Spezial: Obervinschgau - St. Valentin – Graun – Reschen & Langtaufers

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Die Wirtschaft in St. Valentin, Graun, Reschen und Langtaufers ist seit jeher vom Tourismus und der Landwirtschaft geprägt. Im Tourismussektor sind demnach am meisten Arbeitsplätze zu finden. Fluch und Segen zugleich ist die Nähe zur benachbarten Schweiz und zu Österreich.

Text & Fotos: Angelika Ploner

Wahrzeichen des Vinschgaus und der Gemeinde Graun ist zweifelsohne der versunkene Kirchturm. Idyllisch ragt er aus dem Reschensee, weit weniger idyllisch ist die Geschichte, wie es dazu kam.
Herzstück ist der Turm auch für die Ferienregion Reschenpass mit den Dörfern Reschen, Graun und St. Valentin. Es dürfte wohl das beliebteste Fotomotiv bei Gästen aus dem ganzen Vinschgau und Durchreisenden sein. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Ferienregion Reschenpass ein Publikumsmagnet ist, wo der Tourismus dominiert. Das Team um Präsident Gerald s38 reschenBurger hat die Ferienregion zu einer beliebten Tourismusdestination mit vielen hochwertigen Veranstaltungen, beispielsweise dem Reschenseelauf gemacht, soweit, dass die Ferienregion Reschenpass von den Nächtigungszahlen gar mit Naturns mithalten kann. 2022 kam man auf eine Nächtigungszahl von 418.612. Zudem konnten 104.772 Ankünfte in den insgesamt 142 Tourismusbetrieben verzeichnet werden.

Die größten Arbeitgeber.
Das Skigebiet Schöneben-Haideralm ist der größte Arbeitgeber in der Gemeinde Graun. „Wir haben 27 Fixangestellte. In der Sommersaison sind zusätzlich 20 Personen angestellt, in der Wintersaison zusätzliche 70“, erklärt die für die Verwaltung und das Marketing zuständige Siegrid Köllemann. Es war ein Mammutprojekt, das seinesgleichen sucht, der Zusammenschluss Schöneben-Haideralm. s40 stvalentinEine Herausforderung auf vielen Ebenen: auf finanzieller, auf organisatorischer, auf politischer und nicht zuletzt auf wirtschaftlicher. Man hat zusammengeschaut, damals 2018 und feiert heuer 5 Jahre Zusammenschluss Schöneben-Haideralm.
Zu den größten Arbeitgebern in der Gemeinde Graun zählt ein wichtiger Dienstleistungsbetrieb: nämlich die Raiffeisenkasse Obervinschgau. „Derzeit beschäftigen wir in der Raiffeisenkasse Obervinschgau mit dem Hauptsitz in St. Valentin und Filialen in Reschen, Mals und Burgeis, insgesamt 24 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt Direktor Markus Moriggl auf Nachfrage.

In die Reihe der größeren Arbeitgeber stellt sich auch das Unternehmen Prenner Transporte. Melanie Prenner: „Wir beschäftigen zur Zeit 20 Mitarbeiter.“ 20 Mitarbeiter verrichten auch in der Backstube Angerer täglich ihre Arbeit, erklärt Firmenchef Günther Angerer. 15 Mitarbeiter zählt momentan das Unternehmen Habicher. Bei der Baugut GmbH hingegen arbeiten „im Schnitt 12 Arbeitnehmer“, sagt Thomas Bochet. „Wir sind aktuell acht Mitarbeiter“, erklärt Romina Folie von der Metzgerei Folie. Vier Mitarbeiter zählen hingegen zum Team der Tischlerei Lechthaler. Der Wirtschaftsraum Obervinschgau lebt von der Nähe zur Schweiz und zu Österreich. Aufträge aus den Nachbarländern füllen mitunter die Auftragsbücher. Ein Vorteil. Die Kehrseite der Medaille: Viele Fachkräfte wandern ab. Abseits davon bilden die Unternehmen einen gesunden Mix. Die Vielfalt ist der Reichtum der Wirtschaft im Oberland. Das Handwerk zeichnet sich durch aktive Betriebe aus, die im Baugewerbe, im Holz- oder Metallbereich oder in der Logistik beheimatet sind. Die s41 tabKleinbetriebe bilden das Rückgrat der Wirtschaft. Der öffentliche Sektor ist – nach dem Tourismus – ein wichtiger Arbeitgeber in der Gemeinde Graun. Hier spielt der Schulsprengel Graun die größte Rolle, zu dem eine ganz besondere Schule, die Erlebnisschule Langtaufers, zählt. Für Winter und Frühjahr 2024 ist die Erlebnisschule bereits ausgebucht. „Die Erlebnisschule wird vom SSP Graun geführt und verwaltet. Diese besuchen Kinder aus ganz Südtirol für Mehrtagesaufenthalte und auch Tagesaufenthalte“, erklärt Direktor Klaus Wallnöfer. Rund 2.300 Kinder pro Jahr sind in der Erlebnisschule auf Besuch. Eine beeindruckende Zahl. „Die Besonderheit“, sagt Wallnöfer, „ist das pädagogische didaktische Modell mit Mitarbeitern, die im Tal verwurzelt sind. Die Kinder sind in Häusern untergebracht.“ Zweifelsohne: Die Erlebnisschule hat einen wichtigen wirtschaftlichen und touristischen Effekt. Zum Lehrpersonal am SSP Graun (GS Reschen, GS Graun, GS Langtaufers, GS St. Valentin , MS St. Valentin) zählen 45 MitarbeiterInnen, 14 MitarbeiterInnen sind als Verwaltungs- und Hilfspersonal beschäftigt und 12 als externe MitarbeiterInnen (pädagogische MitarbeiterInnen Erlebnisschule).

Landwirtschaft.
Die Gemeinde Graun bildet, landwirtschaftlich gesehen, eine Ausnahme. Sie ist die einzige Gemeinde im Vinschgau, wo der Obstanbau keine Rolle spielt. Die Landwirtschaft hier ist geprägt von der Milchwirtschaft. 88 Mitglieder liefern ihre Milch an die Bergmilch Südtirol. 55.637 Kilogramm lieferte im Jahr 2021 im Durchschnitt jedes Mitglied an. Daneben gibt es Landwirte, die die Milch selbst veredeln. Der Rieglhof oder der Gamsegghof in Langtaufers seien hier nur stellvertretend erwähnt.

Geschichtliches.
(Quelle: Kurt Ziernhöld)
s42 turmDer obere Vinschgau war schon im vorigen Jahrhundert mit seinen drei Naturseen ein Geheimtipp für Urlaubsuchende.
Die eigentliche Geschichte dieses Turmes aus dem 14. Jahrhundert begann, als der aus Graun stammende Ingenieur Josef Duile Mitte des vorigen Jahrhunderts seinen Plan verwirklichte, durch Absenken des Mittersees (auch Graunersee genannt) den Auslauf des Karlinbaches zu sanieren und gleichzeitig Ackerland zu gewinnen. Dieses Projekt wurde infolge einer Naturkatastrophe unterbrochen, als 1855 durch den Bruch der Schleusen die Dörfer von Burgeis, Schleis, Laatsch und Glurns schwer verwüstet wurden, und konnte daher erst 1858 fertig gestellt werden.
Zur Geschichte: Ein Stausee zur Erzeugung von Elektroenergie war noch unter der österreichischen Monarchie der nächste Plan. Die italienische Regierung (Tirol wurde nach dem ersten Weltkrieg 1919 mit dem Friedensvertrag von St. Germain geteilt und Südtirol an Italien abgegeben) griff im Jahre 1920 diesen Plan auf und erteilte eine Konzession für die Anhebung des Wasserspiegels um 5 Meter.

Das Ausmaß einer solchen Stauung wäre nicht sehr beunruhigend gewesen, da es die Orte Graun und Reschen nicht gefährdet hätte.
Seit 1922 wütete in Italien und somit auch in Südtirol der Faschismus. Im Jahre 1939 reichte der Großkonzern „Montecatini“ ein Projekt ein, den Reschen- und Graunersee um 22 Meter zu stauen. Die Bevölkerung von Reschen und Graun wurde dabei völlig übergangen. Der ausgebrochene zweite Weltkrieg verzögerte allerdings das bereits angefangene Bauvorhaben. Die Bewohner des Oberen Vinschgaus glaubten deshalb, dieses Schreckgespenst für immer los zu sein. Doch zur Bestürzung der betroffenen Einwohner wurde 1947, nur zwei Jahre nach Kriegsende, von Seiten der Montecatini bekannt gegeben, dass die Arbeiten am Stauprojekt unverzüglich wieder aufgenommen würden.
Die Bevölkerung von Graun und Reschen, allen voran Pfarrer Alfred Rieper, versuchte über eine politische Intervention den Weiterbau zu verhindern. Eine Vorsprache beim Heiligen Vater in Rom, um bei der italienischen Regierung die Einstellung der Bauarbeiten zu erreichen, war ebenso s43 arbeitsmarktergebnislos, wie eine Demonstration der Bevölkerung vor dem Büro der Firma Montecatini in Reschen. Verzweifelt musste die Bevölkerung zusehen, wie rücksichtslos sie von Grund, Haus und Hof vertrieben wurde.
1950 im Sommer war es soweit: die Schleusen wurden geschlossen und der See gestaut. 677 Hektar Grund und Boden wurden überflutet, beinahe 150 Familien wurden ihrer Existenz beraubt und die Hälfte davon zur Auswanderung gezwungen. Die Entschädigungen waren sehr bescheiden. Die Bewohner von Graun hatte man notdürftig in ein eiligst aufgestelltes Barackenlager am Ausgang
des Langtauferertales untergebracht. Der einbrechende Winter brachte zusätzlich Schmerz, Leid und auch Hass gegenüber den Verantwortlichen, die ihnen die Existenzgrundlage (in Graun 411 Hektar fruchtbarer Kulturgrund) genommen hatten. In Reschen hatte man vor Einbruch des Winters ganz schnell ein paar neue Häuser erbaut, wo die Reschner und auch einige Grauner Familien einziehen konnten.
Schrecklich war der Anblick, als der Konzern begann, Häuser, Kirchen und das gesamte Kulturgut zu vernichten. Was der Weltkrieg nicht zu zerstören vermocht hatte, erledigte eine Gruppe von gewinnsüchtigen Leuten, die sich skrupellos die Unterdrückung einer Minderheit zu Nutze machte. Der Wiederanfang der leidgeprüften Bevölkerung von Graun und Reschen war schwierig.
Heute steht er da, der Turm mitten im See, als stummer Ankläger und als Mahnmal für zu Unrecht angerichtetes Leid. Ihn allein ließ man stehen, der die Erinnerung an das malerische Dorf Graun wach hält. Heute steht er unter Denkmalschutz und ist Wahrzeichen der Gemeinde Graun.
Eine kleine Wiedergutmachung erfolgte erst 25 Jahre nach der Seestauung, indem man begann, einen Teil des Ufers zu sanieren und einige Hektar Grund wieder aufzuschütten.
Heute, viele Jahre nach dem Aufstau, sind die Wunden noch immer nicht verheilt, obwohl der Obere Vinschgau weiterhin ein Tourismusgebiet geblieben ist. Sobald im Hochsommer die Wassermengen die Wunden des Stausees zudecken, bietet sich für den Urlaubsuchenden eine malerische Landschaft dar. Die Blumenpracht und das kühle Klima im Sommer ziehen weiterhin Touristen an. Im Winter, dank der schneesicheren Lage und den vielen gut präparierten Pisten, ist der Reschenpass zunehmend ein gefragtes Urlaubsziel.

 

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