen Förderung der Autonomen Provinz Bozen - Amt für Weiterbildung - wurde 2008 das erste Bildungsprogramm erarbeitet. Es orientiert sich am Grundsatz, dass allen Menschen die gleichen Möglichkeiten offen stehen müssen, an qualitativ hochwertiger Bildung teilzuhaben und so ihre Potentiale zu entwickeln. Dabei wird nicht in Menschen mit und ohne Behinderung unterschieden, sondern Hilfen angeboten einen selbstbestimmten Platz in einer möglichst barrierefreien Gesellschaft zu finden. Mit lebenspraktischen, sowie kreativen, politischen und sozialen Inhalten soll durch das Bildungsangebot eine konsequente Verbesserung der Lebensqualität und der persönlichen Autonomie erzielt werden. Dass dieser Ansatz nicht allein oder isoliert umgesetzt werden kann, war den Verantwortlichen von Anfang an klar und so wurden Netzwerke und Kooperationen vorangetrieben. In Rahmen des IVHS-Forums, das sich dreimal im Jahr trifft, stehen Bedarfserhebungen und die inhaltliche Gestaltung des Bildungsangebotes im Mittelpunkt. Die didaktisch-methodischen Grundsätze der IVHS brechen mit dem antiquierten Bild von behinderten Menschen, als nicht lern- und entwicklungsfähige, unmündige, bemitleidenswerte, zu beschützende und unselbstständige Personen. Die IVHS fühlt sich einer ressourcenorientierten Stärken-Perspektive verpflichtet. Mit diesen Vorgaben werden die ReferentInnen konfrontiert und entsprechend ausgesucht. Die Einsetzung eines Bildungstutors und verschiedene Evaluationsformen tragen dazu bei, die Qualität zu sichern und die bestehenden Ansätze weiter zu entwickeln. Bei den Veranstaltungsorten wird darauf geachtet, dass diese mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Im vergangenen Jahr wurden 91 Kurse abgehalten. Davon 44 Angebote mit gemischten Gruppen und 47 Kurse an denen ausschließlich Personen mit Behinderung teilnahmen. Zwei Bildungsangebote – die im Folgenden beschrieben werden - haben wichtige Akzente im Bereich der inklusiven Erwachsenenbildung gesetzt und große Aufmerksamkeit im deutschsprachigen Raum erfahren haben.

Kurs: Selbstvertretungsgruppe Vinschgau
s6 Ursula Karl Lukas„Am Anfang wusste niemand von uns, was bei einem Kurs Selbstvertretung eigentlich passiert. Das erste Treffen war spannend. Wir haben uns vorgestellt und kennen gelernt. Gleich zu Beginn überraschte uns der Kursleiter. Er sagte, dass es bei diesem Kurs Selbstvertretung eigentlich keinen Kursleiter gibt, sondern einen Unterstützer.“ Denn wenn es um Selbstvertretung geht, dann entscheiden die Teilnehmer selbst. Sie bestimmen über welche Themen gesprochen wird, welche Informationen sie gerne hören möchten, was sie gerne lernen möchten. Der Kursleiter unterstützt die Teilnehmer, damit sie ihre eigenen Themen besprechen. Denn das ist Selbstvertretung.
„In Schlanders treffen wir uns regelmäßig zum Kurs Selbstvertretung Vinschgau. Wir treffen uns meistens am Freitagnachmittag. Unsere Treffen dauern ungefähr 3 Stunden. Wir treffen uns 2-mal im Monat, im Sommer machen wir Pause. Wir bestimmen unsere Themen und Ziele. Ein Thema war leichte Sprache. Wir haben erfahren, dass Informationen in leichter Sprache für uns sehr wertvoll sind. Wir besprechen, wie Politik funktioniert.  Wir haben geübt, unsere Meinung zu sagen. Wir sind selbstbewusster und selbstsicherer geworden. Wir wissen nicht, ob dies mit unseren Kurs-Treffen zu tun hat. Aber wir haben es bei uns jedenfalls gespürt. Bei unseren Treffen können wir auch alles besprechen, was im Alltag passiert. Das tut uns gut! Deshalb freue ich mich jedes Mal, wenn ich weiß dass wieder ein Kurs-Treffen ist. Es würde uns freuen, wenn noch andere Menschen mit Lernschwierigkeiten zu unserem Kurs kommen. Die mit ihren neuen Ideen unseren Kurs bereichern. So würde unser Gruppe größer.“

 

Kulturführung durch die Stadt Glurns mit „INDIE GUIDE“

s6 indieIndie-Guide ist ein Bildungsangebot der IVHS Vinschgau, welches 2010 im Herbst das erste Mal gestartet wurde. Die TeilnehmerInnen erwarben mittels eigener Methoden geschichtliche und kulturelle Kenntnisse, um historische Städten auf individueller Art und Weise zu vermitteln. Sie wurden befähigt als unabhängige KulturführerInnen tätig zu sein. Entstanden ist dadurch ein Angebot einer etwas anderen Art der Kulturführung durch die Stadt Glurns. Auf amüsante, einfache und kindgerechte Weise bringen Evelyn Bliem und Martin Former Interessierten des schmucken Städtchen näher. Sie wurden durch die Kurse der IVHS so ausgebildet, dass diese Stadtführung jedem Gast in bester Erinnerung bleibt. Geeignet ist die Führung für Grund- und Mittelschulklassen, aber auch für Familien mit Kindern. Interessierte Erwachsene sind ebenfalls willkommen.

 

 

Steckbrief IVHS

Trägerschaft und Leitung:  
    Genossenschaft für Weiterbildung und Regionalentwicklung in Spondinig/Friedl Sapelza

Finanzielle Förderung: 
    Aut. Prov. Bozen/Kulturabteilung – Sonderförderung des Amtes für Weiterbildung

Bildungsstandorte:  
    Mals, Glurns, Schluderns, Prad, Laas; Schlanders, Laatsch, Kastelbell, Naturns und Meran

Gern besuchte Kurse 2015:    
    Linedance; Kulturführungen in Glurns; Triff dich & Triff dich Kids; Schnelle Geschenke; Entspannen und Malen; Genial einfach Töpfern; Alles Holz; Just Fun – Reiten; Einfach     Schreiben; Einfach Rechnen; Keine Angst vor dem PC; So lerne ich das schnelle Tippen; Miteinander in Schlanders; INmusik; Runter vom Sofa! Ich will tanzen; Tanzen macht stark; Selbstvertretungsgruppe Vinschgau.

Wissenschaftliche Begleitung:
    Univ.-Ass. Dr. Sascha Plangger, Universität Innsbruck. Vorstandsmitglied der Gesellschaft Erwachsenenbildung und Behinderung als auch Redaktionsmitglied der gleichnamigen Zeitschrift.

Statistk 2015:
    Teilnehmer insgesamt: 602
    Weiterbildungsstunden: 1.470
    Kursangebote: 91 , davon 44 Kurse mit Gemischten und 47          Kurse mit homogenen Gruppen
    Lokaler ReferentInnenstab: 65 Personen

Aktuelles Programm und Info:
    www.gwr.it/ivhs-vinschgau

 

s6 JulianeVinschgerwind: Was macht die IVHS aus?
Juliane Stocker: Die IVHS verfolgt seit ihrer Gründung konsequent ein Konzept der inklusiven Weiterbildung im ländlichen Raum. Inklusive Angebote gibt es eigentlich ausschließlich in größeren Städten. Für uns im Vinschgau bestand die Herausforderung darin, dezentrale Angebote an unterschiedlichen Standorten zu schaffen, damit so viele Menschen wie möglich Kurse nutzen können. Wir müssen also zu den Menschen hin und nicht umgekehrt. Gleichzeitig orientieren wir uns an internationale Entwicklungen, wobei es uns gelungen ist in mehreren Bildungsbereichen eine Vorreiterrolle einzunehmen. Das zeigt sich dadurch, dass wir zu internationale Tagungen eingeladen werden und dass sich zunehmend Fachleute aus dem Ausland für die IVHS interessieren. Zum Beispiel macht im April der Martinsclub aus Bremen eine Studiereise zu uns in den Vinschgau. Außerdem ist es wichtig, dass wir uns als lernende Organisation begreifen. Wir lernen aus den Erfahrungen der Teilnehmenden, der Referenten und Referentinnen und nutzen dies um uns zu verbessern und um uns weiter zu entwickeln. Die Erfolgsgeschichte der IVHS rührt auch daher, dass wir im Vinschgau mittlerweile auf einen Pool von engagierten und qualifizierten Referentinnen und Referenten zurückgreifen können.

Vinschgerwind: Wer kann die Angebote der IVHS nutzen?
Alle interessierten Personen können die Angebote der IVHS nutzen. Es gibt viele Beispiele von Bildungsangeboten in denen Senioren und Seniorinnen, Kinder und Jugendliche, Menschen mit Migrationshintergrund teilnehmen und gemeinsam lernen. Diese Vielfalt sehen wir als Stärke, als erfahrbare und gelebte Inklusion. Die IVHS schafft dafür den notwendigen Rahmen. Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass die Menschen sich unglaublich gern weiterbilden und wenn es uns gelingt, die verschiedenen Interessen der Menschen zu berühren, dann macht Lernen richtig Spaß.

Vinschgerwind: Wo braucht die IVHS noch Unterstützung?
Die Koordination der IVHS ist eine Herausforderung, der ich mich mit viel Engagement stelle. Seit Jänner werde ich dabei von Martina Thanei, einer erfahrenen Erwachsenenbildnerin unterstützt und so meistern wir diese Aufgabe nun im Team.
Ein Grundsatz der IVHS ist kostengünstige Bildungsangebote anzubieten, damit Bildung für alle erschwinglich ist. Viele unserer Teilnehmenden und vor allem Menschen mit Behinderungen verfügen über eingeschränkte finanzielle Mittel, sodass niedere Kursbeiträge ökonomische Barrieren beseitigen helfen und dadurch den Zugang zur Weiter- und Erwachsenenbildung ermöglichen. Aus diesem Grund ist die finanzielle Unterstützung des Amtes für Weiterbildung sehr wichtig. Und nicht zuletzt lebt die IVHS von den vielen interessierten Menschen die unsere Bildungsangebot nutzen, die neugierig sind, die sich gern weiterbilden und die offen sind gemeinsam mit anderen Menschen zu lernen und in Austausch zu treten.
Interview: Ludwig Fabi


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