Während Mantegna als wichtiger Erneuerer der Kunst gilt, wobei wir seinen Realismus in der Darstellung der Menschen und seine virtuose Beherrschung der Perspektive bewundern, wird der Freiheitskämpfer Hofer wegen seiner sehr konservativen religiösen Ansichten belächelt und für einen Reaktionär gehalten; heute würde er als Fundamentalist bezeichnet. Wogegen allerhand einzuwenden ist.
Als Andreas Hofer, der Sandwirt aus Passeier, nach mehreren siegreichen Gefechten am Berg Isel und der Vertreibung der Bayern und Franzosen aus Tirol das Regiment über das Land und die Stadt Innsbruck übernehmen musste - mit rauflustigen und übermütigen Psairern und anderen Schützen -, da sah er sich gezwungen, auch in die Praxis der Kleiderordnung einzugreifen. Er verbot den Frauen frivole Kleider, die seine Männer verrückt machten. Man muss sich vitale Hirten vorstellen, die zum ersten Mal leicht bekleidete Weiblein erblickten, die zum Greifen nahe vor den siegreichen Männern tänzelten... die haben natürlich zugegriffen!
Aber das war nicht im Sinne der Tiroler Freiheit. Hofer musste eingreifen, gemahnt auch durch die Geistlichkeit, vor allem in der Person des Fanatikers Haspinger.
Hofer selbst war natürlich ein frommer Mann, aber keineswegs weltfern und vor allem nicht prüde. Neuere Darstellungen der menschlichen Seiten Hofers zeigen uns einen ganz realistischen Rebellen, dessen Auflehnung sich gegen die Missachtung alter Rechte wandte.
In diesen Untersuchungen, z.B. vom linksintellektuellen Günther Nenning (1921 -2006) wird Hofer geradezu als ökopolitischer Vordenker gedeutet und zwar mit recht überzeugenden Ansätzen; Nenning wollte einen „Grünen“ Andreas Hofer entdeckt haben.
Von der Tiroler Erhebung im Jahr 1809 ist vorerst zu sagen, dass die Revolte gut vorbereitet war und auch gut verlief, solange die Habsburger, also Österreich, mit dabei war. Ganz Deutschland empfand diesen Freiheitskrieg als ein Fanal und als Hoffnung für die allgemeine Befreiung von Napoleon. Aber Österreich wurde besiegt und der Kaiser musste neuerlich auf Tirol verzichten. Außerdem gab es neue politische Interessen. Metternich, der reaktionär regierende Kanzler des Habsburgerreiches, wollte keine „Alpenrepublik“, auch keine „Alpenmonarchie“, wofür es allerhand Pläne gab. Treibende Kraft war der Erzherzog Johann, der Bruder des Kaiser, der Tirol über alles liebte... seine allzugroße Liebe und seine Tüchtigkeit machten mißtrauisch. Weil Metternich separatistische Machenschaften befürchtete, durfte der Erzherzog nach der mißglückten Erhebung für Jahrzehnte das Land nicht betreten; erst begraben konnte er hier werden, in einem eigenen Mausoleum in Schenna.
Seine ökopolitischen Pläne aber verwirklichte er in der Steiermark; dort wird er als der große Erneuerer und Erfinder tätig, von der technischen Forschung bis zum kleinen Selbstversorgungshof für Industriearbeiter. Dieses Modell hat er in England kennen gelernt; es wurde oft kopiert und hat sich bestens bewährt.
Das freie Tirol, es hätte sich durchaus selbst regieren können. Das war die Befürchtung der Habsburger. Die Nähe der Schweiz war beispielgebend und verlockend, zudem wären die Tiroler mit dem habsburgischen Erzherzog Johann als Regent sehr zufrieden gewesen. Solche Pläne hat es gegeben, noch vor der Erhebung und Andreas Hofer war dabei bei den Verhandlungen in Kärnten.
Aber die Geschichte ist ander verlaufen. Der von Sieg zu Sieg eilende Kaiser Napoleon machte eine katastrophale Handelspolitik: England sollte ausgeschaltet werden. Das führte zu Aufständen, so auch in Tirol. Dem Handels- und Durchzugsland Tirol wurde der ökonomische Nerv gezogen. Hofer war nicht nur Wirt, er war ein Weingroßhändler und Transportunternehmer.
Das ganze Land, auch das Trentino, litt unter der Kontinentalsperre, also unter der französisch beeinflussten Wirtschaftspolitik. Die erfolgreiche Erhebung und die große Beteiligung so vieler ist nur dadurch zu erklären, dass massive Wirtschaftsinteressen verletzt wurden... das eigentlich Reaktionäre war die französische Zentralpolitik, die über die Bayern auch den Tirolern aufgezwungen wurde.
Was mag sich Andreas Hofer in seinen letzten Stunden in Mantua gedacht haben? War eine Begnadigung noch denkbar? Und dann, vor dem Erschießungskommando, hat er an sein Land gedacht, an die Familie, an seine Kinder?
Die Stadt Mantua - damals auch in politischem Gegensatz zu Napoleon stehend - hat das Grab des Tiroler Freiheitskämpfers stets geachtet; am Ort der Erschießung wurden mehrere informative Denkmäler errichtet, die liebevoll gepflegt werden.
Hans Wielander
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