Bergerhöfe sind oft kleine Tierparadiese. Hast du eine Katze, frage ich die Inge und sie antwortet ganz begeistert: Eine? ... Viele Katzen! Aus der ganzen Nachbarschaft kommen sie zu uns und werden gefüttert, auch wenn niemand auf dem Hof ist. In einer Schüssel im Garten wird Trockenfutter und anderes bereitgestellt. Und so können sich die Katzen bedienen. Manchmal kommt auch ein Igel, der gemeinsam mit der Katze aus dem Napf frisst, ganz friedlich!
Damit sind wir beim neuen Papst Franziskus und beim Heiligen Franz von Assisi, dem großen Tierliebhaber. Die überraschende Namenwahl kann als Programm gesehen werden. Für unser Verhältnis zu den Tieren und Lebewesen der Schöpfung ganz allgemein ... wird damit ein neues Kapitel der Kirche aufgeschlagen?
Die „Franziskaner“ und die mit ihnen geistig verwandten Kapuziner werden darauf pochen, dass sie die Achtung vor dem Bruder Mond, der Schwester Sonne, vor dem Bruder Wind und der Schwester Wasser schon immer gepflegt hätten, zumal das im berühmten Sonnengesang des Heiligen Franz ausdrücklich betont wird. Nachzulesen in der Kapuzienerkirche von Schlanders auf einer Schautafel. Zu beachten die linguistische Besonderheit: Die nach deutscher Grammatik „weibliche“ Sonne ist im Italienischen männlich und heißt „frate sole“ und der Mond wird zur „sora luna“, also zur Schwester Sonne; das sächliche Wasser wird „sor aqua“, dargestellt in einem welligen Marmorbrunnen von Walter Kuenz. Und dass der heilige Franz verschiedenste Tiere zu Freunden hatte, das ist ergreifend.
Einige Historiker sehen das freilich etwas anders und sagen vom hl. Franz, er wäre ein menschenscheuer Misanthrop gewesen. Nun, der neue Papst ist dies sicherlich nicht, sein Programm kann sich nahtlos mit dem Heiligen aus Assisi verbinden. Die Sorge um die Armen, die Wehrlosen, die Schwachen, das sind tatsächlich neue Akzente, besonders glaubwürdig von einem Papst, der Jesuit ist.
Hier gibt es natürlich gleich Widerspruch, zumal die Jesuiten vielfach gefürchtet, ja fast gehasst wurden. Und das nicht nur von Außenstehenden! Innige Gegner haben die Jesuiten auch innerhalb der Ordens- und weltlichen Geistlichkeit. Diese früher recht heftige Gegnerschaft hängt unter anderem mit der „rücksichtslosen“ Intelligenz dieser soldatischen Ordensleute zusammen, mit ihrem großen Einfluss auf Politik, Wissenschaft und Kunst, mit ihrer Missachtung eines schlichten Lebens und Glaubens, auch der Keuschheit ... die Vorwürfe nehmen kein Ende.
Sie sind die Vorkämpfer gegen die Mächte des Bösen, also gegen Satan. „Wer mit dem Teufel kämpft, muss die Seiten schnell wechseln können“, so wird die unheimliche Wendigkeit der Jesuiten in einem Artikel der „Frankfurter Allgemeinen“ angedeutet. Nicht ohne Verwunderung für das Programm dieses Papstes.
Aber warum ist unser päpstlicher Jesuit besonders glaubhaft in Bezug auf die Armen und Verfolgten? Das hängt - unter anderem - mit einem politischen Experiment zusammen, das bereits im 17. und 18. Jahrhunder immer wieder für Ärger sorgte. Weil die weltgewandten Patres in Paraguay große Musterhöfe errichtet hatten, die so genannten Reduktionen. In diesen christlichen Kommunen wurden die meist rechtlosen Indios erstmals menschlich behandelt und sogar unterrichtet und ausgebildet. Das hat all jene geärgert, die nur den schnellen Profit anstrebten. Diese „reductiones“, Zufluchtstätten für die Schwächsten, waren sogar wirtschaftlich erfolgreich. Damit wurde auch bewiesen, dass auf Sklaverei durchaus verzichtet werden konnte. Einheimische, völlig rechtlose und ungebildeten Ureinwohner und die verschiedenen Mischlinge wurden hier beschäftigt und vor den Übergriffen der weißen Kolonisten geschützt. Das hat die herrschenden Klassen empört und so wurde sogar von verschiedenen Staaten Druck auf den schwachen Vatikanstaat und den Papst ausgeübt, sodass der Jesuitenorden vorübergehend sogar aufgelöst werden musste. Gegründet wurde der Orden 1534 von Ignatius von Loyola; im Jahre 1773 musste er auf Druck der Kolonialmächte aufgelöst werden und wurde erst 1814 wieder zugelassen.
Aber auch das Verhältnis der Kirche zu den Tieren war nicht immer harmonisch, zumal die meisten „Viecher“ ursprünglich aus der christlichen Botschaft verbannt wurden; weil die Heiden „heilige“ Tiere und allerhand kuriose Mischwesen verehrten. Schon im Alten Testament wird vom Kampf gegen die Verehrung des goldenen Kalbes berichtet. Gegen abstruse Kulte musste sich auch das frühe Christentum durchsetzen. Eine Ausnahme bildete der Fisch als Geheimzeichen für Anhänger des neuen Glaubens; die Taube ist Zeichen des heiligen Geistes. Auch sie wurde nicht als Gottheit verehrt, sondern schwebt über dem Prediger als göttliche Eingebung. Nur bei den Heiden gab es so etwas wie die Vermählung einer irdischen Frau mit einem Gott in Tiergestalt. Bei den Assyrern, Ägyptern und überall in den antiken Religionen wird im Tier das Göttliche verehrt.
Mit dem Christentum und der Verdrängung der „heiligen“ Tiere und mit dem neuen Seelenbegriff setzte eine Entwicklung ein, die den Glauben und das Denken bis in die Gegenwart geprägt hat. Die Seele ist unsterblich; das wussten bereits die Menschen der Antike. Neu aber ist, dass den Tieren so etwas wie Seele absolut abgesprochen wird. Ohne Gefühle? Tiere sind reine Mechanismen. Sie werden als solche behandelt und misshandelt. Ohne Gewissensbisse! Dem steht heute ein fast neuheidnischer Tierkult gegenüber. Seelen entdecken wir überall, sogar in Pflanzen und Steinen. Also nicht nur im Igel oder in der Katze.
Es gibt Untersuchungen und immer öfter Sendungen über die Intelligenz der Tiere. Von Seele redet man in einer ganz neuen Weise, ebenso vom Jenseits ... vom Weiterleben im Internet? Überhaupt ist die Sprache der Prediger viel nüchterner geworden, mit weniger Bildern und auch mit weniger Tiervergleichen. Das Kanzeldaches in der barocken Pfarrkirche von Schlanders scheint dem zu widersprechen; hier werden Tiere zu Helfern der Verkündigung, als Teile der Schöpfung geachtet. Sie dürfen mitmischen am Erlösungswerk.
Aber was bedeutet der Stier des Evangelisten Lukas? In Verbindung mit dem Löwen bezeugt er die Auferstehung Christi, der Schwan ist ein Sinnbild Christi und seiner Todesnot; der Adler ist Symbol der Himmelfahrt Christi und der Engel steht für dem Evangelisten Mattheus, dem Verfasser eines der vier Evangelien.
Aber es gibt noch weitere Tiere, die im Laufe der Jahrhunderte wieder eingezogen sind in den Kosmos der christlichen Weltanschauung, freilich eifersüchtig bewacht von theologischen Puristen. Die Volksfrömmigkeit neigt zu überbordender Fantasie, gegen die sich vor allem die Protestanten gewandt haben. Luther hat fast alles abgeschafft, vor allem den Heiligenkult.
Im Brixner Dom thront in der Mitte des riesigen Gemäldes ein Lamm mit der Fahne des Auferstandenen. Es ist das Wappen der Bischofstadt. Ein Besucher aus einer anderen Welt und anderer Denkweise würde beim Anblick dieser Darstellung den Schluss ziehen: Hier gilt als oberste Gottheit ein Lamm mit Siegesfahne, um das herum sich alles dreht, Himmel und Erde. Und jetzt haben wir einen Jesuiten aus Argentinien als Papst! Das missionarische Experiment im nachbarlichen Paraguay ist ihm natürlich bekannt, vielleicht sogar Anregung.
Aber was hat das alles mit Katzen und dem Igel zu tun? Also die Katzen: Diese hochmütigen und nicht immer moralischen Haustiere, das sind die Jesuiten. Der Igel hingegen, dieser erdverbundene, eher scheue, sich in nächtliche Einsamkeit zurückziehende, sich stachelig wehrende Hausgenosse - das ist der Heilige Franz. Nun verbindet der neue Papst mit der Wahl des Namens Franziskus zwei Möglichkeiten christlichen und allgemein menschlichen Verhaltens: Tatkraft, Nächstenliebe, Frömmigkeit, Klugheit, Achtung vor der Schöpfung, auch vor den Tieren, Bescheidenheit und Armut ... ein neues Paradies.
Über das Sexualleben der Katzen wissen wir allerhand, wie es damit bei den Igeln steht, das muss erst noch erforscht werden.
Hans Wielander