In den vergangenen 10 Jahren hat man sich jährlich mit provisorischen Genehmigungen über die Runden gerettet: Der edle Stein konnte so in den Sommermonaten per LKW vom Wantl bis zum Marmorwerk der Göflaner Marmor GmbH an der Osteinfahrt von Schlanders gebracht werden. Jährlich haben sich parallel dazu die Rekurse gegen den Transport über die Bergstraße wiederholt: von Seiten des Trafratzers Johann Gurschler, von Seiten auch der Lasa Marmo. Jedesmal haben die Rekurssteller piú o meno Recht bekommen. Fast immer nachträglich - als die Abbausaison bereits vorbei und damit gerettet war. Einmal hat sich sogar die Landesregierung als Rekursstellerin hervorgetan - und den Rekurs gewonnen. Die Schlanderser haben den Marmorweg damals kurzerhand als Gemeindestraße klassifizieren wollen.
Dass die Kreativität in der Gemeindestube aufgrund des dauernden und hartnäckigen Widerstandes zunimmt, verwundert nicht. Es ist das bekennende Ziel in Schlanders und in Göflan, endlich eine dauerhafte Transportlösung für den Marmor zu schaffen. Und die Lösung aus der Sicht der Schlanderser und der Göflaner ist der Transport mit dem LKW über die Straße.
Im heurigen Langes ist man die Sache anders angegangen - und zwar mit einer Bauleitplanänderung. „Eintragung der Hauptzufahrtsstraßen am Schlanderser Nördersberg als Gemeindestraßen“ heißt es im Ausschussbeschluss Nr. 102 vom 1. März dieses Jahres (Vinschgerwind Nr.6/2016). Den Segen dafür müsste auch die Landesregierung geben. In der Landesregierung ist man wegen der Streitereien um den Marmorabtransport ziemlich ratlos, teilweise sogar stuff. Aber auch kreativ - ganz im Sinne der Schlanderser: Für heuer hat der auch für das Forstwesen zuständige Landesrat Arnold Schuler für die Marmorstraße das 10-er Gesetz aufgehoben und BM Dieter Pinggera hat mit BM-Erlass die Fahrten selbst regeln können. Und wie es sich gehört, hat Johann Gurschler gegen diese Verwaltungsakte Rekurs eingelegt. Noch im September soll die Verhandlung darüber vor dem Verwaltungsgericht stattfinden.
Allerdings dürfte nicht nur den Schlanderser Gemeindeverwaltern gedämmert haben, dass eine Bauleitplanänderung - den Forstweg in eine Gemeindestraße umzuwidmen - bei einem eventuellen und aufgrund der Vergangenheit wohl sicheren Rekurs - vor einem Verwaltungsgericht nicht standhalten dürfte. In der Landesraumordnungskommission, welche sich im Vorfeld der Landesregierung mit Bauleitplanänderungen zu beschäftigen hat, hat man nach längerer Diskussion die Sache vorerst vertagt.
Man ließ die Köpfe rauchen, nicht nur in Göflan, nicht nur in Schlanders, sondern vermutlich auch in Bozen und man hat dann also nachjustiert und nachgelegt.
Und zwar mit einem neuerlichen und recht frischen Ausschussbeschluss am 23. August 2016 - einem „Integrierungsbeschluss zum Beschluss des Ausschusses Nr. 102 vom 01.03.2016“. Mit einer erneuten Bauleitplanänderung sollen die „Cantina“ und das „Maschinenhaus“ - beide Gebäude befinden sich unterhalb des Göflaner Wantlbruches - in „Zonen für öffentliche Einrichtungen - Verwaltung und öffentliche Dienstleistung am Schlanderser Nördersberg“ umgewandelt werden.
Die Begründungen dafür im Wortlaut unter anderem: „Die Eigenverwaltung BNR Göflan hat im Jahre 2010 einen Entwurf für ein Nutzungs- bzw. Belegungskonzept für die Gebäude auf den B.p. 222 und 221 der K.G. Nördersberg erstellen lassen, mit folgenden Wesensinhalten:
Die Strukturen sollen dem Bereich Bildung und Forschung zugänglich gemacht werden. Es wurde der Kontakt mit Universitäten u.ä. Einrichtungen gesucht, um zu erheben, ob das Interesse besteht, dort Seminare, Tagungen, Symposien usw. abzuhalten. Die Resonanz war sehr positiv und daher sollen die Gebäude für eine solche Nutzung adaptiert werden. Dasselbe gilt für technische Schulen, um vor Ort Lehrgänge, Praktika usw. zu halten. Des weiteren sollen aber auch Bürger die Möglichkeit erhalten, zusammen mit Fachleuten (Steinmetzen, Künstler usw.) praktische Erfahrungen mit dem Material Marmor zu machen. Ein Teil der Einrichtungen soll für Ausstellungen verschiedenster Art und für Angebote im Jugendbereich Verwendung finden.“
Wenn das ganze Unterfangen nicht nur eine „finta“ dafür ist, endlich die Marmorstraße in eine Gemeindestraße umwandeln zu können, stellt sich unweigerlich die Frage, ob die Ideen mit der Marmorfachschule für Steinbearbeitung in Laas abgesprochen und akkordiert ist. „Ich weiß von all dem nichts“, sagt die Direktorin der Marmorfachschule Virginia Tanzer. Wenn dem so wäre, würde eine höchst unerwünschte Konkurrenz zur Marmorfachschule entstehen, sagt Tanzer. Schließlich bemühe sich die Marmorfachschule seit ihrem Bestehen für Ausstellungen, Symposien, Begegnungen mit dem Marmor in allen möglichen Formen. „Damit wir auch unserem gesellschaftlichen Auftrag gerecht werden“, sagt Tanzer.
Die für eine Gemeindestraße kämpfenden Schlanderser Gemeinde- und Göflaner Fraktionsverwalter dürften in ihrer politischen Kreativität mögliche Kollateralschäden ausgeblendet haben. Denn auch der Verein MarmorPlus in Laas, der sich um die touristische Nutzung des Marmors, der Brüche und der Marmorgeschichte bemüht, auch in Kooperation mit der Gemeinde Tarrenz in Nordtirol im Rahmen eines Interreg-Projektes, könnte bei solchen Alleingängen in Schlanders einen empfindlichen Dämpfer bekommen.
Dem widerspricht der Präsident der Fraktion Göflan Erhard Alber. Man sei einige Male mit den Verantwortlichen von MarmorPlus zusammengekommen, um eine mögliche Zusammenarbeit zu besprechen. Noch stecke eine solche in den Kinderschuhen. Allerdings, das gibt Alber zu, habe man sich im Vorfeld nicht mit der Marmorfachschule abgesprochen. Alber, der als Fraktionschef seit der ersten Stunde die Marmoragenda auf Göflaner Seite betreut hat, ist überzeugt davon, dass der Abtransport des Marmors nur über die Straße erfolgen kann. Abgelehnt haben die Göflaner den Antrag, dass Alt-LH Luis Durnwalder in der Causa Marmorstraße als Vermittler tätig werden sollte.
Verständlich wird Albers Einsatz für eine rechtlich wasserdichte Straßen-Lösung vor allem auch aus einer anderen Optik: Insgesamt rund eine halbe Million Euro spült der Marmor in die Fraktions- und in die Gemeindekassa - und zwar für die Pacht und für den Abtransport. 140 Euro Pacht und 60 Euro Transport pro Kubikmeter Marmor hat man im Pachtvertrag von 2003 festgeschrieben. Diese Summen werden jährlich inflationsangepasst.
Auf eine mögliche Konkurrenzsituation mit der Marmorfachschule angesprochen, dementiert der Schlanderser BM Dieter Pinggera. Das sei pure Polemik. Es sei nie und nimmer Intention weder der Gemeinde Schlanders noch der Fraktion Göflan etwas gegen die Marmorfachschule zu unternehmen. Man habe ein Füllhorn von Ideen für die „Cantina“ und für das „Maschinenhaus“ in petto - von Künstlertreffs über Symposien zu Ausstellungen bis hin zu einer Jugendherberge usw. - welche alle eine Umwidmung in öffentliche Einrichtungen rechtfertigen würden.
Zudem, Dieter Pinggera kommt zu des Pudels Kern, benötigen Gemeinde und Fraktion endlich Rechtssicherheit für den Abtransport des Marmors. Und Rechtssicherheit sei nur über eine Gemeindestraße zu erreichen. Auch damit man endlich das Angebot der Landesregierung annehmen könne, welche eine Art Umweltgeld für den Abtransport einheben möchte. Es handelt sich dabei um 120 Euro pro Transport. Pro Sommer kämen, so Pinggera insgesamt an die 50.000 Euro Umweltgeld zusammen.
Klar sei auch, sagt etwa Erhard Alber, dass die bestehenden Gebäude unterhalb des Bruches einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden sollen. Die „Cantina“ und das „Maschinenhaus“ sind im Besitz der Fraktion Göflan. Die Rechtsstreitigkeiten mit der Lasa Marmo um eine Ablösesumme sind zwar noch nicht ganz ausgefochten, aber, so sagt Alber, auf gutem Weg. Bisher habe man sich vor allem bei der „Cantina“ auf Instandhaltungsarbeiten beschränkt. Das „Maschinenhaus“ ist seit einigen Jahren das kreative Sommer-Reich des Marmor-Künstlers und Lehrers an der Marmorfachschule Bernhard Grassl.
Klar ist auch, dass der edle Stein immer auch in die Hände von Kreativen gehört.
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