Natur&Landschaft - „Goodbye Glaciers“ - Die Erderwärmung setzt unseren Gletschern zu

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Quelle: G.K. Lieb, H. Slupetzky (2011): Die Pasterze , Verlag A. Pustet, Salzburg Quelle: G.K. Lieb, H. Slupetzky (2011): Die Pasterze , Verlag A. Pustet, Salzburg

Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Ignatius von Loyola, 31. Juli 2024

 

Seit Wochen hat die Etsch auch schon an ihrem Oberlauf im Vinschgau einen hohen Wasserstand: Die Bäche aus den Seitentälern führen ihr große Mengen Schmelzwasser von den Gletschern zu. Aus dem Trübungsgrad des Wassers erkennt man, dass es sich um „Gletschermilch“ handelt, um Wasser, das in seiner Schwebfracht viele Mineralien als Abrieb von der Schleifwirkung der Gletscher enthält.
Die Gletscher fiebern. Sie sind in unseren Breiten das sichtbarste und auffälligste Zeichen der Erderwärmung und des Klimawandels wegen des menschengemachten Treibhauseffektes.
Unter anderem wegen ihres rapiden Rückganges und ihrer Bedeutung für unsere Versorgung mit Süßwasser waren die Gletscher in den letzten Jahren auch Forschungsobjekte wissenschaftlicher Forschungen. Nur 3% des gesamten Wasservolumens auf unserer Erde sind Süßwasser.

Projekt GLISST
Das wissenschaftliche Projekt GLISST war eines dieser wissenschaftlichen Projekte. Das Akronym GLISST steht dabei für das Internationale Gletschermonitoring-Konzept für die Region Südtirol-Tirol. Dieses Projekt hatte eine Laufzeit vom 1. Jänner 2018 bis zum 31. Dezember 2020. Geber von Fördergeldern waren: Interreg VA Italien – Österreich 2014-2020, der Europäische Fond für regionale Entwicklung (EFRE), die Leopold Franzens-Universität Innsbruck mit ihrem Vizerektorat für Forschung, die Autonome Provinz Bozen. An der Universität Innsbruck wurde das Projekt vom Institut für Geographie, Abteilung für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften betreut. Bei uns in Südtirol wurde das Projekt umgesetzt von Dr. Ing. Roberto Dinale, dem Amtsdirektor des s51 gletscher2Landesamtes für Hydrologie und Stauanlagen, und seinen Mitarbeitern und von eurac research.
Ziel des Projektes war es, ein modernes und effizientes interregionales Gletchermonitoring-Konzept für die Region Südtirol – Tirol zu entwickeln.
Im Zuge des Projektes GLISST wurden in Tirol und in Südtirol insgesamt 26 Gletscher untersucht und monitoriert: 9 in der Ortler-Cevedale-Gruppe, 8 in den Ötztaler Alpen, 3 in den Stubaier Alpen und 6 in den Zillertaler Alpen.
Als ein Ergebnis zur Sensibilisierung zum Thema Erderwärmung und deren Folgen wurde im Rahmen des Projektes GLISST auch eine Fotoausstellung zu historischen und rezenten Gletscherständen von Gletschern in Tirol und Südtirol zusammengetragen. Im Zeitraum Juni bis August 2020 war diese Fotoausstellung auch im Nationalparkhaus aquaprad zu sehen gewesen.
Im Jahr 2050 wird die Hälfte der Masse der Alpengletscher verschwunden sein – unabhängig davon, wie wir uns bis dahin verhalten. Wenn wir es schaffen, die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad zu begrenzen, wird bis 2100 ein Drittel davon überleben – wenn nicht, wird es in den Alpen dann keine Gletscher mehr geben.

Das italienische Gletscherkataster von 2015
Im Juli 2015 war das neue Kataster über die Gletscher Italiens erschienen. Es ist dies die letzte wissenschaftliche Referenzpublikation zur Einordnung der Ergebnisse aus dem GLISST-Projekt in die Situation der Gletscher im italienischen Alpenbogens. Die beiden Hauptautoren des italienischen Gletscherkatasters sind Prof. Claudio Smiraglia und Prof. Guglielmina Diolaiuti von der Universität Mailand.
Das letzte italienische Gletscherkataster erfasst insgesamt 903 Gletscher in den 8 italienischen Regionen bzw. Provinzen Piemont (107 Gletscher), Aosta (192), Lombardei (230), Trentino (115), Südtirol (212), Veneto (38), Friaul-Julisch Venetien (7), Abruzzen (2). Mit einer Gesamtausdehnung von 369,90 km² macht die Fläche der italienischen Gletscher ca. 1/5 der Gletscherfläche des gesamten Alpenbogens aus.

Die Autoren F. Paul, H. Frey, R. Le Bris geben in ihrem 2011 publizierten Gletscherinventar für die Alpen eine Gesamtzahl von 3.770 Gletschern und eine Gesamtgletscherfläche in den Alpen von 2.050 km² an. Die vereiste Fläche der Alpengletscher entspricht somit ca. einem Viertel der Landesfläche Südtirols (Stand 2015).

Die Nullgradlinie ist von 3.000 auf 3.300 Meter angestiegen
Durch jeden Gletscher in unseren Bergen verläuft quer zu seiner Gletscherzunge eine gedachte horizontale Linie, die man Nulllinie oder Schneegrenze nennt (siehe Schema).
Bergseits der Nulllinie liegt das Nährgebiet, auch Ablagerungs- oder Akkumulationsgebiet genannt. Hier oben fällt mehr Schnee als abschmilzt. Schnee wird hier zu Firn und schließlich nach vielen Jahren zu kompaktem Gletschereis.
Unterhalb der Nulllinie liegt das Zehrgebiet (auch Abschmelz- oder Ablationsgebiet genannt). Hier schmilzt der Schnee, die Massenbilanz ist negativ und der Gletscher schwindet in diesem Abschnitt. Mit zunehmender Erhöhung der Jahresdurchschnittstemperatur der Luft rückt die Nulllinie nicht nur auf den Gletschern in den Alpen immer weiter nach oben, ihr Nährgebiet wird kleiner, ihr Zehrgebiet größer. Durch die Erderwärmung ist die Nullgrad-Linie bei den Alpengletschern von 3.000 Metern auf 3.300 Meter Meereshöhe angestiegen. Anders ausgedrückt: Erst oberhalb von 3.300 Metern können Gletscher noch Schnee für die Bildung von neuem Eis bewahren.

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