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Titel

„Wir haben den LH“

von Erwin Bernhart
Vinschgau - Die Tauferer BMin Roselinde Gunsch ist als Kandidatin für die Bezirkspräsidentschaft ohne Gegner. Welche Anliegen im Vinschgau liegen ihr am Herzen, welche Themen will sie verstärkt angehen? Im Interview spricht sie über das Thema Müll, über den Verkehr, über das Krankenhaus, verschweigt den Sepp Noggler und fordert einen Abbau des Kirchturmdenkens.
veröfftl. am 13. Oktober 2025

Wir haben als Ansprechpartner den Landeshauptmann, der uns auch in der Landesregierung vertritt. Wir treffen uns regelmäßig und da werden die Vinschger Themen besprochen.

Vinschgerwind: Zuerst, Frau Präsidentin, etwas, das funktioniert. Die Müllentsorgung im Vinschgau funktioniert. Wird dies, in Anbetracht anstehender Ausschreibungen, auch weiterhin so bleiben?
Roselinde Gunsch: Die Zukunft der Müll-entsorgung wird sich ändern. Das ist vom Staat so vorgeschrieben. Südtirol hat nur einen Aufschub bis 2026 erwirkt. Die aktuellen Vorgaben von ARERA (ital. Umweltbehörde, Anm. d. Red.) können von uns Gemeinden gar nicht eingehalten werden. Derzeit ist es so, dass die Gemeinden die Mülltarife bestimmen und die Müllrechnungen an die Bürger ausstellen können. Aber laut Arera müssten wir eine 24-Stunden-Hotline einrichten und gewähren und noch viele andere Dinge mehr. Das Land ist derzeit gemeinsam mit den Gemeinden und mit dem Amt für Abfallwirtschaft bei der Konzeptentwicklung, wie das in Zukunft ausschauen könnte. Das Grobkonzept bisher: Es soll einen einzigen Verwalter, den sogenannten EGATO (Enti di governo dell’ambito territoriale ottimale, Anm. d. Red.) im Land geben und dann könnten bis zu 5 Tochtergesellschaften gegründet werden. Der Vinschgau soll gemeinsam mit dem Burggrafenamt eine solche Inhousegesellschaft bilden. Wir möchten, dass die Ausschreibungen der Dienste in der Peripherie bleiben. Nicht vorstellen können wir uns, wenn das Land eine einzige Auschreibung machen würde. Wir haben ja die Erfahrung gemacht, wie es ist, eine auswärtige Firma mit dem Mülldienst zu beauftragen. Allerdings wird es so sein, dass die Gemeinden in Zukunft mit dem Müll nichts mehr zu tun haben werden. Denn die Tarife und die Rechnungen werden nicht mehr in den Gemeinden erstellt werden.


Vinschgerwind: Themenwechsel: Der Verkehr ist auf allen Ebenen eine Herausforderung. Wird sich die Bezirksgemeinschaft Vinschgau diesen Herausforderungen stellen?
Roselinde Gunsch: Der Verkehr ist Dauerthema. Die Saisonen haben sich geändert. Es gibt im Jahr nur noch einen kurzen Zeitraum mit einer Verkehrsberuhigung. Es gibt von den Kollegen Bürgermeistern einen großen Aufschrei. Im Obervinschgau müssen sich die Gemeinden Mals, Glurns und Schluderns zusammensetzen und einen Konsens finden. Da müssen wir für eine Umfahrung Druck machen. Landesrat Alfreider wollte ja alle vorhandenen Vorschläge sammeln, das hat sich verzögert. Vinschgauweit wäre mit Kriechspuren viel getan. Dort könnten Traktoren oder Sattelzüge ausweichen. Denn im gesamten Vinschgau kann kaum überholt werden.

Vinschgerwind: Die Forderung nach Kriechspuren ist ziemlich alt....
Roselinde Gunsch: Die Forderung ist alt. Ich werde sie aber wieder deponieren. Da muss es doch Möglichkeiten geben. Auf der anderen Seite hoffe ich, dass der Zug im nächsten Jahr wieder so in Betrieb gehen wird, dass er für Pendler attraktiv werden wird. Dann kann auch der sogenannte selbstgemachte Verkehr vermindert werden.

Vinschgerwind: Kürzlich wurden bei den „Schlanderser Gesprächen“ auch die Bahnverbindungen in die Schweiz und nach Nordtirol angesprochen. Geht da nichts weiter?
Roselinde Gunsch: Die Verbindung wird schon seit Jahrzehnten angedacht. Wir sagen, die Elektrifizierung des Vinschgerzug ist gut und wir freuen uns. Aber das darf nicht das Ende sein. Das sage ich immer wieder. Eine technische Arbeitsgruppe ist in Sachen Bahnverbindungen speziell für die Geologie eingesetzt, es sollten Variantenstudien gemacht werden....

Vinschgerwind: ... es sollten längst schon Ergebnisse vorliegen ...
Roselinde Gunsch: Wir haben bis heute noch keine Ergebnisse. Bei der 20-Jahr-Feier der Vinschgerbahn im Frühjahr hab’ ich gefordert, dass zu den „Schlanderser Gesprächen“ Ergebnisse vorgelegt werden. Das ist nicht passiert. Zumindest die Variantenentscheidung müsste gefällt werden.

Vinschgerwind: Was wäre Ihre Präferenz?
Roselinde Gunsch: Das Ganze, das ist meine Meinung, macht nur Sinn, wenn Bormio angeschlossen wird. Eine Verbindung nach Mailand wäre für uns ideal. Nicht ein Autoverladezug, sondern ein ganz normaler Zug. Auf der anderen Seite würde ich eine Verbindung in die Schweiz befürworten. Nicht durch’s Münstertal. Eine Panoramabahn über den Reschen kann ich mir nicht vorstellen. Weil das Ganze aber eine längerfristige Sache ist, drängen wir auf eine Entscheidung.

Vinschgerwind: In Erinnerung sei gerufen, dass der Ingenieur Paul Stopper vor 20 Jahren auf Basis eines Interreg-Projekts eine Studie über alle möglichen Zugverbindungen erstellt hat. Man tritt offensichtlich auf der Stelle.
Roselinde Gunsch: Es scheint so.

Vinschgerwind: Fühlt sich der Bezirk Vinschgau politisch derzeit in Bozen gut vertreten?
Roselinde Gunsch: Mit nur einem Abgeordneten im Landtag kann man sicher nicht von einer guten Vertretung sprechen. Unser Ansprechpartner in der Landesregierung ist der Landeshauptmann. Wir treffen uns regelmäßig und da werden die Vinschger Themen besprochen.

Vinschgerwind: Zum Beispiel?
Roselinde Gunsch: Beim Nationalpark zum Beispiel. Der Fahrplan ist so, dass man versuchen wird, einige einzelne Artikel in Rom genehmigen zu lassen. Wir wissen, dass die Lombardei keine Eile hat, einen eigenen Nationalparkplan zu genehmigen. Festgeschrieben ist aber, dass alle drei Regionen die Parkpläne gemeinsam genehmigen. Das ist nicht machbar. Wenn das gehen würde, dass einige wichtige Artikel, etwa die Höfe betreffend, vom Ministerium genehmigt würden, wäre uns viel geholfen. Diesen Fahrplan möchte LH Arno Kompatscher abklären.

Vinschgerwind: Dauerthema war in der Vergangenheit die Sicherstellung des Krankenhauses Schlanders. Ist das Krankenhaus in trockenen Tüchern?
Roselinde Gunsch: Wir haben die Zusicherung von Seiten des Landes, dass das Krankenhaus erhalten bleibt. Es gilt aber weiterhin wachsam zu sein. Die Dienste im Krankenhaus abzudecken ist dauernd eine Herausforderung. In der Peripherie ist es sehr schwierig genügend Fachpersonal zu rekrutieren. Deshalb ist es wichtig, dass es für bestimmte Regeln für die Anstellung in der Peripherie Ausnahmen gibt. Zum Beispiel: die Werkverträge werden nur bis zu 500 Stunden im Jahr abgeschlossen. Es gibt aber Ärzte die sehr wohl mehr Stunden machen würden, diese sollten auch mehr Stunden machen dürfen dürfen.

Vinschgerwind: Die Bezirkspolizei wurde in den vergangenen Jahren aufgestockt und hat ihre Aktivitäten intensiviert. Gibt es hierzu eine Zwischenbilanz?
Roselinde Gunsch: Wir sind auf einen guten Weg. Mittlerweile sind fast alle Polizisten auf den Bezirk übergegangen. Unter dem Kommando von Christian Carli stehen rund 18 Polizisten im Korps zur Verfügung. Die Zusammenarbeit, das Einteilen für die Gemeinden und die Ausbildungen sowie der Austausch zwischen den Bürgermeister*innen und der Ortspolizei funktionieren recht gut. Mittlerweile gibt es einen Gesetzesentwurf auf Landesebene, der die Zusammenarbeit der Ortspolizei regelt. Es zeigt sich, dass die richtige Entscheidung getroffen wurde.

Vinschgerwind: Das Personal in den Sozialdiensten in der Bezirksgemeinschaft Vinschgau ist in den letzten Jahren enorm angewachsen. Werden die sozialen Aufgaben und damit die Anzahl der Beschäftigten weiterhin zunehmen?
Roselinde Gunsch: Ich glaube schon. Der Bedarf und die Notwendigkeiten nach sozialen Diensten nehmen zu. Mit der demograpischen Entwicklung steigt die Zahl der älteren Menschen, womit auch ein höherer Betreuungsaufwand verbunden ist. Der Bereich der Hauspflege kann bisher mit Personal gut nachbesetzt werden. Die 36-Stunden-Woche wird eine Herausforderung. Auf der anderen Seite nehmen die Beratungsstellen in allen anderen Bereichen zu. Auffällig ist, dass immer mehr Familien betreut werden müssen. Das hat möglicherweise mit einer Überforderung von Familien in der Gesellschaft zu tun.

Vinschgerwind: Der Vinschgau gilt als einkommens- und strukturschwach. Inwieweit kann und will die Bezirksgemeinschaft Maßnahmen ergreifen?
Roselinde Gunsch: Strukturschwach und arm? Da müssen wir schon unterscheiden. Nimmt man die Einkommen aufgrund der ASTAT-Daten her, wissen wir, wer die ärmsten Gemeinden sind: Taufers, Laas, Kastelbell. Wir wissen aber auch, dass die Einkommen der Grenzpendler oder der Bauern nicht wirklich aufscheinen. Natürlich haben wir Aufholbedarf, etwa im Tourismus. Mich ärgert da die allgemeine Diskussion über den Overtourismus. Im Vinschgau ist jedenfalls noch viel Potenzial für den Tourismus. Wenn wir von Industrie reden, dann hätten wir da die Arbeitskräfte nicht. Im Handwerk wäre noch Potenzial, aber auch da sind Arbeitskräfte rar. Ein großes Manco sind die Geschäfte und die Gastronomie in den Ortschaften.

Vinschgerwind: Kann man da etwa tun?
Roselinde Gunsch: Natürlich kann man von der Gemeinde aus etwas fördern, wie es in Schluderns der Fall ist. Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen, die Bezirksgemeinschaft handelt im Auftrag der Mitgliedsgemeinden. Oft vermisse ich den Unternehmergeist. Sätze wie: “Warum sollte ich mir das antun?“ sind immer wieder zu hören. Die Gesellschaft muss selbst umdenken, man muss halt weniger online bestellen und mehr vor Ort einkaufen. Darauf ist immer wieder hinzuweisen. Wenn wir einen Dorfladen haben wollen, dann müssen wir uns alle zusammen einbringen. Das erzeugt im übrigen auch weniger Verkehr.

Vinschgerwind: Sie werden wieder zur Bezirkspräsidentin gewählt und Sie sind bereits amtserfahren. Wo sehen sie in der anstehenden Legislatur die größten Herausforderungen?
Roselinde Gunsch: Einmal ist es sicher der Verkehr. Die Müllproblematik gilt es, gut unter Dach und Fach zu bringen. Und dann sind es vor allem die Sozialdienste. Ein Phänomen das zunimmt, ist das Problem der einheimischen Obdachlosen. Mein großer Wunsch ist es, dass sich die Gemeinden untereinander solidarisch verhalten, das Kirchturmdenken hintenanstellen, so wie es sich die letzten Jahre entwickelt hat.