Formgebend. Besuch der Sommerausstellung im Haus59 in Stilfs

Aus dem kupferhaltigen Prettauer Grubenwasser gewonnen, verhüttet, geschmolzen, zum Gefäß aufgezogen.
Was aus dem Berg gekommen ist, kehrt zum Berg zurück, wenn auch zu einem anderen. Es sind Gefäße aus Prettauer Kupfer, aus Bronze und Eisen, die zu Gesprächen anregen und Menschen nach Stilfs ziehen. Dort setzen sie sich in der Stube an den Tisch und geraten, vom Geist des renovierten Bauernhauses und der Kunst beseelt, ins Erzählen. Über Formen philosophieren, von Farben reden, Flächen berühren, den Blick über die Dächer schweifen lassen. Laurenz Stockner, 54, schwärmt von der besonderen Atmosphäre des Dorfes. Er hat die frühherbstlich scharfen Konturen des Ortlers gesehen und im Gasthaus die Stilfser getroffen. Hier scheint er sich wohlzufühlen, seine Kunst tut es auch.
Von April bis Juni hatte er einige seiner Objekte in einer Ausstellung auf Schloss Tirol präsentiert. Am Haus59 schätzt er das Nahbare der Kunst, es lasse mehr Annäherung zu als ein Museum. Keine Vitrinen, sondern die filigranen Kupferschalen auf dem Bett, Bronzearbeiten auf dem Fensterbrett, wie angeschmolzen Objekte auf dem Holzboden. An den Wänden hängen Werke von Vinschger Künstler:innen wie Jörg Hofer, Anna Wielander Platzgummer, Karl Plattner. „Ich hätte alles abhängen können“, sagt Stockner, „doch dann würde etwas fehlen.“ Die Kunst miteinander kommunizieren zu lassen, mit ihr und über sie in Verbindung zu kommen, das ist es, was den Künstler anregt. Im Schlafzimmer befindet sich eine Arbeit aus der Serie „Hyle“, aus schwerem Stahl geschmiedet. Ein ausgefräster Block kommt in das Schmiedefeuer, bis er bei höchster Hitze zu schmelzen beginnt. Stockner zeigt ein Foto, wie Hephaistos steht er am hohen Feuer und trotzt ihm zum richtigen Zeitpunkt das Material ab, um es zum Kunstwerk zu erheben. Daneben aufgezogene Kupfergefäße, die stundenlang mit dem Hammer bearbeitet wurden. „Handwerklich gesehen ist das die Königsklasse“, beschreibt Laurenz Stockner das Erreichen der gewünschten Formsprache. In der Suche nach Form und feinen Nuancen steckt für ihn der Antrieb. Den Schaffensprozess sieht er eng mit dem Experimentieren verknüpft, weshalb das Erarbeiten von neuen Serien und Techniken viel Raum einnimmt. Vor einigen Jahren war es das Rund-Ovale, jetzt zieht es ihn zu zylindrischen Formen.
Dass er eher zum Metall als zum Holz passe, habe sein Vater beobachtet, denn in der Familientradition hatte das Tischlerhandwerk Bestand. „Schmied zu sein ist eine Charaktersache“, ist Laurenz Stockner überzeugt. Das Feuer, das Formen, das sich widersetzende Material, das Spiel mit den Elementen und das körperliche Bezwingen des Metalls ist nicht jedermanns Sache. Auf einem Hof in Karnol betreibt er eine kleine Schmiedewerkstatt mit Kupferschmelzofen, dort verwandelt er Metall in seine Auftrags- und Kunstwerke.
Im Vorbeigehen bringt Stockner ein Bronzegefäß zum Klingen. Glockenhell durchdringt ein Ton das kleine Haus am Stilfser Hang. Die Holztreppe knarzt. Da kommen Gäste, die sich geschmolzen – geschmiedet – getrieben, so der Titel der Sommerausstellung, ansehen möchten und den Austausch mit dem Künstler suchen.

Laurenz Stockner stellt gestauchte Rohre aus Eisen mit eingeschrumpften Böden im Badezimmer aus.



