Als die Familie den Heimathof verlassen musste, fand das Mädchen Aufnahme bei einem Bauern in Schenna, und schöne Erinnerungen knüpfen sich daran. Darauf folgten anstrengende Jahre als Magd, wo sie, nach eigener Aussage „mehr Knecht als Diarn“ war. Das an Körperkraft erstarkte Mädchen musste nämlich auch die Arbeiten eines Knechtes bewältigen und wurde zu Holzarbeiten im Wald herangezogen. Sie bekam die Schattenseiten des Dienstbotendaseins voll zu Gesicht. So reifte Luise Kofler zu einer willensstarken Persönlichkeit heran, die sich durch großes Pflichtgefühl auszeichnete.
Das achtzehnte Lebensjahr ist ihr in trauervoller Erinnerung geblieben, denn da war der Tod von vorerst drei Personen aus dem engsten Familienkreis zu beklagen. Ihre Mutter hatte die Schicksalsschläge nur schwer verkraftet und starb dreiundfünfzigjährig noch im Dezember desselben Jahres. Die junge Frau hat sich tapfer gehalten und nach einem neuen Betätigungsfeld gesucht. Als Kellnerin hat sie Arbeit und Erfüllung gefunden. Mit dreiundzwanzig Jahren wurde sie Mutter eines Buben. Um weiter im Dienst bleiben zu können, vertraute sie den kleinen Hansjörg der Obhut ihrer kinderlosen Schwester an. Als Ziehsohn erbte er deren Hof und pflegt mit seiner Familie ein inniges Verhältnis zu seiner Mutter und zu seinem leiblichen, mittlerweile verstorbenen, Vater Franz Laimer.
Mit einunddreißig Jahren kam Luise Kofler nach Naturns, um als Kellnerin beim Schupferwirt, wie damals der Gasthof „Weißes Rössl“ durchwegs genannt wurde, tätig zu sein. Bei voller Gaststube behielt sie immer noch Ruhe und den Überblick. Die rege Betriebsamkeit und die langen Arbeitsstage meisterte sie mit Geduld und Ausdauer.
Als der hochgewachsene Franz Kaserer die Gaststube betrat, war es beiderseits wahrlich Liebe auf den ersten Blick, und im selben Jahre noch wurde geheiratet. Ihr Ehemann hatte auf seinen Heimathof verzichtet, erbaute sich aber auf dem ererbten Grundstück in Naturns ein neues Heim. Die vier Kinder Josef, Norbert, Karin und Heidi verbrachten eine ungetrübte Kindheit und eine äußerst erfolgreiche Schulzeit. Zielstrebigkeit, Fleiß und Begabung kennzeichnen ihre Lebenswege, und heute haben sie alle den Beruf, der sie erfüllt. Um allen ein Weiterstudium zu ermöglichen, nahm sie eine Arbeit in der Zahnfabrik Ivoclar und später im Obstmagazin an.
Ihr Gatte machte er sich öfters auf, um Pilze zu sammeln. Doch einmal, als er wegfuhr, bekam Luise Kaserer ein beklemmendes Gefühl der Angst und Sorge, das sich verstärkte, als er zu gegebener Zeit nicht heimkehrte. Die Vorahnung wurde zu trauriger Wirklichkeit, denn Franz Kaserer ist im Wald einem Herztod erlegen und bei einer Suchaktion aufgefunden. Luise blieb nach wie vor die gute Seele des Hauses und das Herz der Familie. Sie setzte sich auch für andere Belange ein.
Neben der Grabpflege ihres Mannes sorgt sie sich heute noch um die Pflege eines Grabes auf dem Meraner Friedhof in dem ihre Mutter, drei Schwestern und der Bruder beerdigt sind. In ihrer Erinnerung zeichnet Luise auch den Weg ihrer Geschwister nach, wie auch jenen einer ihrer Schwestern, die im Vorjahr mit hundertfünf Jahren gestorben ist.
Die Organisation von Ausflügen und Treffen mit ihren Jahrgangskollegen hat sich erledigt, da sich mit ihr nur noch zwei Frauen in der Gemeinde eines gleich hohen Alters erfreuen. Die Enkelkinder erfüllen ihr Leben und bringen Frohsinn ins Haus. Während der Grundschulzeit aßen sie stets zu Mittag bei ihr und konnten sie als gute Köchin und Fachfrau im Gemüse- und Blumengarten erleben. Rosen und Oleander züchtet Luise selbst und freut sich jedes Jahr über die Blütenpracht.
Die dreizehn Enkel und acht Urenkelkinder werden sich sicher stark an die Lebensgeschichte ihrer Oma und Uroma erinnern und somit viel von ihrer Zeit, ihrer Fürsorglichkeit und Bodenständigkeit als Werte mitnehmen, die heute wieder neue Gültigkeit bekommen.
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