Den Entschluss, diesen einstmals höchsten Alpenübergang (2758 m, 48 Kehren auf Südtiroler Seite, weitere 34 bis Bormio, Gesamtlänge 49 km) zu errichten,wurde vor etwa 200 Jahren gefasst. Zeitweilig waren über 2000 Arbeiter an der Fertigstellung der Straße beteiligt. Die Gesamtbauleitung wurde dem Brescianer Ing. Carlo Donegani übertragen. Im Spätherbst 1825 konnte dieser strategisch wichtige Pass bereits dem Verkehr übergeben werden. Wichtig für die Habsburger, um rasch von Tirol mit Militär in die Lombardei einfallen zu können. Es waren unruhige Zeiten, überall gab es politische Aufstände.
Ähnliche Passüberquerungen durch felsiges Gelände kennen wir als Wirtschaftswege, vom Mittelalter bis in die Neuzeit, als die wertvollen Erze zur Verhüttung oft über mehrere Jöcher geschleppt werden mussten. In den frischen Schnee wurde ein schlittenbreiter Pfad gestampft; so entstand ein auch im Winter benutzbarer Transportweg, auf dem mit Pferdeschlitten große Lasten befördert wurden.
Das kostbare Erz wurde in Bälgen aus Schweinsleder bis nach Scuol oder über den Pass Fuorn nach Lü und weiter nach Bormio geschleppt oder auch über das Avignatal nach Taufers. Holzreichtum für die Verhüttung wurde überall gesucht. Bestens dokumentiert ist diese Transportpraxis im benachbarten Unterengadin, in S-charl, wo es einstmals bedeutenden Bergbau gab und jetzt ein neues Bergbaumuseum entstanden ist.
Ein Museum für alte Wege, vor allem für Plattenwege in unserem Land ... eine Anregung für die Organisatoren der Tagung „Verkehrswege in den Alpen“. Als Beispiel dient ein schönes Foto von Paul Preims vom Ochsentodweg aus Algund. Solche „Kunstwerke“ der Verkehrstechnik gibt es noch überall, allerdings müssen sie immer öfter den modernen Bedürfnissen weichen.
Der Stilfser Joch Pass hat früher ähnlich ausgesehen; Teilstücke des alten Weges sowie frühe Siedlungsspuren haben sich erhalten. Heute aber wird der Pass von Rittern auf Motorrädern gestürmt; dazu kommen noch die ganz gewöhnlichen Tourenfahrer, Mountainbikes, Radfahrer ...
Und deshalb kehre ich im Gedanken zurück zu den alten Schlittenfuhren. Das Kummet des Führungspferdes war mit klingenden Glöckchen ausgestattet. Die Schneerinne war nur schmal, entgegenkommende Schlittenfuhren hörten schon von weitem das Klingeln des Gegenzuges und konnten rechtzeitig ausweichen...
Ausweichen muss man heute wegen der Erstürmung des Passes, der auch im Winter belagert wird, wobei ein Fahrzeug immer mehr an Bedeutung gewinnt, für Hüttenwirte, Schilehrer, Pistenbetreuer... wann wird man erstmals von einer Überquerung der Alpen im Winter hören, mit dem motorisierte Schlitten, mit dem snow mobil?
Hans Wielander