Kultur: Entmilitarisierung und Umnutzung

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Frau Prof. Alessai Zampini der Uni Bologna begrüßt die Student:innen; Fotos: Nicole Gasparini und Ruth Pinzger Frau Prof. Alessai Zampini der Uni Bologna begrüßt die Student:innen; Fotos: Nicole Gasparini und Ruth Pinzger

Wie kann eine Entmilitarisierung und eine Umnutzung ohne Abriss der ex Drususkaserne in Schlanders aussehen? Mit dieser Frage beschäftigten sich vom 9. bis 18. Februar rund 40 Student:innen von fünf europäischen Universitäten beim Architekturworkshop „Demilitarise Gently”, der Sanften Entmilitarisierung. In vier Arbeitsgruppen wurden Ideen entwickelt und konkrete Pläne erstellt. Am 18. Februar wurden die Ergebnisse in einer Finissage der interessierten Öffentlichkeit präsentiert. Viele kamen und diskutierten mit den Studenten. Nicht gesehen wurden die Gemeindeverwalter:innen von Schlanders.

In Sachen Nachhaltigkeit die wichtigste Bau-Regel: Abriss vermeiden!

„Ich wünsche mir, es käme nochmals zu einem Dialog. Das war jedenfalls für mich persönlich eine der großen Motivationen hier mitzuarbeiten. Die Zeiten haben sich radikal geändert, auch in Schlanders. Ein Einlenken dahingehend, dass Pläne aus dem letzten und vorletzten Jahrzehnt nicht mehr zeitgemäß sind, bedeutet für niemanden einen Gesichtsverlust. Vielmehr wäre es ein Zeichen von Sensibilität und Gegenwärtigkeit“. Das meint Gabriel Prenner aus Taufers im Münstertal in einem Interview auf der Online Plattform Salto.bz. Prenner war in Schlanders als Betreuer der Studierenden tätig. Nach dem Studium des Bauingenieurwesens an der Hochschule der Angewandten Wissenschaften in München ist er derzeit freiberuflicher Planer und Masterstudent des Bauingenieurwesens an der TU München, mit Spezialisierung auf energieeffizientes und nachhaltiges Bauen. Nach Prenner braucht es ein Umdenken beim Planen mit vorhandener Gebäudesubstanz. Im Gebäudesektor fallen europaweit ca. 40 % der Treibhausgase, 55 % der Abfälle, sowie 90 % der Rohstoffe an. Deshalb ist in Sachen Nachhaltigkeit die wichtigste Bau-Regel: Abriss vermeiden!, so Prenner. Es geht um die „Graue Energie“, die bei uns noch ein Fremdwort ist. Die sogenannte Graue Energie bezeichnet die gesamte Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes oder eines Gebäudes aufgewendet werden muss. Bei einem Abriss muss auch die Energie mit einkalkuliert werden, die nötig wäre, um ein Bauteil in den Materialkreislauf zurückzuführen bzw., falls dies nicht möglich ist, s28 5 Palazzina Comando Entwurfes zu entsorgen. Man sollte also bedenken, dass bei jedem Abriss diese graue Energie, die bereits aufgewandt wurde, im ungünstigsten Fall einfach auf der Müllkippe landet. Die Debatten um die Klimaerwärmung, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit muss zu einem Umdenken, einer Zeitenwende auch im Bausektor führen. Der frühmorgendliche Aufmarsch mit Baggern und der Beginn des Abrisses der Gebäude am 5. Oktober 2022 haben nicht nur in Südtirol ein großes Medienecho hervorgerufen, sondern anscheinend europaweit Wellen geschlagen. Vom Landesdenkmalamt wurde ein Baustopp verfügt und ein Verfahren für eine direkte Denkmalschutzbindung der ehemaligen Drususkaserne eröffnet. Damit stehen sämtliche Bau- und Grundparzellen 180 Tage lang unter vorläufigem Denkmalschutz, bis die Landesregierung innerhalb dieses Termins das Verfahren abschließt. (soweit das LPA vom 12.10.2022). Die Frage steht im Raum: Führt die erzwungene Denkpause zu einem Umdenken, oder wartet man in der Gemeindeverwaltung einfach ab, weil man sich sowieso im Recht findet und das bestehende Projekt durchziehen will?

40 Studenten der Universitäten Bologna, Wien, Leuven, Lissabon und Ljubljana planen

Die Studenten und Dozenten der fünf Universitäten aus Italien, Österreich, Belgien, Portugal und Slowenien haben sich jedenfalls intensiv mit dem 3 ha großen Gelände und den Gebäuden der ex-Drususkaserne beschäftigt und Pläne für eine Nachnutzung entwickelt. Die Gesamtorganisation hatte die Universität Bologna mit der Professorin Alessia Zampini. Miteinbezogen waren auch die Universitäten Bozen und Trient, sowie die Architekturstiftung Südtirol und die Architektenkammer Bozen. Bereits im Vorfeld des Workshops gab es zwischen dem 31. Jänner und 3. Februar mehrere Online Workshops mit verschiedenen Professoren zu den Themen: Militärische Bauten in den Alpen, Nachnutzungen, Prozessentwicklung bei Nutzung von Denkmälern, Stadtplanung und Geschichtliche Aufarbeitung. Die vier Arbeitsgruppen mit den Studenten der verschiedenen Universitäten beschäftigten sich mit folgenden Themen: 1. Gruppe: Nutzung/Erhalt/Abbruch der Marmorfassade der Palazzina Comando, 2. Gruppe: Nachnutzung/Umbau/Erhalt der Palazzine Musurata und Tagliamento, 3. Gruppe: Nachnutzung/Gestaltung/Projektierung Exerzierplatz und 4. Gruppe: Aufarbeitung Gestern-Heute-Morgen mit künstlerischer Performance. Im Mittelpunkt der Überlegungen standen folgende Fragen: Wie geht man mit dem Abbruch der Gebäude um, wie können aus den derzeitigen Durchgangsräumen Einzelwohnungen gemacht werden, wie kann die Raumhöhe von rund 4 Metern genutzt werden und wie soll der große Exerzierplatz genutzt bzw. verbaut werden? Überlegt wurde auch wie der Gebäudekomplex in die umliegenden Wohn- und Schulstrukturen eingebunden werden kann. Bei der Finissage am 18. Februar wurden auf den s28 3gruppeTischen, an der Wand und in einer Präsentation die Ergebnisse gezeigt. Durch neue Stiegenhäuser von außen oder innen sollen in den beiden Nebengebäuden Palazzine Musurata und Tagliamento Einzelwohnungen in verschiedenen Größen für rund 150 bis 200 Personen entstehen. Mit speziellen Ziegeln sollten die Abrisse wieder aufgebaut, aber der Abbruch sichtbar bleiben. Die Palazzina Comando soll noch weiter aufgerissen und mit Bäumen bepflanzt werden, die Fassade an der Vorderseite aber erhalten bleiben. Die restlichen Gebäudeteile können vielfach genutzt werden. Nach Auffassung der Studenten soll der große Exerzierplatz nicht verbaut, sondern als Garten bzw. Arena genutzt werden. Vorschläge für eine Doppelnutzung der hohen Gebäude wurden ebenfalls entwickelt: oben die Betten und unten Einbaukästen.

Die KlimaGemeinde Schlanders und die Vorbildfunktion

„Die Gemeinde Schlanders ist im Herbst 2022 dem KlimaGemeinde-Light-Programm beigetreten und hat somit einen weiteren konkreten Schritt in Richtung Klima- und Umweltschutz unternommen.
Bei der Umsetzung einer nachhaltigen Umweltpolitik haben die Gemeinden eine Vorbildfunktion. Durch den Betritt zum KlimaGemeinde-Light-Programm stehen wir am Anfang eines langen klimabewussten Prozesses, den es gilt gemeinsam zu meistern“. So steht es auf der Homepage der Gemeinde Schlanders. Bei der Finissage am 18. Februar war von politischer Seite nur der grüne Landtagsabgeordnete Hans Peter Staffler anwesend, genauso wie die Schlanderser Gemeinderätin und Architektin Julia Pircher. Von der Gemeindeverwaltung war niemand anwesend. War es die Angst vor dem Gesichtsverlust und die Angst sich mit den Ideen der Studenten auseinander zu setzen? Ist es zu spät für ein Umdenken? Kommt es nochmals zu einem Dialog? Die Gemeinde muss entscheiden: Was ist gesamtheitlich die beste Lösung? Oder: Was bringt kurzfristig am meisten Geld? Und natürlich geht es um die Gretchenfrage: Nun sag’, wie hast du’s mit der Nachhaltigkeit?

Heinrich Zoderer

 

Clara Schönthaler aus Laas hat einen Kurzfilm über den Workshop „Demilitarise Gently - Sanfte Demilitarisierung“ gemacht:
https://www.salto.bz/de/article/11032023/sanfte-demilitarisierung

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