Wolfgang Platter, zum Tag des Hlg. Antonius von Padua, 13. Juni 2019
Am 17. Mai d.J. hat der Südtiroler Forstverein unter seinem Präsidenten Dr. Ing. Christoph Hintner in Klausen wieder zwei interessante und höchst informative Fachvorträge angeboten. Zur Frage „Spielt das Wetter verrückt?“ referierten MMag. Günther Aigner, Skitourismusforscher in Kitzbühel und Dr. Günther Geier, Koordinator des Südtiroler Landeswetterdienstes.
Werden wir in Zukunft noch Skifahren?
MMag. Günther Aigner stellte seinen Vortrag unter diesen Titel, der hinreichenden Naturschnee für den Skisport in der Zukunft anzweifeln lässt. In der Tat stellte Aigner einleitend fest, dass es Pessimismus zu dieser Frage gibt und diffuse Zukunftsängste die Schlagzeilen in den Medien schon seit längerem, aber auch jüngst dominieren. Einige Beispiele: „Winter mit Frost und Eis wird es in Zukunft nicht mehr geben“ stellte Prof. Mojib Latif in einem Beitrag in „Der Spiegel“ im April 2000 fest. „2040 bauen Tirols Skilehrer Wein an“ schrieb der österreichische Zukunftsforscher Andreas Reiter in der „Tiroler Tageszeitung“ am 13. Oktober 2005. Neuere Schlagzeilen lauteten „Der Fluch des langen Sommers. Steppe statt weiße Pisten“ („Trend“, 19. Oktober 2018) und „Klimaschutz – Erde in den Wechseljahren“ (Christian Rainer im Leitartikel von „profil“ am 17. Mai 2018) oder „Skifahren hat keine Zukunft“ (original „Skiing goes downhill“ im „Economist vom 27.1.2018). Günther Aigner zeigte zu diesen Schlagzeilen eine Themenkarte des Bundeslandes Tirol „Schneesicherheit in Tirol im Jahre 2020“. Die Karte verwendet die drei Ampelfarben rot, orange und grün. Rot bedeutet keine Schneesicherheit, orange zweifelhaft und grün schneesicher. Bisher als schneesicher bekannte Skiorte scheinen als rote Stationen auf.
Da „Wetter“ (als momentane Istsituation) und „Klima“ (als Langzeittrend) nicht verwechselt werden dürfen, aber leider allzu häufig als Begriffe durcheinandergebracht oder unzulässig gleichgestellt werden, waren die Erkenntnisse und Aussagen von Günther Aigner aus der Auswertung langer und sehr langer Datenreihen gewichtig und signifikant:
• Eine 124 Jahre lange meteorologische Datenreihe (von 1895 bis heute) zu den Wintertemperaturen in den Dolomiten gibt es nur von den drei Messstationen Cortina, Rolle-Pass und Villacher Alpe. 1895 hat in den Alpen das Skifahren begonnen.
• Eine in Stationen dichtere und in Jahren lange Dokumentation gibt es bei den Schneemessreihen mit der Aufzeichnung der jeweils größten Schneehöhe in jedem Jahr. Für Kitzbühel auf 761 m SH z.B. von 1896/97 bis 2018/19. Aus der 123 Jahre langen Messreihe geht hervor, dass die Schneehöhe in 100 Jahren um nur 7 Zentimeter oder 0,07 cm pro Jahr abgenommen hat. Für Seefeld, Leutasch und Scharnitz betrug die Abnahme der Schneehöhe in 100 Jahren -6,3 cm, für Lech am Arlberg auf 1.480 m SH (Messreihe 1926/27-2018/19) -6,8 cm in 100 Jahren.
• Zur Entwicklung der Länge und Dauer der Skisaison stellte Aigner fest, dass die Länge der Skisaison durch den Einsatz von Schneekanonen sehr stabil geworden ist.
• Zum kontrovers diskutierten Argument „Schneedepots“ (Snowfarming) fasste Aigner das Beispiel Kitzbühel Resterkogel zusammen: Von einem winterlichen Schneedepot mit 12 Metern Höhe und 25.000 Kubikmetern Volumen überdauerten dank Dämmstoff 20.000 m³ (gleich 80%) den Sommer. Die Pistenbetreiber am Pitztaler Gletscher haben in der vergangenen Saison 13 Schneedepots mit insgesamt 150.000 m³ angelegt. Der sommerliche Schwund kann bei effizienter Dämmung auf 10% gedrückt werden. Persönlich teile ich aber die Einschätzung der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“, dass Snowfarming eine „apokalyptische Trotzreaktion“ auf den nicht mehr wegzudiskutierenden Klimawandel ist.
• Zu den Schwierigkeiten präziser Prognosen im kleinregionalen Maßstab zitierte Günther Aigner den Meteorologen Mag. Christian Zenkl: „Es ist nicht möglich, regionale Klimaentwicklung zuverlässig vorherzusagen.“
• Aufschlussreich waren die Ausführungen Aigners auch zur klimatischen Entwicklung der Bergsommer. 1975 sang Rudi Carell „Wann wird´s mal endlich wieder Sommer?“ 40 Jahre nachher stellen wir heute fest, dass sich v.a. die Sommertemperaturen verändern. In den letzten 30 Jahren sind sie um durchschnittlich 3° C angestiegen. Die Sonnenscheindauer hat um 30% zugenommen. Hans Joachim Schellnhuber, 1992 Gründer und nunmehr Direktor emeritus des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung betitelt sein 2015 erschienenes Buch gar mit „Selbstverbrennung. Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff.“ Besonders gravierend sind die Auswirkungen der heißen Sommer auf die Gletscher. Bei einer durchschnittlichen Erwärmung von +1° C steigt die Schneegrenze um 150 Meter nach oben. Die Schneegrenze ist ein bestimmender Faktor für das Verhältnis zwischen Ablagerungs- und Abschmelzgebiet auf den Gletschern. In nur vier Jahrzehnten ist die Schneegrenze um mehr als 500 Höhenmeter nach oben gerückt. Dies erklärt, warum das Nährgebiet der Gletscher immer kleiner und ihr Zehrgebiet immer größer wird.
Extreme Wetterereignisse im Alpenraum
Sind extreme Wetterereignisse Indikatoren für Klimaveränderungen? Diese Frage stellte der Landesmeteorologe Dr. Günther Geier an den Beginn seines Vortrages. Und Geier stellt gleich fest, dass es im Klimabereich nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern auch viele Graubereiche. Aber es gäbe in der Berichterstattung oft zu viele reißerische und zu plakativ verkürzende Schlagzeilen. Auch Geier betonte, dass Wetter nicht gleich Klima ist. Das Wetter ist ein momentaner Zustand, das Klima bildet die mittleren Verhältnisse über einen langen Zeitraum ab.
Zur nicht einfachen Definition „Was ist ein Extremereignis?“ stellte Günther Geier fest, das Extremereignisse selten an einen bestimmten oder gar gleichen Ort gebunden seien. Um nachzuschieben: “Wenn man sich mit dem Klimawandel beschäftigen will, darf man sich nicht auf die Extremereignisse beschränken!“
Zur Frage, ob es den Klimawandel gäbe, zitierte Geier die Jahresdurchschnittstemperaturen von Bozen: Im langjährigen Mittel lagen sie zwischen +11 und + 13° C. 2018 betrug die Bozner Durchschnittstemperatur +14° C. Bis 2050 wird für Bozen eine Temperaturzunahme von 1,5 – 2,0° C angenommen, bis 2100 wird für Bozen ein Anstieg von 3,5 -4,0° befürchtet. Um einen Vorstellung zu diesen Anstiegen zu vermitteln, erläuterte Geier, dass zwischen einer Eiszeit und einer Wärmezeit im Jahresmittel ein Temperaturunterschied von 4 – 5° C besteht. Anders vorstellbar gemacht: Die Temperatur von Naturns verschöbe sich nach Schlanders, jene von Schlanders nach Laas, von Brixen nach Bruneck und von Bruneck nach Toblach.
Was den Niederschlag in Südtirol betrifft, ist laut Günther Geier kein statistisch signifikanter und kein einheitlicher Trend festzustellen. Die Variabilität sei sehr groß. Was sich insgesamt ändert, ist die Wasserbilanz: Bei weiterhin heißen Sommern wird mit jedem Grad Erwärmung die Wasserverdunstung um 7% ansteigen. Kein Zweifel besteht, dass der derzeitige Klimawandel zu wesentlichen Teilen ein menschengemachter ist. Menschliche Eingriffe wie die Versiegelung der Böden, die Abholzung der Wälder, der erhöhte Kohlendioxid-Ausstoß durch die Verbrennung fossiler Energieträger, zunehmende Verbauung mit Flächenverbrauch sind nur einige Ursachen hierfür.