Kultur: Jagd und Jäger

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Manuel Oberhofer, seit 22 Jahren Jäger, seit 2022 Revierleiter des Reviers Kastelbell-Tschars und seit 4 Jahren Mitglied des Jagd-Bezirksausschusses Vinschgau Manuel Oberhofer, seit 22 Jahren Jäger, seit 2022 Revierleiter des Reviers Kastelbell-Tschars und seit 4 Jahren Mitglied des Jagd-Bezirksausschusses Vinschgau

Wenn ein Stück Wild erlegt ist, dann gehe ich hin, kniee vor dem erlegten Stück nieder, nehme den Hut ab, bekreuzige mich, sage dem hl. Hubertus Dank, ich berühre das Tier und sage, dass das Erlegen eine Notwendigkeit ist, dass dies dem Schutz von Wald und Weide dient. Danach hole ich den Hauptbruch, einen Zweig von einem nahe gelegenen Baum. Von dem Zweig trenne ich den Erlegerbruch ab und stecke diesen auf die rechte Seite meines Hutes. Ein anderes Zweigstück ist der „letzte Bissen“ und den stecke ich dem erlegten Wild zwischen die Zähne.“ Manuel Oberhofer erzählt diesen Jägerbrauch, der so oder so ähnlich von sehr vielen Jäger gegenüber einem erlegten Stück praktiziert wird. Es gehe um Achtung, um Respekt, auch um das Weiterpflegen von Ritualen, sagt Oberhofer. So habe er das von seinem Großvater gelernt.
Manuel Oberhofer ist seit 22 Jahren leidenschaftlicher Jäger und seit 2022 Revierleiter des Jagdreviers Kastelbell-Tschars. Es ist ihm ein Anliegen, zu erläutern, dass Jäger eben nicht nur Wildtöter sind, wie es landläufige Meinung ist, vor allem in den Städten. Die Jagd beinhaltet viele s26 jagdrevier 2und vielfältige Aufgaben. Das Herausholen von Wild hat längst nichts mehr damit zu tun, für die Familie eine willkommene und möglicherweise überlebensnotwendige Abwechslung auf den tristen Speiseplan zu bekommen. Der atavistische Jagdinstinkt hat längst seine Bedeutung verloren.
Es geht um das Regulieren eines zwischenartlichen Ungleichgewichts. Auch der Schaden für Wald und Weide soll in ertragbaren Grenzen gehalten werden. Auch soll möglicher Schaden für Menschen im Zaum gehalten werden.
Jäger sein ist kein Beruf. Jäger:innen sind Jäger:innen in ihrer Freizeit. In den letzten Jahren hat sich die Jagd gewaltig geändert. Das zeigt sich gerade in den abgegrenzten Revieren, wie sie im mittleren Vinschgau anzutreffen sind. Skitourengeher, Wanderer, die mit Stirnlampen zum Sonnenaufgang auf Gipfel steigen, Biker - die Freizeitnutzung am Berg hat den Druck auf das Wild erheblich erhöht. Die Jäger müssen heute teilweise bis zu 20 Mal auf die Jagd gehen, bis sie ein vom Abschussplan vorgegebenes Stück Wild herausnehmen können.
Manuel Oberhofer erklärt am Beispiel des Jagdrevieres Kastelbell-Tschars die Aufgaben der Jägerschaft. Es sind gerade diese Wochen, von Mitte Dezember bis zum 1. Mai, in denen etwa der Gebietswildzaun instand gehalten wird. Der Gebietswildzaun verläuft am Hangfuß des Nörderbergs und am Hangfuß des Sonnenberges durch den gesamten Vinschgau hinauf bis nach Laas. Im Revier Kastelbell-Tschars gilt es, rund 20 Kilometer Gebietswildzaun instand zu halten. Diese Arbeit, die rund 350 Stunden pro Jahr beansprucht, haben die Jäger dem Jagdaufseher Paul Gassebner in weiten Teilen übertragen. Der Gebietswildzaun verhindert den Wildwechsel. Ohne Zaun würde viel Wild im Winter vom Nörderberg auf den Sonnenberg wandern, auf Nahrungssuche, auf der Suche nach wärmeren Einständen. Der Wildwechsel würde sich in den landwirtschaftlichen Gütern unmittelbar durch Fraßschäden auswirken und auch zu Verkehrsunfällen führen können. Also schützt der Gebietswildzaun die landwirtschaftlichen Güter und vor allem auch vor auch tödlich verlaufenden Unfällen auf der Durchzugsstraße.
Diese Verhinderung eines Wildwechsels erhöht auf der Nörderbergseite den Druck auf den Wald: Verbissschäden an Jungbäumen mit damit einhergehenden Wachstumsbehinderungen, so dass die Schutzfunktion des Waldes eingeschränkt wird. Um diesen Druck und auch den Druck auf den Gebietswildzaun zu vermindern, werden Winterfütterungen durchgeführt. Die Jägerschaft kauft Heu von den umliegenden bäuerlichen Betrieben an, lagert es in den dafür vorgesehenen Hütten bei den Futterständen ein und bringt das Heu im Winter je nach Witterung bis zu zweimal die Woche in die Stände.
Die Hochstände sind im Laufe des Winters instand zu halten oder neue zu errichten. Gerade in dieser Zeit von Windwürfen und vor allem des Borkenkäfers mit möglichen großflächigen Ausschlägerungen sind neue Hochstände nützlich, um dem aufkeimenden Jungwald Schutz vor Verbiss bieten zu können.
Auch bringen die Jäger Wildsalz zu ausgesuchten Salzstellen. Auch damit werden Verbissschäden minimiert. Denn das Wild benötigt Salz und holt es sich durch das Schälen von Baumrinde.
Die Jäger im Revier Kastelbell-Tschars haben an der Sonnenseite Überwasser aus einer alten Wasserleitung in Tränken geleitet, die dem Wild und auch anderen Tieren als Wasserstellen dienen.
Auch werden alte Weideflächen freigeschnitten, um Äsungsflächen für Rehwild frei zu halten. Das kommt auch anderen Tierarten wie Schmetterlingen und Neuntöter zugute und trägt auch zur pflanzlichen Biodiversität bei.
Im Revier Kastelbell-Tschars zahlen 3 Jägerinnen und 67 Jäger den jährlichen Mitgliedsbeitrag. (Zum Vergleich: Im Jagdbezirk Vinschgau gibt es 12 Reviere, 837 Jäger und 42 Jägerinnen, 11 Jagdaufseher.) Seit 2009 haben die Jäger:innen oberhalb der Sportzone Schlums ein eigenes, gemütlich eingerichtetes, für Versammlungen und Treffs gut geeignetes Jagdhaus mit Kühlzelle. Das Jagdhaus ist Mittelpunkt der Jägerschaft im Revier. Jeder Jäger hat eine Schlüssel und damit Zutritt für die Benutzung - auf Vertrauensbasis. Die Kühlzelle ist derzeit leer. Sie füllt sich in der für die Wildarten abgestuften Jagdzeit zwischen dem 1. Mai und dem 15. Dezember. Mehrmals.
Alle Reviere in Südtirol bekommen vor der Jagdzeiteröffnung einen Abschussplan. Dieser wird aufgrund von Wildzählungen, die im März April erfolgen, aufgrund von Schätzungen und aufgrund des vorigjährigen Abschussplanes von einer Kommission aus Vertretern der Jagd, aus Vertretern des Amtes für Jagd und Fischerei/Forst und aus Vertretern der Landwirtschaft erstellt. Der Abschussplan ist für jedes Revier bindend. Die örtliche Jägerschaft macht das ganze Jahr über Wildzählungen und Beobachtungen.
Für das Revier Kastelbell-Tschars waren im vorigen Jahr allein beim Rotwild rund 140 weibliche Tiere und knapp 50 Hirsche vorgesehen. Dazu kommen Entnahmen für Rehwild und Gämsen. Dass sich die Kühlzelle füllt, ist da kein Wunder. Das Erlegen von Reh- und Gamswild wird, weil im Revier Kastelbell-Tschars wenige Abschüsse vorgesehen sind, in einem ausgeklügelten System den Jäger:innen jährlich zugelost. Wem das Losglück hold ist, lässt seiner Freude freien Lauf, erzählt Manuel Oberhofer.
Die Jagd ist durch ein Landesgesetz (vom 17. Juli 1987) geregelt, das Wild ist Eigentum des Staates, die Jäger sind für die Hege, für die Entnahme, für die Schutzfunktionen gegenüber Dritten verantwortlich. Tritt ein Schaden auf, so müssen diesen die Jäger begleichen. Der jeweilige Jagdaufseher wird von den Jägern im Revier angestellt und bezahlt. Mit Mitgliedsbeiträgen und Wildfleischverkauf an EU-zertifizierte Metzger werden in einem austarierten finanziellen System die anfallenden Kosten in einem Revier beglichen.

 

Die Jagd ist eine soziale Angelegenheit und grundsätzlich für jeden offen. Im Jagdrevier Kastelbell-Tschars sind mehrere Generationen von Jägern unter einem Dach. 2022 konnte ein Mitglied 60 Jahre Mitgliedschaft feiern, heuer wird dasselbe ein weiteres Mitglied begehen können. Neben den Altersgruppen sind auch viel verschiedene Berufssparten vertreten. Ab einem Alter von 18 Jahren kann die Jägerprüfung nach einem intensiven Revierpraktikum abgelegt und dann der Jagdgewehrschein erworben werden. Die Kandidatin oder der Kandidat muss 5 Jahre in der jeweiligen Gemeinde ansässig sein.
Das Jagdhaus in Schlums tut den Jägern bzw. der Gemeinschaft im Revier für physische Präsenzen, zu Geselligem, für Feiern, für Beratungen und für Versammlungen gut. Für virtuelle, direkte und unmittelbare Nachrichten dient den Jäger:innen eine Whatsapp-Gruppe. Das habe gemeinsam mit dem Bemühen des Jagdaufsehers und dem Bemühen jedes einzelnen Mitglieds viel zur Beruhigung innerhalb der Jägerschaft beigetragen, weil die Informationen direkt fließen, sagt Manuel Oberhofer.
Kühlzellen sind in den Revieren eine Notwendigkeit. Das Wild liefert kostbares Fleisch, weil die Nahrungsaufnahme, mit Ausnahme der Winterfütterung, eine ausschließlich natürliche ist. Für die Qualitätssicherung des Wildfleisches sind genaue Hygienebestimmungen vorgesehen, die zuletzt mit dem Dekret des Landesveterinärdirektors Paolo Zambotto am 22. Dezember 2024 aktualisiert worden sind.
Jagdhornbläser sind oft Teil eines Reviers. In Kastelbell-Tschars sind es seit 25 Jahren die „Jagdhornbläser Spielegg“ mit 12 bis 14 Mitgliedern, die im Revier musikalische Bräuche der Jäger mitbegleiten und damit mit für Zusammenhalt sorgen. Jede Wildart hat eigene Melodien. Wenn es in der Jägerschaft oder von einer Jägergruppe gewünscht wird, werden die Melodien für Hirsch, Rehbock und Gams beim „Todverblasen“ gespielt. Die Jagdstrecke wird vor den Toren des Jagdhauses gelegt und mit der Melodie „Hirsch tot“ oder „Gams tot“ das Wild verblasen. Es ist dies ein letzte Ehre für das erlegte Wild. Der jeweilige Jäger tritt vor sein erlegtes Stück, nimmt den Hut ab, und mit einer Bekreuzigung wird dem hl. Hubertus gedankt und so dem erlegten Wild innerhalb der Jägerschaft die letzte Ehre erwiesen.
Erwin Bernhart

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