Kultur: Ein Jahrhundert voller Musik und Gemeinschaftssinn

geschrieben von

von Karin Thöni

Die Musikkapelle Matsch wird dieses Jahr 100 Jahre alt. Es wird gefeiert und zurückgeschaut. Aber auch vorausgedacht in die Zukunft der „Matscher Musi“. Eine Hektode Matscher Kulturgeschichte.
Gar einiges hat sich die Musikkapelle von Matsch für dieses Jubiläumsjahr vorgenommen: eine eigene Broschüre zur Geschichte der Kapelle, ein eigens komponiertes Stück, ein großes Fest im Sommer mit einem Einzug von mehreren Kapellen, ein eigenes Logo...
Der Verein hat keine Nachwuchssorgen, er ist mit 45 Mitgliedern, darunter vielen jungen Leuten, gut aufgestellt.

Die Gründung
Im fernen Jahr 1924 gründete der rührige Pfarrer Anton Reisigl die Musikkapelle Matsch und war auch deren erster Kapellmeister. Noten konnte zu dieser Zeit noch keiner lesen oder spielen, die Musikstücke wurden nach Gehör eingelernt und auswendig gespielt. Die Freude am Musizieren wird es gewesen sein, die die Bauern des Tales mit ihren Instrumenten in den Stuben hat zusammenkommen lassen. Und die Tatkraft des Pfarrers. Damals war es noch der „Musikverein Matsch“, der erste Stücke einlernte und auch die neue Erfahrung machte, als Gemeinschaft zu spielen.
Musikkapelle matschDoch die Tätigkeit musste bald schon wieder niedergelegt werden. Die scheinbar weit entfernten Ereignisse der Geschichte machten auch vor Matsch nicht halt: die Faschisten kamen an die Macht und verboten unter anderem das Singen und Musizieren in deutscher Sprache. Auch das Tragen der Tracht und das Spielen österreichischer Märsche war nun nicht mehr erlaubt.
Der Pfarrer stand vor einem Dilemma und entscheidet sich, Noten samt Instrumente nach Meransen zu verkaufen. Aus den Augen aus dem Sinn, so wird er wohl gedacht haben. Doch die Matscher konnten diesen Schritt nicht nachvollziehen und ein jahrelanger Streit zwischen dem einstigen Gründer und den Mitgliedern der Musikkapelle begann.
So hat der Faschismus ersten Unmut in das Tal gebracht und die Arbeit der Musikanten jäh unterbrochen.

Neugründung, Faschismus, Weltkrieg
Doch schon bald, im Jahre 1930, gründete der Großteil des ehemaligen Musikvereins die Musikkapelle Matsch. Doch so einfach war dies natürlich nicht. Geld fehlte an allen Ecken und Enden. Trotzdem gelang es, die alte Begeisterung wieder aufleben zu lassen. Die Männer übernahmen den Holzschlag von der Fraktion, um die Kosten der Gründung tragen zu können. Die Matscher und Matscherinnen zeigten schon damals Sympathien für die Musikkapelle und spendeten Wolle und Korn, das verkauft werden konnte. Trotz allem musste man für den Ankauf der Instrumente einen Kredit bei der Raiffeisenkassa im Wert von 5.000 Lire aufnehmen.
Die Instrumente waren somit Eigentum der Musikkapelle und nach Urkunde waren es zwei Klarinetten, zwei Flügelhörner, zwei Trompeten, zwei Bombartine, ein Euphonium, ein Helikon. Bass und eine große Trommel. Ein paar Gabeln, Klarinettenblättchen, Cinellen und Notenbüchlein waren auch aufgeführt. In dieser Zeit hatte Midl Eberhard die musikalische Leitung des Vereins inne, die somit wohl eine der ersten Kapellmeisterinnen in Tirol gewesen sein dürfte. Notenmaterial war rar und teuer, finanzielle Mittel kaum vorhanden, jeder „Centesimo“ an Einnahmen, so erkennt man es im säuberlich geführten Kassabuch, wichtig.
Die Musikkapelle war auch während des Faschismus aktiv, einmal soll die Kapelle gar beim Baumfest vor dem Podestà ein paar Stücke gespielt haben. Oft gehörten solche Auftritte aber zur unliebsamen Pflicht. Der zweite Weltkrieg unterbrach dann die Tätigkeiten, die meisten Mitglieder mussten in den Krieg ziehen. Schon im Frühjahre 1947 spielte die Kapelle aber wieder auf.

Die Tracht
1952 dachte man erstmals an eine einheitliche Tracht. Doch wie immer war es die finanzielle Seite, die schwierig war. Die Musikkapelle war sich allerdings nicht zu schade, die Menschen bis hinunter nach Eyrs und Tanas und hinauf bis nach Langtaufers um Unterstützung zu fragen. Wolle, Korn und auch Geld konnte gesammelt werden. So konnten die Schneider nach Matsch kommen. Untergebracht waren diese im Gasthaus Weisskugel und wurden von den Frauen der Musikanten verköstigt. Fünf Schneider wurden für diese Arbeit gebraucht. Das erste Mal in der neuen Tracht aufgetreten sind die Matscher dann in der Churburg.
Erst in den 90iger Jahren wurden diese Trachten dann durch neue ersetzt, diese „Musitracht“ tragen die Musikanten bis heute mit Stolz. In dieser Zeit traten auch die ersten Frauen der Musikkapelle bei.

Das Probelokal
Heute trifft sich der Verein wie selbstverständlich im 2013 eingeweihten und neu errichteten Probelokal, doch lange Jahre war das Finden eines geeigneten Raums ein Auf und Ab.
In den ersten Jahren traf man sich nach der Stallarbeit in den Stuben der Vereinsmitglieder, ab 1930 hielt man die Proben im Gasthaus Tandl ab. 1933 zog die Musikkapelle in eine kleine Kanzlei im Erdgeschoss der Volksschule. Die Musikanten selber vergrößerten diesen Raum im Laufe der Zeit in mühevoller Arbeit. Bald schon musste man allerdings in den Kindergartensaal, der eine schlechte Akustik hatte, umziehen. In den 90iger Jahren wies man der Matscher Musi dann einen Raum im Obergeschoss der Feuerwehrhalle aus, der Raum wurde allerdings bald, für die Anzahl der wachsenden Mitglieder, zu klein.

Osterkonzerte, Neujahrspielen, Cäcilien-Feier
Eine Besonderheit der Musikkapelle Matsch ist das Neujahrsspielen kurz vor Silvester. Lange Zeit startete der Verein die alljährliche Runde im Dorf und zog mit Trompeten und Posaunen zu den Run- und Mühlhöfen und am selben Abend wieder zurück ins Dorf, um dort zu spielen, die Neujahrsgrüße zu übergeben und Spenden zu sammeln. Hier wurde es oft spät in der Nacht. Heute wird das Neujahrsspielen auf zwei Tage aufgeteilt und einige Höfe werden auch mit dem Auto angefahren, einfach weil die Distanzen zu lang sind. Die Gruppe, die die Runde über die Runhöfe, den Ellhof und den Gschlosshof bis zu den Mühlhöfen zu absolvieren hat, geht auch heute noch, auch bei klirrender Kälte, zu Fuß. Der Höhepunkt des Vereinsjahres ist sicherlich aber das traditionelle Osterkonzert im Kulturhaus.

Kulturelle Bereicherung
Natürlich ist es für ein so kleines Dorf wie Matsch ein Segen und ein besonderes Glück eine eigene Musikkapelle zu haben. Bei vielen Gelegenheiten gelingt es der Kapelle, die Festlichkeiten noch stimmungsvoller und feierlicher zu gestalten. Das Repertoire besteht aus traditioneller Blasmusik und Stücken moderner Komponisten. Die zwei wichtigsten Auslandsauftritte fanden 1957 in Innsbruck und 1984 in Köln statt. In diesen 100 Jahren war es vor allem das Gemeinsame, sei es das Musizieren, Lernen, Üben, Feiern oder Zusammensitzen, das den Verein besonders macht.

Jubiläumsfest
Der nächste Höhepunkt des Jubiläumsjahres ist das Dorffest am 20. und 21. Juli in Matsch. Beide Tage stehen im Zeichen der letzten hundert Jahre und die Nachbarskapellen und die Musikkapelle Strengen werden eingeladen sein, um einen großen musikalischen Einzug auf die Beine zu stellen. Hier wird auch die eigens komponierte Polka für dieses Jahr zu hören sein. Das folgende, traditionelle Sommerfest ist seit vielen Jahren bei Alt und Jung beliebt und lockt Besucher von überall her.

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