Dienstag, 04 September 2012 00:00

Nationalpark Stilfserjoch: Lichtkeimer und Pionierbesiedler - Die Europäische Lärche

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Wolfgang Platter am Tag des Hlg. Ägidius, 1. September 2012

P1100817„Um Barthlmä schaugt der Schnea übern Joch he!“ sagt die Wetterregel der Bauern. Bartholomäus fällt auf den 24. August. In den Bergregionen steigt der Herbst vom Berg herab, während umgekehrt der Frühling vom Talboden zur Baumgrenze aufsteigt. Eine markante  Baumart der heimischen Wälder, welche diesen Wechsel der Jahreszeiten auffällig und auch für den Betrachter aus der Ferne anzeigt, ist die Lärche. Diesem sommergrünen oder winternackten Baum ist mein heutiger Beitrag gewidmet.

 

Pionierbesiedler
P1090603Als natürlicher Bodenfestiger mit Pfahlwurzel und fein verzweigtem Wurzelsystem gehört die Lärche zu den wichtigsten Baumarten der Schutzwälder an den steilen Flanken unserer Gebirgstäler. Sie festigt den Boden gegen Lawinenabgänge, Murbrüche und Steinschlag. Die Lärche ist ein Lichtkeimer und ein Pionierbesiedler auf Rohböden. Wie die Zitterpappel, die Birke und die Föhre gehört die Lärche zu den ersten Baumarten, welche baumlose Räume im Waldklima besiedeln. Aus natürlichem Samenanflug keimen Tausende von Lärchensamen auf offenen Rohböden oder nach Bodenverletzung im Wald. Auch die geringste Humusschicht in einer Felsspalte und im Geröll reicht der Lärche als Keimbett aus. Auf solchen kargen Flächen finden die Keimlinge noch nicht die Lebensraumbedingungen des Waldes vor, derer andere Waldpflanzen für ihr Gedeihen bedürfen. Die Sonneneinstrahlung ist sehr stark und heizt die Bodenoberfläche auf bis zu 70°  C auf. Wind und Regen, aber auch Frost schlagen ungebremster als im Kleinklima am Boden im Waldinneren zu. Die Lärche erträgt als Pionierart solche unwirtlichen Standortbedingungen und ist daher anderen Baumarten als Mitkonkurrenten um den Wuchsplatz überlegen. Erst mit der Zeit entstehen nach dem Lärchenwald als Pionierstadium die  verbesserten Bedingungen für andere, anspruchsvollere Baumarten. So gedeihen im lichten Schatten des Lärchenwaldes in den Alpen dann die Fichte im unteren und die Zirbe im oberen Waldbereich. Diese beiden immergrünen Nadelholzarten keimen unter den Lärchen und durchbrechen mit der Zeit das Kronendach ihrer Schattenspender. Der Anteil der lichtbedürftigen Lärchen am Waldaufbau nimmt im Schatten der Fichten und Zirben dann zunehmend ab. Für diese natürliche Artenabfolge verwendet die Botanik den Fachausdruck Sukzession.

DSC_8367Lärchenwiesen
Ein ästhetisch besonders schönes Landschaftselement auch der Südtiroler Kulturlandschaft sind die Lärchenwiesen: Die fein benadelten Äste der Lärche spenden den Weidetieren auf der Sommerweide sanften Schatten, ohne das Wachstum des Grases unter dem Baum zu stark zu beeinträchtigen. Der Viehbauer hat die Lärche auch deshalb seit jeher geschätzt. Und die Lärche hat durch diese ihre Rolle im Waldweidesystem über Jahrhunderte das Landschaftsbild mitgeprägt und bereichert.

Der Graue Lärchenwickler
In periodischen Abständen verfärben sich die Nadeln der Lärche in manchen Waldstrichen schon mitten im Sommer in herbstliches Braun. Diese verfrühte Nadelwelke ist das Werk des Grauen Lärchenwicklers. Der Falter vermehrt sich alle 8 – 10 Jahre massenhaft. In den Jahren der Massenvermehrung dieses Forstschädlings fressen die Raupen des Falters die Lärchennadeln von innen P1040172aus, was zu deren Verfärbung und vorzeitigem Absterben führt. Durch den Verlust des Nadeljahrganges verringert  sich die Photosynthese-Rate des Baumes und das Dicken- und Längenwachstum des Baumes kommt im Befallsjahr zum Erliegen. Das verlangsamte Wachstum des Baumes ist nach seiner Schlägerung an den schmaleren Jahresringen am Stammquerschnitt ablesbar. Sonst aber hat der periodische Schädlingsbefall durch den Lärchenwickler langfristig keine Folgen für die Gesundheit der Lärchenwälder. Zwischen Schmetterling und Baum hat sich nämlich ein Gleichgewicht eingestellt: Wenn die gefräßigen Raupen alles aufgefressen haben, werden die Lärchennadeln im nächsten Jahr kürzer und härter. So sterben die jungen Larven den Hungertod. In der Folge bricht die Falterpopulation zusammen. Und erst nach mehreren Jahren erholt sie sich wieder. Derweil haben sich die Lärchen vom letzten Massenauftreten des Falters auch wieder erholt. Der Kreislauf kann von neuem beginnen.

Steckbrief Lärche

Europäische Lärche – Larix decidua Miller – Larice

Nadeln auf den Kurztrieben in Büscheln wachsend, auf den Langtrieben einzeln stehend. Lichtbaumart und Pionierbesiedler im kontinentalen Klima. Schnelles Jugendwachstum, das aber relativ früh abnimmt. Die Lärche erreicht eine Höhe von 40 – 45 Metern (Rekord 54 m) und ein Alter von 500 – 800 Jahren, selten mehr als 1.000 Jahre (z.B. Urlärchen in St. Gertraud im Ultental). Blüten getrennt nach Geschlechtern am selben Baum. Samen in den verholzenden Zapfen erst im kommenden Jahr reif. Das rötliche Holz ist hart, harzreich, besonders wetter- und wasserbeständig, deswegen begehrt und besonders im Außenbereich viel verwendet.
Auf der nördlichen Erdhalbkugel gibt es 12 Arten von Lärchen mit Vorkommen in Nordamerika, Europa, Asien, auf der Halbinsel Kamtschatka und in Japan. Von der Europäischen Lärche (Larix decidua Miller) werden nach Aussehen, Wuchsform,  botanischen und ökologischen Kriterien 4 Unterarten unterschieden und zwar die Unterarten der Alpen, der Sudeten, der Tatra und der polnischen Ebene.
Der wissenschaftliche Name für die Lärche ist Larix. In ihrer Publikation „Baumgeschichten“, in der deutschen Übersetzung im Jahre 2008 erschienen im ott-Sachbuchverlag vermuten die beiden  Autoren Philippe Domont und Edith Montelle dasss, das lateinische Wort seinerseits wahrscheinlich aus der rätoromanischen Sprache stammt, wo „lar“ so viel bedeutet wie fettiges Holz, was sich auf den hohen Harzgehalt des Baumes beziehen könnte.

Bildernachweis: Wolfgang Platter

Nationalpark Stilfserjoch

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


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