Der ebenerdige Geschäftsbereich wird vom HGV genutzt, also vom Hoteliers- und Gastwirteverband, der die Räume auch angekauft hat. Auf dieser großen Fläche werden 9 Beamte ebenerdig ihren Arbeitsplatz finden. So die Auskunft von Manfred Pinzger, dem neuen Präsidenten des HGV; darin soll das Tourismuskonzept des Vinschgaus betreut und belebt werden.
Aber zuerst ein Blick auf die gewaltigen, in zwei schräg zueinander gestellten Baukörper mit den etwa 16 Wohnungen; verbunden werden sie durch eine breit angelegte, einstöckige Verbindungsterrasse. Alles wirkt elegant und leicht trotz der gewaltigen Kubatur, die hier Platz finden musste. Alle Wohnungen verfügen über einen Balkon und getrennte Zugänge. Sehr aussichtsreich, nicht nur in den obersten Stockwerken, abwechslungsreich gestaltet in großzügigen, vertikalen Linien ... es dominiert die Gerade, der rechte Winkel, die Säule.
Aus schattigen Nischen öffnen sich verschieden große Türen und Fenster, aufgereiht wie in einer Notenschrift, zu lesen von unten nach oben. Eine geometrische Spielwiese, zusammengefügt aus kantigen Elementen. Und wie passt das Ganze zur Palabirnallee, zum Kinderspielplatz, der hier an der Westseite angelegt wird?
Es ist dies der so genannte Seileranger, weil hier einst auf einer Länge von 200 Metern die dicken „Soaler“, also die starken Taue gedreht und auseinander gezogen wurden; man brauchte sie beim Transport der schweren Blöcke vom Göflaner Marmorbruch nach Tafratz. Das ist schon lang her und ist vielfach vergessen.
Dann folgte die Zeit der Palabirne, die einst als Süßstoff geschätzt und also wertvoll war. Der neue Besitzer Mazadra, ein hoher römischer Beamter, hat das Grundstück nicht mehr bewirtschaftet, weswegen die alten Bäume bleiben durften und noch immer stehen. Dann stand hier also jahrelang ein baufälliges Gebäude, das auch Trögerhaus genannt wurde. Getrennt wurde es durch ein schmales Straßenstück vom ebenfalls baufälligen, kleineren Ohrwalderhaus mit dem großen Garten. Durch diese knappe Straßenführung entstand eine Verkehrsinsel; die Eingänge beider Häuser wurden abgewürgt. Ein Käufer und Sanierer dieser alten Häuser konnte nicht gefunden werden und so wurden sie verkauft.
Wir befinden uns hier an einem geschichtsträchtigen Ort. Hier stand die Urtlmühle, beim Mühlbach, wo einst Urteile gefällt, Gerichte abgehandelt, auch Todesurteile gefällt wurden. Das nunmehr abgerissene, große Haus trug die Hausnummer 1. Hier begann die Straße nach „Holzbrugg“, hier vorbei an zwei Kapellen führt immer noch der Feldumgang, auch die Fronleichnamsprozession schreitet, feierlich im Gebet mit dem Allerheiligsten die Gemeinde verlassend, durch Feld und Wiesen.
Und hier entsteht nun ein neues Zentrum, burgartig, als müsste etwas verteidigt werden, gekennzeichnet durch einen ungewöhnlichen Vorbau, der die Kreuzung für Autos, Fußgänger und Radfahrer beherrscht und kontrolliert. Dieses vorkragende Stockwerk will auf etwas Besonderes hinweisen, vielleicht auf ein noch zu bestimmendes Kunstwerk oder auf eine Insel zum Verweilen ... jedenfalls ist es spannend, die Verwirklichung eines so großen Baues zu verfolgen.
Nach den vielen geraden Linien, rechten Winkeln und berechneten Elementen tut es gut, durch die alten Straßen von Schlanders zu schlendern. Auch hier gibt es Kreuzungen und Hausecken, die abwechslungsreich gestaltet sein wollen. Auffallend dabei ist der Formenreichtum. Rundes und Schmiegsames wölbt sich, der rechte Winkel wird größer und kleiner, wird weich und einladend. Gesimse entstehen und Winkel für Blumen. Wie es sich für die freundliche Hausfrau gehört. Die zahlreichen Erker wirken am Baukörper als Wölbung, fast weiblich. Das Weiche fügt sich. Jedes Haus hat einen Charakter, ist männlich oder weiblich.
Ich gehe vom Palabirnhaus in Richtung Pfarrkirche, vorbei am Rundbau des Kreuzwirtshauses oder sehe schon vorher, beim Wieserhaus, die elegante Lösung einer Hausecke zum Patergassl. Wie dies der Jugendstil vor 100 Jahren liebte: Das Spitze wird durch Rundes gemildert, erlöst, befreit.
Wenn die gelben Palabirnen wieder am Boden platzen, umschwärmt und umschwirrt von honigsuchenden Bienen, dann wird wieder ein Jahr vergangen sein - auch das ein schöner Kreislauf. Dann werden hier wiederum Kinder spielen, im Seilerwiesl, im Sand und mit Seilen, Fußgänger werden hier rasten und auf die Balkone und Gärten des neuen „Schlosses“ blicken.
Hans Wielander
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