Schnals/Karthaus - Erfreuliches aus dem Schnalstal – Vor Tagen – am Fest Maria Verkündigung – geschah in Karthaus ein kleines Wunder. Eine Romanische Madonna kehrte 240 Jahre nach der Aufhebung des Klosters „Allerengelberg“ wieder in den Bereich der ehemaligen Kartause zurück.
Bereits seit 35 Jahren finden in der altehrwürdigen Kartause Kunstausstellungen statt. 1996 – also vor 26 Jahren hat der bekannte Nordtiroler Maler Herbert Danler diese Ausstellung bestritten. Im Zuge der Besprechungen zur Vorbereitung der Ausstellung bemerkte der Künstler, dass er im Besitze einer romanischen Madonna wäre, welche aus dem Schnalstal stamme.
Der Chronist Dr. Siegfried Gurschler, welcher seit Anbeginn dem Ausstellungskomitee in der Kartause bzw. dem Kulturverein Schnals angehört, erinnert sich, dass man damals wohl den Wunsch geäußert habe, dass es schön wäre, wenn diese Statue wieder in Schnalstal zurückkehren könnte. Der Künstler aber wollte sie damals verständlicher Weise nicht gleich abgeben. In den letzten Jahren hat sich der Chronist wieder auf das Gespräch besonnen, und es ist ihm gelungen, mit den Nachfahren des Künstlers, der in der Zwischenzeit verstorben war, Kontakt aufzunehmen. Vor allem mit dessen Sohn, dem Berufskollegen Architekt DI Andreas Danler, Bürgermeister der Gemeinde Patsch bei Innsbruck, konnte er eine freundschaftliche Beziehung aufzubauen und zugleich erreichen, dass auch dessen Geschwister der Rückkehr der Statue nach Schnals zustimmten. Der Chronist erkundigte sich bei Experten über den Wert und das Alter der Statue. Es stellte sich heraus, dass das Kunstwerk wohl bald nach der Gründung der Kartause – 1326 – etwa in der Zeit zwischen 1330 und 1340 entstanden sein muss; somit hätte die Statue ein Alter von nahezu 700 Jahren. Gurschler nahm anschließend mit der Leiterin des Landesdenkmalamtes Kontakt auf. In einem angeregten Gespräch bestärkte diese den Chronisten, die Angelegenheit weiter zu betreiben. Gewappnet mit den positiven Erkenntnissen und guten Ergebnissen aus diesen Gesprächen, konnte er dann vor Weihnachten letzten Jahres den Bürgermeister der Gemeinde in Kenntnis setzen und diesen dazu bewegen, die nötigen Mittel bereitzustellen, um das kostbare Objekt für Schnals erwerben zu können. Der Bürgermeister selbst zeigte sich sehr erfreut und sicherte die Unterstützung der Gemeindeverwaltung zu.
Herr DI Andreas Danler erklärte sich in der Folge selbst bereit, das wertvolle Stück nach Schnals zu bringen. Wie eingangs erwähnt, fand am vergangenen Freitag im Ratssaal der Gemeinde die Übergabe statt. Nach der Begrüßung und der gegenseitigen Vorstellung, schilderte der Chronist die abenteuerliche Geschichte des Kunstwerkes seit der Aufhebung der Kartause im Jahre 1782 bis in die Zeit, als sie vor gut 50 Jahren in den Besitz des Künstlers Herbert Danler gelangte.
Wie bekannt, ist die ehemalige Kartause Allerengelberg im Jahre 1326 durch König Heinrich II. von Böhmen gegründet und im Jahre 1782 durch den Kaiser Joseph II. aufgehoben worden. Unmittelbar nach der Aufhebung war ein begüterter Monsignore und Graf namens Castruccio Castracane aus Fano – in der Nähe von San Marino – am Kaufe des Klosters interessiert und leistete bereits eine Anzahlung von 8000 Gulden. Nach der Besichtigung aber war er enttäuscht und trat vom Kauf zurück, wobei er auf die geleistete Anzahlung verzichtete. Da sprang Graf Hans Hendl von Kastelbell in die Bresche. Diesem fehlte allerdings das nötige Kleingeld; doch ein gut situierter Bauer aus Unser Frau leistete ihm Bürgschaft und so konnte Hendl den Klosterbesitz erwerben. Er zerstückelte diesen und verkaufte die einzelnen Zellen an Interessierte aus dem Tal und der Umgebung. So ist aus der Klostersiedlung das Dorf Karthaus entstanden. Übrigens dieser Hans Graf Hendl konnte sich nicht lange über diesen Erwerb erfreuen, denn er fiel in der Schlacht von Calliano im Süden von Trient im Jahre 1809.
Auch das Inventar und die religiösen Einrichtungen wurden damals veräußert. Zur Zeit der Aufhebung gab es in der Konventkirche mindestens drei Altäre. Diese befinden sich heute in verschiedenen Orten der Umgebung und zwar in Vernagt (Leiterkirchl, Renaissance-Altar), in Vent (Ötztal, Barock) und Vernuer oberhalb Riffian (Barock).
Zu den ältesten religiösen Gegenständen aus der Kartause zählte wohl die gegenständliche Madonna, welche, wie oben erwähnt, laut Expertenmeinung zwischen 1330 und 1340 entstanden sein dürfte. Wohl über die Verbindung zum Grafen Hendl kam die Statue auf den Hof des oben erwähnten Bauern und verblieb dort bis zum Ende der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. In dieser Zeit war sie noch an der Fassade des Bauernhauses in der Ortschaft Unser Frau zu sehen. Einem geschäftstüchtigen Antiquitätenhändler ist es gelungen die wertvolle Statue dem damaligen Besitzer abzuluchsen. Dem Bauer aber war der Wert wohl bewusst, denn er ließ von einem geschickten einheimischen Bildschnitzer aus Karthaus, namens Johann Brugger, vulgo Joch‘n Hans, eine Kopie anfertigen, welche fortan bis vor ein paar Jahren an der Stelle des Originals die Hausfassade zierte. Gut zehn Jahre danach erwarb dann der Künstler Herbert Danler, angeblich bei einer Versteigerung in Österreich, das Werk und dieses blieb bis zur jetzigen Übergabe im Besitz seiner Familie.
Die Statue stellt die Muttergottes, Maria mit dem Kinde, in sitzender Stellung dar. Sie ist vermutlich aus Zirbenholz (Arve) geschnitzt, 52 cm hoch und farbig gefasst. Das Gewand der Gottesmutter ist dunkelrot und blau, das Kleid des Kindes nur dunkelrot. Maria trägt eine goldfarbene Krone auf dem Haupte. Das Jesuskind hält ein Buch in den Händen, Sinnbild des Neuen Testamentes, während die Gottesmutter ursprünglich wohl einen Apfel (vgl. Reichsapfel der mittelalterlichen Herrscher) in der Rechten hielt, der nun allerdings fehlt. Der Zustand der Statue ist dem Alter entsprechend gut.
Soweit die Schilderung bzw. Erklärung des Chronisten.
Anschließend dankte Bürgermeister Karl Josef Rainer vor allem seinem Amtskollegen DI Danler und seinen Geschwistern für die großzügige Überlassung des kostbaren Gutes. Einen besonderen Dank richtete er an den Chronisten Siegfried Gurschler, der durch seine Recherchen, seine Beharrlichkeit und geschickte Verhandlung dieses kleine Wunder ermöglicht hat.
Der Chronist meinte dazu, dies wäre für ihn ein Fest, wie Weihnachten und Ostern zugleich.
Bei diesem Empfang und der Übergabe waren weiters anwesend: Herr Pfarrer Franz Messner, der Obmann des Kulturvereines Schnals Benjamin Santer, weitere Mitglieder des Kulturvereins, die Tochter und die Enkelin des vorhin erwähnten Bildschnitzers, sowie die Frauen der Architekten Danler und Gurschler. Anschließend an die Übergabe begab man sich dann ins „Klosterstübele“ zu einem kleinen Umtrunk. Die Übergabe dieses Kulturobjektes war für alle Anwesenden ein beeindruckendes Erlebnis.
Für die Statue muss noch der endgültige Standort gefunden werden. Die Madonna soll auf jedem Fall an einem würdigen Ort aufgestellt werden, der für die Öffentlichkeit zugänglich ist.
Mit dem Landesdenkmalamt und mit Fachleuten ist noch abzuklären, ob eine Restaurierung ratsam ist. Möglicherweise soll eine dendrochronologische Untersuchung ins Auge gefasst werden, um das Alter genau bestimmen zu können.
Sobald die Standortfrage geklärt ist, soll die Romanische Madonna in einer geziemenden Feier der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Text: Dr. Siegfried Gurschler
Fotos: Daniela Brugger