Ein erstes Projekt des Tourismusvereines Latsch Martell wollte die Schlucht für die Sportkletterer und Extremsportler erschließen. Dieses Vorgängerprojekt ist wegen der fehlenden Finanzierung nicht umgesetzt worden.
Nach einer Nachdenkpause ist das Projekt in seiner aktuellen Version von der Gemeinde Martell übernommen und in Abstimmung mit den Südtiroler Landesabteilungen Landschaftsschutz und Raumplanung sowie Wasserschutzbauten und dem Nationalpark Stilfserjoch konzeptionell auf eine breitere Zielgruppe als die Sportkletterer ausgelegt worden.
Im heutigen Beitrag möchte ich das Konzept zur Erschließung des Schluchtenweges in der Plima näher vorstellen. Das diesbezügliche Projekt wurde im Auftrag der Gemeinde Martell von Dr. Arch. Heike Pohl und Dr. Ing. Siegfried Pohl erarbeitet. Grundüberlegung war dabei, dass die Schlucht ein grandioses Naturdenkmal ist, das nicht als „Disneyland“ vermarktet, sondern dem interessierten und rücksichtsvollen Wanderer mit Bedacht erschlossen werden sollte. Hierfür wurden vier Erlebnispunkte entlang des Schluchtenweges ausgewählt. Eine Anbindung an die Wanderwege Nr. 150 orographisch links der Plima und Nr. 31 und 40 rechts des Baches ist vorgesehen.
Das Projekt sieht vier Variationen des Erlebens an und in der Schlucht vor.
In seiner Kostenabdeckung wird das Projekt mit Finanzmitteln der Gemeinde Martell, der Umweltplangelder aus den Wasserkonzessionen, des Leader-Programmes Hinterulten, Martell und Deutschnonsberg und des Konsortiums Nationalparks Stilfserjoch abgedeckt.
Die Projektidee
In ihrem technischen Bericht schreibt Arch. Heike Pohl: „Die Schlucht ist eng, schmal und tief. Entweder ist man „unten“ – da wo das Wasser ist, wo kein Weg ist, wo nur ein Extremsportler mit besonderen Fähigkeiten gut aufgehoben ist; oder man ist „oben“, wo die hochalpine Vegetationsdecke sich erstreckt, wo Wanderwege sind, wo man sich mit Bergschuhen und Hausverstand sicher bewegen kann.
Wenn man „oben“ ist, dann kommt man an die Schlucht heran, indem man sich an die „Kante“ heranwagt. Da wo die hochalpine Vegetation abrupt aufhört, wo das Gelände steil abfällt, wagt man sich trippelnd vor bis man – sich behutsam hinauslehnend – einen Blick in die unten gurgelnden Fluten erspäht.
Der Schluchtenweg führt den Wanderer gezielt an den dafür geeigneten Punkten an diese Kante heran, er begleitet und sichert ihn dabei und setzt die notwendigen baulichen Maßnahmen, um das Erleben so stark wie möglich zu gestalten“.
Vier Variationen des Erlebens
Arch. Heike Pohl erörtert in ihrer Projektbeschreibung weiter:
„Das Herantreten an die Kante muss sicher sein. Und es muss differenziert im Erlebnis sein: wenn ich vier Mal an die Schlucht, an die Kante herangeführt werde, dann soll dies vier Mal eine andere Begegnung mit der Schlucht ermöglichen: 4 Variationen des Erlebnisses“
„Kelle in der Klamm“
Der erste bauliche Eingriff ist bei km 0+200 ab der Brücke über die Plima am Ende der Fahrstraße und ab Zustieg zum Hotel „Paradies“ vorgesehen. Heike Pohl: „An dieser Stelle geht es darum, über die Kante hinunterzusteigen. Durch eine Stahlkonstruktion, die wie eine Kelle in die hier sehr enge Schlucht hinuntergreift, kann der Besucher über sichere Stufen hinuntersteigen und vom „Kellenrand“, also von der Brüstung gesichert, das Tosen des Wassers, das Spritzen der Gischt, die Flanken der blankgescheuerten Felswände erleben. Hinuntersteigen, dem Wasser nahe kommen“.
„Panoramasichel“
Der zweite bauliche Eingriff ist bei km 0+450 ab der Brücke zum Hotel Paradies vorgesehen. „An diesem Punkt geht es darum, sich an die Kante vorzuwagen und an dieser entlangzuwandern. Dieser Ort befindet sich an einem ebenen Geländevorsprung, den die Plima umfließt. Es bietet sich ein offener Rundblick zu den gegenüberliegenden Berggipfeln, zur Zufallhütte, Richtung Hotel Paradiso und talauswärts. Um dieses Panorama genießen zu können, den Blick schweifen zu lassen, stellt die Panoramasichel eine reduzierte aber effiziente Konstruktion dar, um die Kante zu befestigen, die Absturzsicherung auszubilden und durch das leichte Hineinschneiden ins Gelände, zwei Sitzstufen entstehen zu lassen, von denen man – leicht erhöht – über das Geländer hinweg einen freien Blick auf das Bergpanorama hat. Hier kann man nach Lust und Laune zum Guck-in die-Luft und Schau-ins-Land werden. Der Kante entlangstreifen, schauen und sehen.“
„Aussichtskanzel“
Bei km 0+660 ab der Brücke beim Hotel Paradies vorgesehen. „An diesem Punkt geht es darum, über die Kante hinaufzusteigen. Wer noch weiter hinaufsteigt, kann noch weiter hinunterschauen! Es ist ein uns innewohnender Trieb, uns einen erhöhten Punkt zum Spähen zu suchen. Die bauliche Maßnahme gleicht einem Podest oder einer Kanzel. Vom Vegetationsboden ausgehend, führt die Stahlkonstruktion einige Stufen empor und hinaus über die Kante. Und dann kann man plötzlich senkrecht hinunterschauen, unter sich nur Luft und Tiefe. Ein mulmiges Gefühl im Bauch und doch genau das, was man wollte: Noch weiter raus, um noch weiter runter zu sehen, die Senkrechte wahrzunehmen. Weiter hinaus, weiter hinauf, die Schlucht unter sich haben“.
„Auf der Hängebrücke“
bei km 0+850 ab der Brücke beim Hotel Paradies vorgesehen. „An diesem Punkt geht man über die Brücke hinüber, von einer Kante zur anderen. Der Weg hebt ab, verläuft in der Luft, trägt von Kante zu Kante, und eine Schar von fliegenden Geländerelementen schützt. Die Brücke ist so konzipiert, dass sie grundsätzlich das ganze Jahr über benützt werden kann. Dabei sind die Geländerelemente im unteren Bereich – wo im Sommer Kinder, ältere Menschen und ungeübte Wanderer – entlang gehen, eng angeordnet, sodass absolut keine Absturzgefahr besteht. Im höheren Bereich , wo Skitourengeher die Brücke im Winter benutzen, sind die Sprossen weiter gesetzt. Da die zwei Brückenauflager auf unterschiedlichen Höhen angeordnet sind, ist die Brücke in einem Teilbereich mit Stufen ausgebildet. Zwischen den Ufern, in luftiger Höhe, die Schlucht queren.“
Ergänzende Maßnahmen
Am jeweiligen Erlebnispunkt wird eine Infotafel angebracht werden, welche das intuitiv Wahrgenommene auch mit Erklärungen untermauert.
Arbeitsausführung
Das Vorhaben „Schluchtenweg Plima“ ist in zwei Baulose aufgeteilt. Im heurigen Sommer wird nach der entsprechenden Vergabe der Bauarbeiten durch die Gemeinde Martell von einem Firmenzusammenschluss zwischen Seilbahnbauern und Stahlschlossern als 1. Baulos die spektakuläre und in ihrer Machart technisch anspruchsvolle Hängebrücke zur Verbindung der zwei Ufer ausgeführt. Das zweite Baulos mit den drei talseitigen Erlebnispunkten soll im Jahr 2015 realisiert werden, wenn die Finanzierung gelingt.
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