Schlanders erzählt... Märchenherbst

Maerchenherbst24

 
 

„Mit Sinn, Fülle und Freude“

geschrieben von
das Altarbild der Pfarrkirche Heilige Familie Richterswil, wo Don Mario Pinggera Seelsorger ist. das Altarbild der Pfarrkirche Heilige Familie Richterswil, wo Don Mario Pinggera Seelsorger ist.

Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ So beginnt das Johannesevangelium, so beginnt das Tagesevangelium an Weihnachten. In der Tat ist es die Schilderung dessen, wie die Geschichte Gottes mit uns Menschen anfängt. Sie kommt nicht aus dem Nichts: Es gibt einen Plan! Die Geschichte Gottes mit uns Menschen ist nicht einer Beliebigkeit überlassen – im Gegenteil – alles ist exakt geplant. Was ist das für ein Plan, der Plan Gottes mit uns Menschen? Wer plant, hat in der Regel klare Vorstellungen, wer plant, hat eine Idee, die er auch umsetzen möchte. Wer plant, hat auch ein Ziel. Welche Vorstellung hat Gott, welche Idee verfolgt er und welches Ziel verfolgt er? Ein Plan muss ausgedrückt werden, in Wort und Tat. „Am Anfang war das Wort.“ Gott spricht dieses Wort in die Ewigkeit: Nichts, was geworden ist, ist ohne dieses Wort geworden. Und in diesem Wort ist nur Eines: Leben, nichts als Leben. Dieses Wort Gottes ist Leben. Nicht umsonst schliesst jede Lesung mit „Wort des lebendigen Gottes“. Plan, Idee und Ziel Gottes ist Leben, nur Leben. Und dieses Leben muss uns Menschen erst einmal gezeigt werden. Wie geht Leben, wie funktioniert Leben? Und zwar nicht irgendein Leben, sondern ein Leben, welches den Namen auch verdient: Mit Sinn, Fülle und Freude. Jesus sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Es ist Jesus, durch welchen das Wort Gottes absolut sichtbar und damit konkret wird. Keine Theorie des Wortes, sondern menschgewordenes Leben Gottes. Genau darauf bereiten wir uns an Weihnachten vor, genau das meint das Wort Gottes am Anfang und genau auf diese Geburt kommt es an. Gottes Wort gewinnt Gestalt, und das auf sehr unkonventionelle Art und Weise. Kein Ereignis in wohliger Geborgenheit, wie wir es uns vorstellen, wie wir es gerne hätten. Nein, die Heilige Familie befindet sich auf der Flucht, die Geburt Jesu geschieht unter armseligsten Bedingungen. Kein Platz in der Geborgenheit einer Herberge ist zu finden, ein einfacher Stall muss genügen. Zu allem Überfluss ist Josef nicht einmal der Vater! Was sind das bloss für Zustände! Ja, so denken wir Menschen über andere, wenn sie so leben, wie es nicht unseren Vorstellungen entspricht. Wenn man bedenkt, dass vor nicht allzu langer Zeit sowohl auf sogenannte uneheliche Kinder als auch deren Mütter mit dem Finger gezeigt wurde! Wenn man bedenkt, dass sogenannte uneheliche Kinder bis vor wenigen Jahrzehnten vom Priesteramt ausgeschlossen wurden! Ja, wir Menschen sind gnadenlos im Urteilen und Verurteilen. Ausschliesslich Menschen sprachen und sprechen Todesurteile aus, bis zum heutigen Tag, und nicht Gott!
Aber das Wort Gottes klingt anders als unser oft erbarmungsloses Menschenwort. Das Wort Gottes ist das Wort des Lebens und der Liebe. Nur der Mensch spricht allzu oft das Wort des Streites, Krieges, Hasses und des Todes. Menschenwort und Gotteswort stehen nicht selten im krassen Gegensatz zueinander. Ganz dezent, fast diskret klingt deshalb das Wort Gottes an Weihnachten an unser Ohr. Ganz diskret führt sich Gott an Weihnachten uns vor Augen. Selbst Maria „bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“. (Lk 2,19) Gott lässt seinen Sohn in eine stark verdunkelte Welt hineintreten. In eine durch Menschen immer wieder neu verdunkelte Welt. Die verängstigten Hirten sind deshalb zunächst auch erschrocken über den Engel des Herrn und den neuen Glanz, der sie umstrahlt: „Fürchtet euch nicht!“. Hineingesprochen an Weihnachten, damals und heute. Hineingesprochen in eine Welt, die immer wieder aus den Fugen gerät, weil die Menschen sich gegenseitig Angst machen, weil Menschen sich gegenseitig missbrauchen, wehtun, ja sogar umbringen. Genau in diese unsere Welt bekommen wir den Zuspruch, dass wir uns nicht fürchten müssen. Mehr noch: Der Friede Gottes wird uns im Gloria verheissen: „Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden den Menschen guten Willens.“ Ja genau, den guten Willen des Menschen brauchts halt auch! Gott kann uns noch so viel Frieden zusprechen: Haben wir Menschen nicht den Willen dazu, wird es nichts mit einem einigermassen erträglichen Leben. Und auch hier nimmt uns Gott ernst, weil er uns liebt: Er zwingt uns seinen Willen nicht auf. Wir selbst sind frei zu entscheiden. Wer wirklich liebt, muss auch Freiheit wollen. Das gilt für jede Beziehung. Liebe und Unfreiheit oder Zwang schliessen sich aus.
Auch dieses Jahr an Weihnachten meldet sich Gott wieder zu Wort. Gott, der nichts anderes ist, als grenzenlose Liebe. Sein Ein und Alles sendet er in diese Welt, und dies nur aus einem einzigen Grund: Damit wir Menschen das Leben haben, damit wir es in Fülle haben und mit Sinn füllen. Dafür ist jede und jeder selbst verantwortlich. Die Heilige Familie ist dafür auserwählt: Die sehr jung schwanger gewordene Maria, Josef, der trotzdem zu ihr steht und Jesus, das hilflose Kind in der Krippe. Die äusseren Umstände, mit welchen die Heilige Familie zunächst umgehen muss, sind alles andere als heile Welt. Aber es kann etwas wahrhaft Heiliges daraus erwachsen, wenn Menschen Gottes Wort ernstnehmen und dort heilen, wo die Wunden sind. Die dort trösten, wo Trauer ist und die dort lieben, wo Hass und Streit Leben vergiftet. Wer Weihnachten wirklich leben und erleben will, der muss sich auf den Weg machen, gleich der Heiligen Familie. Der muss den alten und ausgetretenen Pfad der Lebensferne verlassen: Geh hin zur Krippe und staune! Bleib aber nicht zu lange dort, sondern nimm das Licht aus der Krippe mit und trage es in Deine Welt!

von Don Mario Pinggera

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