„Wo a blauer Rach aufgongen isch, bin i drbei gwesn“

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Anton/Toni Polin, genannt „Tandl“, Jg. 1932, in seiner getäfelten Stube in Mals. Diese erinnert ihn an den Heimathof. Am 3. Jänner begrüßte er dort Gäste, die ihm zum 92. Geburtstag gratulierten. Anton/Toni Polin, genannt „Tandl“, Jg. 1932, in seiner getäfelten Stube in Mals. Diese erinnert ihn an den Heimathof. Am 3. Jänner begrüßte er dort Gäste, die ihm zum 92. Geburtstag gratulierten.

Toni Polin hat viel zu erzählen, von der faschistischen Schule, von Soldatenbewegungen in Mals, von der Suche nach einer Lehrstelle, vom Militärdienst an der jugoslawischen Grenze, von der Arbeit im Ausland, vom Aufbau seiner Mechaniker Werkstatt und einiges mehr.

von Magdalena Dietl Sapelza

Zu Dreikönig 1939 wurde der kleine Toni ins „Dopolavoro“ am „Kinoplatz“ zur „Befana“ geladen. Er war soeben sieben Jahre alt geworden und besuchte die italienische Schule. Gespannt wartete er, was passieren würde. „Im Fasciohaus isch nor a Hex ummergschwirrt, unt hot inz Gschenklan procht“, erinnert er sich. „Di Mandarinen unt di Stollwerk sain eppas Bsunders gwesn.“ Nachdem seine Eltern kurz darauf für Deutschland optiert hatten, konnte er in die deutsche Schule wechseln.
Toni wuchs als zweiter von drei Buben auf dem Bauernhof der „Mesmerlen“ im Ortsteil „Russland“ auf. Beim Hüten beobachtete er Soldaten und Militärfahrzeuge. 1943 sah er, wie sich deutsche Soldaten von Norden her näherten. Schnell brachte er das Vieh heim: „I hons in dr Wies nimmr ausdrholtn, wenn amol eppas lous gwesn isch“, sagt er. Das Ziel der Deutschen waren die Quartiere der italienischen Soldaten. Kurz darauf wurden diese von den SS-Männern als Gefangene in Richtung Norden getrieben. „Sechs Reihen sains gwesn“, erinnert er sich. Noch heute erscheint es ihm wie ein Wunder, dass damals - auch später beim Zusammenbruch - in Mals kein Schuss gefallen ist. Nach dem Krieg hütete Toni Schafe. Er suchte eine Lehrstelle als Mechaniker. In Prad wurde er fündig, wechselte aber schon bald zu einem Mechaniker nach Mals. Das Reifenflicken war eine Hauptaufgabe. Regelmäßig hatten die Lastwagen, die beim Bau der Staumauer für den Reschensee beschäftigt waren, platte Reifen. Er arbeitete oft bis zur Erschöpfung. Nach Abschluss der Lehre suchte Toni Arbeit als Geselle. „Mitn Garber Peppi bin i mitgfohrn. Er hot Leder aus-gfiart unt i hon überoll gfrog, obr umasuscht“, sagt er. Erst 1950 fand er in einer Werkstatt in Meran Arbeit. Bald darauf erhielt er die Einberufung zum Militärdienst. In Bassano wurden die Südtiroler im Schießen und im Handgranatenwerfen geschult. Sie kamen nach Udine und wurden dann an die jugoslawische Grenze geschickt, wo Titos Soldaten darauf warteten, Triest zu erobern. Toni empfand es als ungerecht, dass nur die Südtiroler zu diesem gefährlichen Einsatz geschickt wurden. Selbst ein „Tenente“ habe das so empfunden und ihn vor Titos Soldaten gewarnt, so Toni. „Inz Südtiroler hot ma nicht gmegg, wail di Teitsche in Kriag Greueltaten verübt hobm“. Schließlich gab Tito auf, und die Südtiroler mussten den Stacheldraht wegräumen. Nach dem Militärdienst arbeitete Toni als Mechaniker zuerst auf einem Gutshof in Bad Gastein. Dann zog er in die Schweiz. Er arbeitete in Zurzach, am Malojapass und am Silzer See, wo er für die Revisionen der Motorboote zuständig war. Schließlich kehrte er heim. „Miar hots eanter a bissl verdrossn in dr Schweiz“, bekennt er. Er entschied, in Mals etwas aufzubauen, auch weil er dort mit Marianne Frank (Jg. 1935) eine Familie gründen wollte. Auf dem Gelände des Heimathofes reparierte er Fahrzeuge. Dann kaufte er mit Hilfe seines Vaters und eines Bankkredits ein Grundstück an der Hauptstraße, wo er eine Werkstatt baute. Im Herbst 1960 heiratete er Marianne. Die Hochzeitsreise führte das Paar im Topolino nach Brixen. Auf der Rückfahrt plätscherte der Regen durch das undichte Autodach. „Pa Loos hobmer gmiaßt a onders Auto nemman“, lacht er. Die Arbeit in der Werkstatt florierte schon bald. Die Kunden wussten Tonis Fachwissen zu schätzen. „I hon olm mehrere Learbuabm kopp“, betont er. „Si sain miar selm di Hitt ingrennt.“ Schon kurze Zeit später vergrößerte Toni den Betrieb. Seine Frau kümmerte sich um den Haushalt und um die vier Kinder.
Toni fand stets auch Zeit für die Allgemeinheit. Er war Mitbegründer des Rettungsdienstes Weißes Kreuz, der Watles AG. Er engagierte sich als Gemeinderat und als Gemeindereferent, war im Verwaltungsrat des Hallenbades tätig, war Mitglied der Feuerwehr, sowie Obmann der Handwerker in Mals und im Bezirk Vinschgau. „Wo a blauer Rach aufgongen isch, bin i drbei gwesn“, scherzt Toni. Als kritischer Geist sagte er meist unverhohlen seine Meinung und eckte damit auch an. „I bin olm a Aufmuxeter gwesn“, beschreibt er sich.
Mittlerweile ist es um ihn ruhig geworden. Die Geschicke im Betrieb lenkt sein Sohn. Toni schaut fast täglich dort vorbei. Er freut sich über die Begegnungen mit „alten Kunden“ und genießt es, mit ihnen Erinnerungen an vergangene Zeiten auszutauschen.

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