Karl Plattner zählt zu den bedeutendsten Südtiroler Künstlern des 20. Jahrhunderts. Das Landhausfresko von Plattner ist eines der repräsentativsten Kunstwerke unserer Zeit. Plattner ist in Mals geboren und aufgewachsen. Er hat in Mailand, Florenz, Paris, Südfrankreich und Südamerika gelebt. Er war Europäer und Weltbürger. Aber immer wieder kehrte er in den Obervinschgau zurück. Hier hat er seine Wurzeln, hier befinden sich viele seiner Frühwerke.
von Heinrich Zoderer
Plattner ist vor 100 Jahren am 13. Februar 1919 in Mals geboren und am 8. Dezember 1986 in Mailand gestorben. In seiner Kindheit erlebte er Armut, Entfremdung und Entbehrung. Mit vier Jahren starb sein Vater. Als er 1925 in die Volksschule kam, wurde von den Faschisten der Unterricht in deutscher Sprache verboten. Es gab nur italienischen Unterricht. Zweimal in der Woche ging er in die Katakombenschule, einer deutschen Geheimschule, um lesen und schreiben zu lernen. Karl war das jüngste Kind, hatte 9 Geschwister und die Mutter musste nach dem frühen Tod des Vaters schauen, wie sie die Kinder durchbrachte. Im Sommer hütete er Kühe und las dabei Bauernkalender. In der Schule zeichnete er für seine Mitschüler Krippenfiguren vor und erhielt dafür einen Apfel oder ein Stück Brot. Er wollte Maler werden und bekam eine Anstellung als Anstreicher in Brixen. Im ersten Jahr gab es kein Gehalt. In Brixen lernte Plattner den Wiener Maler Anton Sebastian Fasal kennen. Mit ihm hat er dann gearbeitet und die Freskotechnik gelernt. In der Optionszeit malte er in Mals Aquarelle und Ölbilder von den Höfen und Häusern, die von den Optanten verlassen werden mussten. Später kam er zu den Gebirgsjägern und an die Kriegsfront nach Norwegen. Das Kriegsende verbrachte er in amerikanischer Kriegsgefangenschaft in Livorno. Im November 1945 kehrte er aus der Gefangenschaft nach Mals zurück. Am Anfang malte er Stubengetäfel an. 1947 bekam er den ersten öffentlichen Auftrag, die Kirche von Lichtenberg bei Prad auszumalen. Es ist ein „schönes“ Bild, eine stimmige Komposition, Menschen in naturnahen Landschaften. Jesus steht im Mittelpunkt, mit ausgebreiteten Armen, wie auf einer Wolke, verkündet er die frohe Botschaft, bzw. er verkörpert geradezu die frohe Botschaft. Erwachsene Männer, Frauen und Kinder knien bzw. sitzen vor ihm und hören zu. Im Hintergrund die Vinschgauer Bergwelt. 1948 bekam er den Auftrag die St. Johannkirche in Prad auszumalen. Zu sehen sind eine Familie mit zwei Kindern, daneben Jesus und um ihn herum viele Kinder. Es ist ein Familienbild voller Harmonie, wie Plattner es nie erlebt hat. Das Fresko für das Gefallenendenkmal auf dem Friedhof von Mals, das er 1950 malte, zeigt neue Züge seiner Maltechnik. Es ist ein Bild voller Linien und Flächen, die Menschen bedrückt. Es ist ein Bild der Trauer und Wehmut über den Krieg und die Toten.
Südtirol ist für mich eine Hassliebe. Wenn ich länger dort lebe, sind mir manche Sachen unsympathisch, mit denen ich einfach nicht zurechtkomme. Andererseits kann ich ohne Südtirol nicht leben. Zweimal im Jahr bin ich drei Wochen in Burgeis. Der Vinschgau ist für mich ein Nährboden. Ich brauche ihn, um meine Batterien wieder aufzuladen.
Aus: Das Fenster Nr. 34/35, Tiroler Kulturzeitschrift, 1984
Nach Studienaufenthalten in Florenz, Paris und Mailand hat er seinen unverkennbare Malstil gefunden und seine kompromisslose Bildersprache entwickelt. Und auch die Kritiker auf den Plan gerufen. Das Fresko für das Gefallenendenkmal auf dem Friedhof von Naturns ist bereits ein richtiges Plattnerbild. Nicht die Kriegshelden stehen im Mittelpunkt, sondern das Kriegsleid, die Trauer der Mütter um ihre verlorenen Kinder. Das fünf Meter hohe Fresko wurde durch einen Vandalenakt beschädigt und dann fast 20 Jahre lang mit Holzbrettern verdeckt. In Paris lernt Plattner seine Frau kennen und 1952 zogen sie nach Brasilien. Dort macht er die ersten Entwürfe für ein Fresko im Sitzungssaal des Südtiroler Landtags. Insgesamt 19 Künstler beteiligten sich am Wettbewerb, den Karl Plattner gewonnen hat. Das 73,44 m² große Fresko (4,80 m hoch und 15,30 m breit) wurde 1955 fertig gestellt. Im Mittelpunkt des Bildes befindet sich die geometrisch geordnete Stadt mit dem Waltherplatz und rund herum die Lauben und Häuser von Bozen. Links im Bild sind pflügende Bauern und rechts Bauern bei der Obsternte. Im Hintergrund Südtiroler Landschaften, besonders aus dem Vinschgau und Eisacktal. Plattner führte ein Zigeunerleben mit vielen Ortswechseln zwischen Mailand, Paris, Südfrankreich und Brasilien. Doch immer wieder kehrte er für einige Wochen nach Mals zurück. Beim Mohrenwirt in Burgeis wohnte und arbeitete er. Heute gibt es dort eine „Plattnerstube“ und in der neuen Gallery Plavina mehrere Bilder von Karl Plattner. Die Landschaft des Obervinschgaus, die Gassen und Häuserfassaden von Burgeis und Planeil nahm er in sich auf, verarbeitete sie innerlich und gab sie dann auf der Leinwand mit großem Gespür für die Linien, Flächen und Farben wider. Ein besonderes Werk schuf Plattner 1959/60 in der neu erbauten Kapelle in Alsack in der Gemeinde Mals. Es ist eine Pietá nach der Interpretation und ganz im Stil der Malkunst von Plattner. Der tote Sohn liegt auf einem Totenbett. Er beansprucht den größten Teil des Bildes. Die Mutter sitzt daneben, erstarrt in Trauer. Sie hält das Totentuch in den Händen. Das Bild beschönigt nichts und macht nachdenklich. Auch dieses Bild hat Kritik hervorgerufen und wurde nicht von allen begrüßt. Der Tod und das Leid der Menschen ist neben der Landschaft ein zentrales Thema in den Werken von Plattner. Eines der letzten öffentlichen Arbeiten im Obervinschgau ist das Fresko für das Familiengrab auf dem Friedhof von Mals, gleich beim Eingang, das er 1966 schuf. Es zeigt die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, die bis in den Tod reicht. Damit hat er sicher auch an seine eigene Mutter gedacht, die 10 Kinder großgezogen, viel Arbeit, Leid und Mühen auf sich genommen hat.