Schlanders erzählt... Märchenherbst

Maerchenherbst24

 
 
Dienstag, 23 August 2016 09:26

Arbeiten und Brotarbeiten

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kultur 2von Heinrich Zoderer


Die Fußgängerzone in Schlanders ist die Einkaufsstraße im Vinschgau. Bei einem Gang durch die Zone und waagrechtem Blick auf die Häuser entdeckt man die Geschäftswelt mit den vielen Schaufenstern. Die verschiedensten Waren werden angeboten, es präsentiert sich eine Welt der Fülle und der Vielfalt.

Doch wer seinen Blick nach oben richtet und so die Fußgängerzone durchschreitet, erkennt eine andere Seite, eine andere Welt. Es gibt verschiedene Erker, Fenster und Ausblicke. In der Ferne thront die Schlandersburg. Eine Uhr hängt an der Eckmauer beim Hauptplatz, es gibt ein Marmorrelief von Schwenzengast und ein Bild von Robert Scherer. Beim Gartnerhaus zieren Heiligenbilder die Hausfassade. Es sind die Heiligen von Peter Fellin, gemalt im Jahre 1970 und restauriert 2010. Am rechten Rand der acht Heiligen in der Fußgängerzone erkennt man das F. Es ist das Erkennungszeichen, die Signatur des Meraner Künstlers. Karl Gartner, der 60 Jahre Rechtsanwalt in Schlanders war, war ein Freund und Förderer von Fellin. Der Künstler Fellin führte solche Aufträge aus, um für seine Familie sorgen zu können. Für ihn waren diese Beschäftigungen Brotarbeiten. Auch in der früheren Raiffeisenkasse von Prad, im heutigen Gemeindehaus, sind Brotarbeiten von Fellin zu sehen, so wie auch im Landhaus in Bozen. Seine Kunstwerke nennt er einfach Arbeiten. Diese Arbeiten sind Denkprozesse auf der Suche nach der Wahrheit, nach dem Ursprung, dem existenziellen Kern des Sein und der Welt. Malen war für Fellin eine Form des Denkens, ein Erkenntnisprozess, ein geistiger Schöpfungsakt als Suche nach der Weltseele, nach dem geistigen Prinzip, ein Einswerden mit dem All, dem Göttlichen, dem gesamten Denken der Menschheit, so schreibt Eva Kreuzer Eccel in der Arunda Nr. 20 aus dem Jahre 1986, die Peter Fellin gewidmet ist.

Verlust der Eltern und die grausamen Erlebnisse des Krieges
kultur fellinZwei große Einschnitte haben das Leben und Denken von Peter Fellin tief geprägt. 1920 in Revò im italienischen Nonstal als 16. Kind geboren, war er bereits mit drei Jahren Vollwaise. Er kam nach Graz zu seinem Onkel und musste Deutsch lernen. So hat er in seiner Jugend seine Eltern und seine Muttersprache verloren. Später kam er in den Krieg und in die Kriegsgefangenschaft, erlebte Zerstörung und Grausamkeiten. Vor allem in der Kunst und auch in der Musik hat er seine Ausdrucksweise gefunden. Der Schmerz, die Verzweiflung, die Angst und die Sehnsucht nach einer Mutter, nach anderen Menschen, sind seine bestimmenden Themen geblieben. Hinter der diesseitigen Scheinwelt, hinter der materiellen Welt, suchte er in der Kunst nach einer zweiten Natur, nach einer geistigen Welt, nach den Urformen der Schöpfung. Im Manifest aus dem Jahre 1959 hat er seine Idee der zweiten Natur festgehalten. 2010 war in Kunst Meran die letzte große Ausstellung seiner Arbeiten in seiner Heimatstadt. In diesem Sommer zeigt Walter Rizzi in seinem Spazzio eine umfangreiche Werkschau mit verschiedenen Bildern von Fellin. Matthias Schönweger hat 144 Bilder gesammelt und im Spazzio Rizzi ausgestellt. Bis am 25. September kann die Sammlung besichtigt werden. Die abstrakte Malerei, meist in schwarz-weiß, war seine Ausdrucksform, seine Arbeit. Als Suchender hat er sich mit der Religion und den Existensformen des Lebens beschäftigt. Peter Fellin starb am 22. April 1999 in Meran.

Die Heiligen in der Fußgängerzone
Fast unbemerkt ruhen sie an der Hausfassade. Nur wer den Blick nach oben richtet, kann sie erkennen. Acht Heilige aus dem Vinschgau von Naturns bis Mals. Ganz links erkennt man Prokulus, den Viehpatron mit Schafen und Kühen. Die St. Prokuluskirche in Naturns mit den schönen Fresken, die über 1.000 Jahre alt sind, ist der konkrete Bezugspunkt. Daneben ist die hl. Katharina, abgebildet mit einer Palme und einem Rad, dem Folterwerkzeug. Ihr Festtag ist der 25. November. Die Pfarrkirche von Katharinaberg in Schnals, in Schluderns und die alte Pfarrkirche in Graun sind ihr geweiht. Neben Katharina ist Maria, die Gottesmutter mit dem Jesuskind abgebildet. Die meisten Kirchen sind Maria geweiht. Auch die Pfarrkirche in Schlanders ist eine Marienkirche, und zwar Maria Himmelfahrt. Ausdrucksstark, wie auch die anderen Bilder, ist der hl. Martin im nächsten Bild dargestellt, der seinen Mantel mit dem Schwert teilt und eine Hälfte einem Bettler gibt, der vor ihm auf dem Boden kniet. In Göflan und mehreren anderen Orten wird der Heilige am 11. November gefeiert. Anna Selbdritt, d.h. Anna zu dritt, ist das nächste Heiligenbild. Dargestellt ist die hl. Anna mit ihrer Tochter Maria und dem Jesuskind. Georg, der Drachentöter, ist ein weiterer Heiliger. Die Kirche zum Großen Herrgott in Agums bei Prad ist dem hl. Georg geweiht. Der hl. Georg ist neben dem hl. Josef der Landespatron von Tirol und wird am 23. April gefeiert. Dann kommt der hl. Sisinius. In Laas gibt es an einer prähistorisch besiedelten Stelle die kleine St. Sisinius Kirche. Ganz rechts in den Heiligendarstellungen ist der hl. Benedikt dargestellt. In Mals gibt es die St. Benediktskirche mit den karolingischen Fresken aus dem 8. bzw. 9. Jahrhundert und das Benediktinerkloster Marienberg. Zwischen den beiden letzten Heiligen hat Fellin noch die mittelalterliche Stadt Glurns mit ihren Stadtmauern und den drei Stadttoren gemalt. So blicken die acht Heiligen aus dem Vinschgau von der Hausfassade auf die Fußgängerzone, während die meisten Besucher durchspazieren und die Schaufenster betrachten. Aber vielleicht führt ab und zu auch ein Blick nach oben und trifft auf einen der Heiligen, der den Betrachtet denn durch den Tag begleitet.

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