Sepp hütete Rinder auf der „Prader Sand“ und stieg mit anderen Buben splitternackt mangels Badehose zum Schwimmen in den Baggersee. „Das war unser einziger Spaß, mehr hatten wir damals nicht“, sagt er.
Als 17-Jähriger trat er in den Dienst eines Bauern in Majenfeld in der Schweiz. Dort wurde ein Gasthofbesitzer aus Olten auf ihn aufmerksam und bot ihm eine Kochlehre an. Überglücklich sagte Sepp sofort zu. „Von den Schweizern habe ich Sauberkeit, Disziplin und Sparsamkeit gelernt“, meint er. Es war eine beinharte Schule, die er jedoch nicht missen möchte. Den Großteil seines Lohnes schickte er heim.
Als gelernter Koch arbeitete er in Hotels in Davos und Locarno. Dann reizte ihn das Nobelhotel „Beau-Rivage-Palace“ in Lausanne. Mutig betrat er den Speisesaal und fragte den Chef der Essensausgabe nach einem Job. Und Sepp hatte Glück. Über zwei Jahre stand er in den Küchen des Hotels und erhielt Einblick in das Luxusleben der Reichen und Schönen. „Wir haben den russischen Kaviar mit Löffeln gegessen“, erzählt er.
Als für das „Hotel Präsident“ in Johannesburg Köche gesucht wurden, meldete er sich. Dort arbeitete er mit Menschen aller Hautfarbe zusammen. Er lernte das koschere Kochen für jüdische Gäste. Von der 55. Etage des Hotels genoss er den Sonnenuntergang und das einzigartige Schauspiel, das der glitzernde Goldstaub der nahen Miene bot. Hie und da spazierte er im Hotelpark. Einmal suchte er dort das Gespräch mit einer hübschen deutschen Frau, die auf einer Bank saß. Die Chemie schien zu stimmen. Doch als sie aufstand, war es mit der Romantik vorbei. „Sie war 1,90 Metern groß und ich 1,66.“, lacht er.
Ständig verfeinerte er seine Kochkünste. Das öffnete ihm laufend neue Türen. Von Südafrika kam er in den fernen Osten. Er stand am Herd von Nobelhotels in Bankok, in Singapur und Hongkong. Das Leben dort war vom ausschweifenden Nachtleben geprägt. Er spricht von „Sodom und Gomorra“. Gesitteter empfand er es später in den Luxushotels in Trinidad und Tabogo, in Montreal in Kanada und in Melborn in Australien. Dort heiratet er eine Australierin und glaubte, die Frau fürs Leben gebunden zu haben. Nach vier Jahren zerbrach die Ehe. „Mein gedrängter Stundenplan im Hilton hat der Beziehung nicht gut getan“, erklärt er. Er empfindet es als Glück, dass er kurz darauf ein Angebot aus Rio de Janeiro in Brasilien bekam. 1986 wechselte ins „Sheraton Hotel“ in Santiago de Chile.
Dort wurde er sesshaft. 28 Jahre verwöhnte er die Gäste mit internationalen kulinarischen Köstlichkeiten. Privat fand er sein Glück mit der 20 Jahre jüngeren Chilenin Maria. Liebevoll betreute sie ihn während seiner schweren Krankheit vor 15 Jahren. Eine Niere musste damals entfernt werden. Er erhielt das Blut eines Indios. „Dieses Blut hat ein Wunder bewirkt“, freut er sich. „Auf meiner Glatze, die ich seit Jahren hatte, sind plötzlich Haare gewachsen. Und diese sind immer noch da.“ Seit zwei Jahren ist Sepp pensioniert. Sein Zuhause ist ein Apartment im 15. Stockwerk eines erdbebensicheren Hochhauses. „Wenn die Erde bebt, bekommt man schon doch Angst. Da schaukelt es wie ein Schiff “, beschreibt er. Nun kocht seine Frau Maria und er sitzt am Computer. Stundenlang beschäftigt er sich mit dem Kauf und Verkauf von Aktien. „Von den Dividenden kann ich leben“, meint er. Seine Frau hilft in der Bäckerei mit, die Sepp für ihre Familie aufgebaut hat. Ob er seine alte Heimat noch einmal besucht, weiß er nicht. Sein Cousin Otto Gander würde sich jedenfalls freuen, mit ihm wieder Jugend-Erinnerungen austauschen zu können.
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