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Portrait

Zurück in den Vinschgau

von Bruno Telser
Andreas Wunderer – Zurück in den Vinschgau, angekommen in Trafoi - Manchmal führen die weiten Wege der Welt am Ende dorthin zurück, wo alles begann.
veröfftl. am 02. September 2025

Andreas Wunderer - Früh zog es ihn hinaus. Nicht, um der Heimat zu entfliehen, sondern um zu lernen, wie andere kochen, denken und arbeiten.

Manchmal führen die weiten Wege der Welt am Ende dorthin zurück, wo alles begann. Bei Andreas „Andi“ Wunderer war dieser Anfang in der Küche des Campings Sägemühle in Prad, wo ihn sein Vater in die Küche einführte. Zuvor war seine “Nana”, ebenso Köchin von Beruf, Vorbild am Herd, welche die Enkel nach der Schule mit bodenständiger und traditioneller Küche empfing. In den Regalen und im Keller stapelten sich eingelegte Gemüse, im Sommer geerntet und verarbeitet, im Winter genossen. Damals war das kein Trend, sondern Hausverstand. Heute nennt man es saisonal und regional – Begriffe, die Wunderer nicht mehr loslassen und heute in seine Küche Einzug finden. Früh zog es ihn hinaus. Nicht, um der Heimat zu entfliehen, sondern um zu lernen, wie andere kochen, denken und arbeiten. Nach Schulbildung im Meraner Savoy und einigen Stationen im Land, wie dem Quellenhof in Passeier und dem La Perla in Corvara, zog es den heute 39jährigen Andi in die Ferne. Damals konnte er noch gar nicht so richtig kochen, wie er selbst sagt. Mit Neunzehn ging er dorthin, wo Küche zur Hochkultur gemacht wird: Kempinski St. Moritz, dann ins Sterne-Restaurant Acquarello in München, weiter ins Luxushotel Corinthia in London, in exklusive Clubs und schließlich in eines der teuersten Häuser Englands - der Grantley Hall in North Yorkshire, wo er beim Aufbau der Küche von Anfang an dabei war. Er kochte für Gäste, die jedes Detail kennen, und lernte, dass Perfektion nicht nur Können ist, sondern auch Haltung. In noblen Kreisen wird auch nobel gegessen. Dann kam Corona. Und vielleicht die Erkenntnis, dass die Welt groß ist – und die eigene Welt im Vinschgau ebenso. „In Südtirol ist es am einfachsten, mit heimischen Produkten zu arbeiten“, sagt er. „Hier gibt es fast alles – in bester Qualität.“ Ein Apfel von hier schmeckt für ihn anders, besser. Der Gedanke, nicht nur den Geschmack, sondern auch die Produzenten dahinter zu bewahren, treibt ihn an: „Wir müssen unsere Landwirte unterstützen. Stellen Sie sich vor, es gäbe keine echten Bauern mehr in Südtirol.“ Nach seiner Rückkehr führte ihn der Weg zunächst als Küchenchef in den Lindenhof nach Naturns. Dort setzte er auf das, was er aus London und München mitgebracht hatte – und was er in Prad schon kannte: Gerichte mit Charakter, ohne modische Allüren, aber mit dem Blick für feine Details. Trends hat er viele kommen und gehen sehen: Hausmannskost, mediterranen Boom, Sushi und Fusion. Er weiß, dass nicht alles bleibt, und dass man eine Linie braucht, um nicht beliebig zu werden.
Heute steht Wunderer in einer Küche, die nicht nur Arbeitsraum, sondern Bühne ist: im Hotel Bella Vista in Trafoi, am Fuß des Ortlers. Hier vereinen sich der Blick auf die Berge, die Ruhe des Nationalparks und das kulinarische Können eines jungen Mannes, der beides kennt – die Welt und die Heimat. Seine Gerichte sind wie kleine Landschaften: Ein offener Raviolo mit Fasanragout und Stelvio-Käse-Schaum erinnert an alpine Wiesen, frische Kräuter wie Basilikum und Minze holen den Sommer auf den Teller, auch wenn draußen Schnee liegt. Wunderer mag es, wenn die Gäste sehen, wie in der Küche gearbeitet wird. Nicht nur um zu beeindrucken, sondern um ein Bild zu korrigieren: Es wird nicht gebrüllt, es wird konzentriert gearbeitet, präzise und meist leise. Diese Offenheit ist ihm wichtig – wie auch der Gedanke, dass Essen nicht nur satt machen, sondern etwas erzählen soll. Die Basis eines guten Essens ist ein guter Garten „Wer einen Garten hat, braucht keinen Psychiater“, sagt er. Vielleicht ist dieser Garten das beste Bild für seine Küche: verwurzelt, gepflegt, voller Leben und mit der Geduld, die es braucht, bis etwas reif ist. So ist er wieder hier, im Vinschgau, nicht als Rückkehrer aus der Fremde, sondern als einer, der einen weiteren Kreis geschlossen hat. Von der Küche seiner Oma in Prad über die Küchen der Welt zurück nach Trafoi. Dort, wo das Essen noch nach Heimat schmeckt – und gleichzeitig nach der Welt, die er gesehen hat. Wer seine Kreationen bestaunen möchte, kann dies auf seinem Instagramm Kanal @andreas_wunderer machen, oder direkt bei einem Abendmenü im Bellavista Trafoi genießen.