Gerne „hoangortat“ sie und erzählt: „Mein Votr hon i nia kennt“. Als sie vier Monate alt war, zog dieser in den 1.Weltkrieg und kehrte nicht zurück. Sie blieb als Halbwaise mit ihrer Mutter auf dem Hof in Altspondinig zurück, wo auch ihre Tante lebte. Die Frauen rackerten sich ab, um mit der Landwirtschaft über die Runden zu kommen. Von kleinauf half Kathl mit. Sie hütete Jungvieh auf den Schludernser Leiten, Kühe in den Auen oder im Herbst auf den Wiesen entlang der Bahnstrecke. Diese war damals nicht mit Zäunen und Schranken gesichert und sie hatte immer Angst davor, die Tiere könnten den Geleisen zu nahe kommen. Als kräfteraubend beschreibt sie die Botengänge mit dem „Ziachwagele“ zum Müller oder zum Bäcker nach Prad und die Fußmärsche zur Schule nach Schluderns. „Oa Stund aui unt one oi“, betont sie. Als die Unterrichtssprache plötzlich von Deutsch ins Italienische wechselte, verstand sie die Welt nicht mehr. Es zog faschistischer Wind ins Land, der keine Rücksicht kannte. Das musste ihre Familie bald erfahren. Für den Bau eines Panzer-Übungsplatzes nahm man ihr einen Hektar Ackerfläche weg. „Miar hoobm weaniger Brout kopp unt af dr Entschädigung wortn miar haint nou“, klagt sie an.
Die geplante Zwangs-Italienisierung und die entsprechende Propaganda veranlassten sie, für Deutschland zu optieren. Doch die Sorge vor dem Auswandern belastete sie sehr, genau wie der Zweite Weltkrieg, der ausgebrochen war und viele Burschen wegfraß. Halt und Trost fand sie in der Kirche und sie dankte Gott, nachdem die Auswanderung gestoppt worden war. Gerne hätte Kathl Köchin gelernt, doch das blieb ihr verwehrt. Sie wurde daheim beim Kampf um das tägliche Brot gebraucht. „Di Lebnsmittlmarkn sein nit olm bis Spondinig kemman“, erinnert sie sich. „Es hot olm lei Brenntsupp, Plentn unt Greascht geebm“. Wenn im Herbst neben der „Brenntsupp“ eine „Palabir“ lag, war das für Kathl ein Festessen.
Nach dem Krieg lief ihr der zwei Jahre ältere Alois Trafoier, genannt „Schmiedseppalois“ im wahrsten Sinne des Wortes über den Weg. Er war eben von der Front heimgekehrt und suchte eine Frau. „Mitn Mischtgrattl hot er miar di Stroß ogsperrt“, lacht sie. Er begleitete sie regelmäßig nach der Sonntagsmesse mit dem Rad nach Spondinig. Schließlich eroberte er sie und hielt um ihre Hand an. 1946 führte er sie zum Altar. Die Hochzeitsreise ging von Leifers zufuß nach Maria Weißenstein, wo Kathl außer Atem ankam und einen Schwächeanfall erlitt, von dem sie sich aber schnell erholte. Sie zog ins Elternhaus ihres Mannes und ihre Schwiegermutter lehrte sie das Kochen. 1947 zogen die jungen Eheleute in ihr eigenes Heim ein und bestritten den Lebensunterhalt mit ihrer kleinen Landwirtschaft. Ein Jahr später übernahm Lois die Mesnerei und konnte dafür das „Hostienackerle“ bewirtschaften. Die Mesnerei bedeutete für Kathl, dass sie in der Kirche mithelfen musste und oft alleine bei der Stallarbeit war, während ihr Mann bei den Geistlichen assistierte. Innerhalb von fünf Jahren hatte sie sechs Kinder am Rockzipfel hängen. Die Jüngsten waren Zwillinge.
Mit Gottvertrauen und Humor bewältigten Kathl und Lois die schwierigen wirtschaftlichen Zeiten der 1950er Jahre. Dann ging’s aufwärts, nicht zuletzt weil die Kinder zum Unterhalt beisteuerten. Eine Anekdote erzählt sie gerne: Einmal kaufte ihr Lois zum Geburtstag eine Schokolade, die sie in einem Geheimfach versteckte. Ein Jahr später hatte er vergessen, etwas zu besorgen, holte die Schokolade aus dem Fach und schenkte sie ihr ein zweites Mal. „Selm hon i ihm norr in Sanctus geebm“, erklärt sie. Zu den schönsten Ereignissen zählt die Profess der Tochter Katharina, die in den Orden der Barmherzigen Schwestern eingeteten ist. „An Pforrer hat i schun a olm gearn kopp“, bemerkt sie. Kathl freut sich am Leben und ist ihren beiden Töchtern Marialuise und Monika für die tägliche Betreuung und Pflege dankbar. Und sie wünscht sich, dass sie den Umzug bei den Ritterspielen noch einige Jahre erleben darf.
Magdalena Dietl Sapelza
Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau