Kurt Stecher: Das kommt auf das Projekt an. Ob es sich um ein privates Projekt oder ein öffentliches handelt. Da gibt es riesige Unterschiede. Diese Frage kann man nicht generell beantworten. Je größter das Projekt, desto länger dauert der Bau und desto mehr investiert man an Zeit.
Wenn wir beispielsweise ein Einfamilienhaus hernehmen?
Martin Stecher: Es braucht eine bestimmte Vorbereitungszeit, eine Planungsphase, die heute leider viel zu kurz kommt. Wenn die Bauherren heute zu einem Architekten ins Büro kommen, hätten sie am liebsten bereits den fertigen Plan in ihren Händen. Wenige sind sich bewusst, dass da innerhalb weniger Wochen und Monate ein Lebenstraum entsteht und dass dies eine bestimmte Vorlaufzeit in Anspruch nimmt.
Je länger die Planungsphase, desto weniger an Nachkorrekturen braucht es.
Martin Stecher: Ja genau. Die Planungsphase ist entscheidend. Das hat sich in den letzten Jahren massiv geändert. Die Leute wollen am liebsten alles und gleich. Ein Bau selber wird heute in rund einem Jahr durchgezogen, zwischen Planung, Start und Ausführung braucht man plus minus ein Jahr.
Und früher?
Kurt Stecher: Früher waren die Bauherren etwas geduldiger. Heute zählen Geld und Zeit. Als erstes zählt das Geld. Das billigste ist das Beste, lautet die weit verbreitete Meinung. Die Bauherren suchen sich ihren Planer danach aus, wer der billigste ist. Das hat sich in letzter Zeit herauskristallisiert und ist für die Qualität vom Bau sehr negativ.
Martin Stecher: Früher hat man in ein Einfamilienhaus zwei Jahre investiert. Das Haus hat mindestens einen Winter lang Trocknungszeit genossen.
Auf welchen Ihrer Bauten sind Sie besonders stolz? Welches ihrer Projekte mögen Sie am liebsten?
Martin Stecher: Wenn man heute einen Bau gut über die Bühne bekommt, in der Planungsphase eine Harmonie zwischen Planer und Bauherren herrscht, der Planer seine Ideen einbringen kann und der Bauherr ein bestimmtes Vertrauen zum Planer hat, dann kann man auf jedes Projekt stolz sein. Bauherren und Planer müssen sich einfach gut verstehen.
Ist der Architekt manchmal auch Psychologe?
Martin Stecher: Es ist so, dass zwischen Mann und Frau einfach oft unterschiedliche Vorstellungen da sind. Auch andere Prioritäten. Was für den anderen wichtig ist, ist für den anderen nicht wichtig.
Und dann muss man vermitteln?
Martin Stecher: Das kommt vor.
Kommen die meisten Bauherren ohne Vorstellungen zu Ihnen?
Martin Stecher: Nein, das stimmt nicht. Es gibt Leute, die ganz genaue Vorstellungen haben und wieder andere, die überhaupt keine haben. Das ist ganz unterschiedlich.
Kurt Stecher: ...weil es einfach ganz verschiedene Leute gibt.
Wie ist das beim öffentlichen Bau?
Kurt Stecher: Bei den öffentlichen Bauten gibt es das Dreieck Planer, Nutzer und dem, der den Bau finanziert. Wir haben drei Figuren. Zwischen diesen muss die Harmonie stimmen. Ich habe immer die Meinung vertreten, dass der, der den Bau nutzt am meisten Mitspracherecht hat. Der Zahler, also die Gemeinde, oder das Land haben meistens weniger Vorstellungen darüber, was die Nutzer brauchen. In der Planungsphase muss man deshalb die Nutzer demokratisch miteinbeziehen, damit das, was sie sich vorstellen, geplant und ausgeführt wird.
Merkt man auf Anhieb, ob eine Harmonie da ist oder nicht?
Kurt Stecher: Der Architekt muss sehr kompromissbereit sein und auf jeden Menschen zugehen. Es gibt immer mehr Sympathie und weniger Sympathie. Man muss immer versuchen auf die Wünsche einzugehen.
Was muss ein Architekt mitbringen? Kompromissbereitschaft und ...
Meine Meinung ist, dass wir für die Bauherren bauen, damit sie am Ende ihren Traum und ihre Vorstellungen erfüllt wissen. Natürlich tragen wir auch für die Umgebung Verantwortung, dass der Bau auch in seine Umgebung passt.
Das heißt Kompromissbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein und ...
Martin Stecher: Kreativität. Das klingt jetzt künstlerisch. Aber das ist so, der Bauherr hat ein begrenztes Wissen. Die Mischung zwischen Kreativität und technische Umsetzbarkeit muss man erkennen, und diese Eigenschaft braucht es sicher als Architekt.
Stichwort Kreativität: Woher kommen Ihre Ideen?
Kurt Stecher: Woher kommen Ihre Ideen?
Sie fragen sich das selbst?
Kurt Stecher: Ich glaube man wird Architekt, weil man Ideen hat. Weil man eine Freude hat und weil ein Architekt immer nach neuen Ideen und Lösungen sucht.
Martin Stecher: Der Zeitfaktor ist ganz ausschlaggebend. Wenn man für ein Projekt mehr Zeit hat, dann schaut unterm Strich einfach mehr heraus. Auch die Forderungen der Bauherren spielen eine Rolle bei der Ideenfindung und der finanziell abgesteckte Rahmen.
Aber hat ein Architekt anhand seiner Ideen nicht eine eigene Handschrift im Laufe der Jahre entwickelt? Woran erkennt man einen Stecher-Bau?
Kurt Stecher: Nein, wenn das wäre, dann würde man ja stehen bleiben. Ich glaube es gibt immer mehr einen Einheitsstil, der in Südtirol, in Deutschland oder in der Schweiz gültig ist.
Martin Stecher: Klare Formen, die Einfachheit, ein klares Konzept. Ich glaube abseits davon, ist Architektur sehr flexibel. Vom modernen Bau bis zum traditionellen Bauernhaus bauen wir und baut man im Vinschgau eigentlich alles. Ich glaube hier bei uns wird überhaupt mehr akzeptiert als im Rest von Südtirol, als zum Beispiel im Pustertal, da ist man architektonisch viel traditioneller unterwegs.
Wohin geht der Trend beim Bauen?
Kurt Stecher: Man muss viele Kriterien berücksichtigen. Architektonische Kriterien, Wirtschafliche-, energietechnische, Instandhaltungs- und Kostenfaktoren.
Wenn wir bei der Architektursprache bleiben.
Kurt Stecher: Es geht in Richtung klare, einfache Formen.
Martin Stecher: Ich glaube, der Trend ist die breite Masse. Interesse für die Baubiologie kann man zumindest ausmachen. Gesund Wohnen, gesund leben sind die Trends von morgen.
Kurt Stecher: Ja, der Trend geht in Richtung gesund leben, gesund bauen, hauptsächlich im privaten Bereich.
Themenwechsel. Was raten Sie Bauherren: Wie sollen sie ihren Architekten auswählen?
Kurt Stecher: Die Harmonie, das Feeling muss als allererstes stimmen.
Martin Stecher: ...weil man einfach viel Zeit zusammen verbringt. Der Architekt ist in der Ausführungsphase der beste Freund der Bauherren. Da muss einfach ganz, ganz viel Vertrauen da sein. Kenntnisse natürlich auch, die Kompetenz eines Architekten, die Erfahrung, weil dann einfach weniger Fehler passieren.
Welches ist die größte Herausforderung bei einem Bauprojekt? Ihre Meinung.
Martin Stecher: Die Funktionalität, die Nutzbarkeit, die Ästhetik: Das alles unter einen Hut zu bringen ist die größte Herausforderung.
Kurt Stecher: Und alles im Budget unterzubringen. Die Kosten darf man nie aus dem Blick verlieren.
Martin Stecher: Eine große Herausforderung ist auch die Standortwahl. Das heißt oft wird ein Gebäude geplant, ohne sein Umfeld mit zu berücksichtigen. Ein Gebäude muss auf sein Umfeld reagieren und darf nicht einfach als Solitärkörper gesehen werden, weil sich da jemand verwirklichen will.
Kurt Stecher: Ja, es gibt heute die Broschüren-Architektur und die stille einfache Architektur, die weniger auffällig ist, aber mindestens genauso wichtig ist, wie jene Architektur, die nur in den Architekturzeitschriften veröffentlicht wird. Das ist nicht die Architektur für die Allgemeinheit.
Martin Stecher: Wie gesagt, sich mit der Umgebung, mit dem Milieu, mit der Geschichte auseinander zu setzen, das ist eine weitere große Herausforderung. Darauf muss man reagieren mit Materialien, mit Proportionen...
Kurt Stecher: ... damit es nicht störend wirkt. Da braucht es Feinfühligkeit.
Eine weitere Eigenschaft, die ein Architekt mitbringen muss. Feinfühligkeit?
Kurt Stecher: Ja, Feinfühligkeit ist sehr wichtig.
Mangelnder Realitätssinn wird Architekten immer wieder – auch – von Handwerkern vorgeworfen. Was entgegnen sich dem?
Kurt Stecher: Wir sind beide Architekten, die versuchen mit den Handwerkern zusammenzuarbeiten und eine Zusammenarbeit heißt, dass man auch die Handerker fragt: Was ist da oder dort die beste Lösung? Dem Handwerker auf der gleichen Ebene begegnen, ist sehr wichtig, wobei es auch bei den Handwerkern solche und andere gibt.
Welchen Baustoff bevorzugen Sie? Herr Stecher, Sie haben beispielsweise den Marmor beim Krankenhaus Schanders geadelt.
Kurt Stecher: Ich bevorzuge die natürlichen Baustoffe. Ja, ich habe den Marmor beim Krankenhaus Schlanders eingesetzt, was im Nachhinein wiederum von einigen Politikern kritisiert wurde, weil es zu teuer war. Aber ich bin der Meinung, dass man im Vinschgau schon bei einem öffentlichen Bau Marmor verwenden kann. Der Marmor ist eine natürlich Ressource, die bei einem öffentlichen Bau den richtigen Platz hat, weil er auf viele Jahre geplant ist.
Martin Stecher: Ich bevorzuge natürliche Materialien mit der Baubiologie im Hinterkopf.
Wenn Sie sich einen Traum erfüllen dürften, was würden Sie bauen wollen?
Kurt Stecher (lacht): Ein Traum von einem guten Architekt ist für den Bauherren das Projekt zu bauen, wo er sich dann wohlfühlt und man das Gefühl hat, das Richtige für ihn gebaut zu haben.
Martin Stecher: Traum? Das klingt wie in einer Märchenwelt.
Kurt Stecher: Man hat angefangen mit einer Garage, das war genauso wichtig, wie die Aufträge später – als man bekannter war. Jedes Projekt hat seinen Reiz.
Welche Bauaufgabe würde Sie besonders reizen?
Martin Stecher: Ich glaube, es tun sich immer wieder neue Bauaufgaben auf, die reizen und die neue Herausforderungen mit sich bringen. Wir begleiten derzeit zum Beispiel ein Hanfhaus in Tschengls, das ist eine sehr reizvolle Herausforderung, wo man auf keinerlei Erfahrungswerte zurückgreifen kann.
Welchen Bau im Vinschgau würden Sie abreißen?
Martin und Kurt Stecher (lachen): Da wollen wir niemandem auf die Zehen treten.
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