Kultur: Rainer Loose und sein Vintschgau1

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Der bekannte Geograph und Historiker Rainer Loose hat einen guten Teil seines Forscherlebens im und mit dem Vinschgau verbracht. Begonnen hat es, als der Student zu Beginn der 1970er Jahre in den Obervinschgau gekommen ist, um über diesen geographischen Raum seine Doktorarbeit zu schreiben. Er nahm in Mals Quartier und erkundete die Landschaft, er suchte in den Archiven von Marienberg und der Churburg, im Archiv des Kloster St. Johann in Müstair, in den Gemeindearchiven, im Staatsarchiv in Bozen, im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck und im Diözesanarchiv in Chur. In den Katastern, in den Urbaren (Verzeichnis über alte Besitzrechte), in Urkunden und anderen historischen Aufzeichnungen suchte der Student Loose nach Spuren, aus denen er erschließen konnte, wie und wann die Siedlungen und Dörfer im Obervinschgau entstanden sind.

Siedlungsgenese: Wie und wann entstehen Dörfer? Wem gehört das Land? Wo arbeiten und leben die Menschen?

In gut zweijähriger Arbeit hat er über die Siedlungsgenese geschrieben und dabei die Dörfer Taufers, Laatsch, die Stadt Glurns, Schleis, Burgeis, St. Valentin a. d. H., (Alt)-Graun und die Hochtalsiedlungen Schlinig, Plawenn und Planeil untersucht. Loose hat die Siedlungskerne gefunden, die Abhängigkeiten beschrieben und die Siedlungsentwicklung über die Jahrhunderte dargestellt. Er hat seine Arbeit der Universität Frankfurt/Main vorgelegt und ist zum Doktor der Karte LoosePhilosophie promoviert worden (1974). Sie ist die Basis geworden für seine Universitätslaufbahn und die hohe Beamtenkarriere. Vor allem ist sie von großer Bedeutung, weil von ihr die nachhaltige Neuentdeckung des Forschungsraumes Vinschgau ausgegangen ist. 1976 ist die Arbeit in Druck erschienen. Klare Sprache, übersichtliche Tabellen und schön gezeichnete Karten machen sie, trotz des wissenschaftlichen Anspruchs, für alle Interessierten lesbar. Und wir erfahren, welche die ältesten, schriftlich fassbaren Höfe waren, von wem sie abhängig waren, was produziert worden ist und (indirekt) wie das Leben auf diesen Höfen und in diesen Siedlungen/Dörfern war.

Standorttreue und Forscherfleiß

Rainer Loose ist dann zu einem sehr produktiven Professor und Forscher geworden, der viele Bücher, Abhandlungen und Aufsätze geschrieben hat. Er ist immer wieder in den Vinschgau zurückgekehrt. Er hat das Tal immer genauer erforscht und immer neue Themen gefunden. So ist der Vinschgau zu einem umfassend erforschten Tal im Bereich der Geschichte und Geographie geworden. Dabei hat sich Loose nicht auf den Vinschgau beschränkt. Seine Zulassungsschrift zur Universitätsprofessur hat er zum Beispiel über die Agrargeographie des südwestlichen Trentino geschrieben. Aber auch die Erforschung seiner engeren Heimat im Schwäbischen hat er im Auge behalten. Dass ihm der Vinschgau im Herzen und im Sinn geblieben ist, hängt auch mit der graunVinschgauer Landschaft und den Vinschgauer Menschen zusammen, mit denen er sich verbunden gefühlt hat und noch fühlt. Zu Fixpunkten sind ihm das Kloster Marienberg und der gewesene Stiftsarchivar P. Josef Joos, die Churburg und der damalige Schlossherr Hans Trapp Graf von Matsch, der Malser Kaufmann Fritz Blaas und dessen Tochter Mercedes Blaas, der Laaser Kulturarbeiter Wilfried Stimpfl, das Bildungshaus Schloss Goldrain und das Südtiroler Kulturinstitut mit dem langjährigen Präsidenten Marjan Cescutti geworden.

Insgesamt umfasst Looses Werk mit Vinschgaubezug 65 Titel und betrifft im Einzelnen 27 Vinschgauer Dörfer/Siedlungen, entstanden in den nunmehr 50 Jahren seines Forscherlebens. Diese herausragende wissenschaftliche Leistung und diese große Forschungsarbeit ist in der Bezirksgemeinschaft Vinschgau nicht unbemerkt geblieben. Deswegen hat sie beschlossen, den Geographen und Historiker, apl. Prof. i. R. der Universität Mannheim/Tübingen, Rainer Loose, den Ehrenring der Bezirksgemeinschaft Vinschgau zu verleihen.

Herbert Raffeiner

 

Die Feier findet am Samstag, 11. Mai 2024 um 10 Uhr im Kulturhaus „Karl Schönherr“
in Schlanders statt. Sie ist für alle Interessierten frei zugänglich.

 

1Loose verwendet gern die Schreibweise Vintschgau. Er verweist damit auf die historisch-geografische Gemarkung Vintschgau, die von der Töll bis nach Finstermünz reichte.

 

Biografische Notiz

Rainer Looses Eltern wohnten in Pommern, der Vater war im Krieg, seine Mutter floh vor den Russen nach Berlin. Dort ist Rainer 1943 geboren und aufgewachsen. Studium an der Wolfgang-von-Goethe-Universität in Frankfurt am Main: Latein, Geographie, Geschichte und Politik. 1971 – 1973 Doktorarbeit im Vinschgau, 1974 – 1981 Universitätsassistent in Mannheim, 1981 Universitätsprofessor auf Zeit, dann Archivdirektor in Tübingen, Projektmanager für die Forschungsarbeit zur Kreisbeschreibung von Rottweil und Biberach, ab 1987 apl. Universitätsprofessor in Mannheim/Tübingen, ab 2006 im Ruhestand, seit 1983 mit Ulrike Niedermayr aus Lüsen verheiratet, drei Kinder, Südtirolkenner und Vintschgauexperte, seit 50 Jahren Erforscher der Geschichte und Geographie des Vinschgaus, Träger hoher Auszeichnungen, darunter sind der Tiroler Adlerorden des Landes Tirol in Gold und die Franz-von-Wieser-Medaille des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum Innsbruck (beide 2006). Rainer Loose lebt in Mössingen am Rande der Schwäbischen Alb (Baden-Württemberg).

 

rainer loose 2006Literaturliste
(eine Auswahl von Rainer Looses Werken mit Vinschgaubezug)


- Siedlungsgenese des Oberen Vinschgau. Schichten und Elemente des Theresianischen Siedlungsgefüges einer Südtiroler Passregion. (= Forschungen zur deutschen Landeskunde Bd. 208), Trier 1976 NB. Das ist die Doktorarbeit von Loose.

- 900 Jahre Benediktinerabtei Marienberg 1096-1996. Festschrift zur 900 Jahrfeier des Klosters St. Maria (Schuls-Marienberg), hrsg. vom Südtiroler Kulturinstitut (SKI), Lana 1996, NB Loose ist Mitautor und Schriftleiter.

- Familia Mariaemontana. Mitglieder und Wirkungskreis der Benediktinerabtei (Schuls-) Marienberg, bearbeitet und ergänzt von Rainer Loose, St. Ottilien 2002

- Der Vinschgau und seine Nachbarräume. Vorträge des landeskundlichen Symposiums, veranstaltet vom SKI im Bildungshaus Schloss Goldrain (BSG). Bozen 1993; Loose ist Herausgeber und Mitautor.

- König Kirche Adel. Herrschaftsstrukturen im mittleren Alpenraum und angrenzenden Gebieten (6. – 13. Jahrhundert). Vorträge der Wissenschaftlichen Tagung des SKI, des Instituts für Geschichtliche Landeskunde und Historischer Hilfswissenschaften der Universität Tübingen im BSG, Lana 1999; Loose ist Mitherausgeber und Mitautor.

- Hezilo und die Freien von Tschengls. Von Kanzlern, rätischen Urkunden, Freien im Vintschgau und einer adeligen Grablege. (Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 49, Bozen 2021, Loose ist Herausgeber und Mitautor mit Leo Andergassen und David Fliri.

- Noderbuch. Notaritatsimbreviaturen des Jakob von Laas 1390-1392. Brixen 2008, Loose ist Mitautor mit Raimund Senoner.

- Von der Via Claudia Augusta zum Oberen Weg. Leben an Etsch und Inn. Westtirol und angrenzende Räume von der Vorzeit bis heute. (= Schlern-Schriften 334), Innsbruck 2006; Loose ist Herausgeber und Mitautor.

- Der Markt im Gebirge. Glurns und der Bartholomäusmarkt um 1400. In: Der Schlern 82, H. 10, 2008, S. 24-43

- … praedium quoddam nomine Slanders … (Zur hochmittelalterlichen Siedlungsstruktur des Schlanderser Etschtales). In: Der Schlern 51, 1977, S. 409-419

- Siedlung und Flur in Kortsch. Historisch-geographische Aspekte der Siedlungsentwicklung. In: Tiroler Heimatblätter 61, 1986, S. 44-66

- Dorfbuch Prad am Stilfserjoch, Lana 1997; Loose ist Schriftleiter und Mitautor.

- Siedlung und Bergbau im Suldental. In: Tiroler Heimat 39, 1975, S. 33-41

- Martinuzius von Burgeis und seine Leute. Ein Beitrag zur Geschichte des Bistums Chur im Vintschgau (13./14. Jh.). In: Jahrbuch 1993 der Historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden. Chur 1994, S. 171-195

 

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