Aufsteigend erreichen wir im „Piano nobile“ den großen Prunkraum, dessen Gemäldeschmuck uns Einblick in die Träume und Wünsche des einst mächtigen Adels und der reichen Bürger gewährt. Man fühlte sich damals, also in der Zeit, die wir als Barock und Rokoko bezeichnen, im Geschmack einer anderen Welt zugehörig, am besten auch einer anderen Zeit ... Also zurück zu den antiken Göttern!
Im zentralen Deckengemälde entführt Apollo eine Frau und jagt auf einem von drei Pferden gezogenen Wagen über den Wolkenhimmel. Die Frauengestalt, seine Beute, ist die jungfräuliche Daphne, die sich angewidert sträubt und flehendlich ihren göttlichen Vater bittet, sie in einen knorrigen Olivenbaum zu verwandeln. Um abstoßend zu wirken. Diese Geschichte war in Kreisen der Gebildeten allgemein bekannt und bot Anregungen zu Vergleichen, an denen sich die Gesellschaft ergötzen konnte. Die ganzen Geschichten boten unendlichen Erzählstoff, in denen immer auch Frauen vorkamen. Inhaltlich zeigen die Lichtgadenbilder ein kombiniertes Musen-Allegorien-Götter- Programm mit auffallend viel nacktem Busen. Alle Künste werden hier angedeutet, die Dichtkunst, Musik, der Tanz ... Um das gewaltige Deckenbild besser betrachten zu können, ohne sich dabei das Genick zu verrenken, hilft ein auf dem Boden liegender Spiegel, in dem sich der ganze Raum noch einmal entfaltet.
Auffallend am Palais Mamming ist das fast völlige Fehlen von christlichen Symbolen; damit soll nicht etwa der Eindruck entstehen, dass die Grafen Mamming und die anderen Meraner damals nicht christlich gewesen wären. Aber es werden neue Gesellschaftsformen und Denkmöglichkeiten überlegt. Vor allem die Frauen waren gebildet und belesen. Im Zuge der (noch keineswegs abgeschlossenen) Restaurierung wurden wertvolle und äußerst zart gehaltene Chinoiserien aufgedeckt. Das sind Malereien, die sich an Vorbildern orientieren, auf der die vermeintlich heile Welt der Chinesen dargestellt wird: Ein friedliches Riesenreich, dessen Bevölkerung durch alle Schichten literarisch und philosophisch gebildet war. Diese China Begeisterung gelangte unter anderem auch durch jesuitische Missionare nach Europa. Es war eine Utopie, ähnlich dem Götterhimmel der Renaissance, in den sich die Künstler verliebten. Spielerisch einerseits, aber gültig durch die Qualität der Darstellung.
Während sich in Meran die wohlhabende und gebildete Gesellschaft mit allerhand Utopien und Lustbarkeiten beschäftigte, empfingen die Mönche des Klosters die göttliche Weisheit im Gebet. „Die Milch der Ermunterung und die Milch der Tröstung“ - so die Erklärung einer Deckenmalerei im Kloster Marienberg. Dargestellt wird eine auf den Heiligen Bernhard von Clervaux bezogene Legende: Ein Milchstrahl aus der Brust der Mutter Gottes trifft den zum Gebet geöffneten Mund des Heiligen. Ermunterung und Tröstung, „gustus religiosus S. Bernardis“. Häufig waren früher die Bildnisse der milchspendenden Maria, der Maria lactans, der stillenden Gottesmutter. Dann aber verschwand dieses Bild durch die Zensur der Moralisten.
Viel nackte Brüste, viel Früchte, in Stuck ausgeführte Ornamente, also weiße Lüste überall. Vier Herrschaftsveduten zeigen im Palais Mamming Besitztümer und zugleich Prädikate der Familie. Die Mammings werden 1605 in die Tiroler Adelsmatrikel aufgenommen; die Erhebung in den Grafenstand durch Kaiser Leopold I. erfolgte im Jahre 1695.
„Steinachheim“ und die Beherbergung des Steiner Museums sind weitere Stationen in der wechselvollen Besitzgeschichte; hier befand sich einmal auch das alte Meraner Gymnasium.
Bis dann 1724 die Benediktiner das weitum bekannte Gymnasium des Klosters Marienberg am Rennweg gründeten.
Darin wurde für Generationen Wissen und Glaube vermittelt. Wie Muttermilch.
Hans Wielander
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