Vinschgau - Bei den Bürgermeistern im Tal ist im Laufe der Zeit und nach vielen Diskussionen die Überzeugung gereift, dass die Ortspolizei bei der Bezirksgemeinschaft gut aufgehoben sein kann. Nun hat der Bezirksrat die Voraussetzungen dafür geschaffen.
von Erwin Bernhart
Mit dem Dekret des Landeshauptmannes Arno Kompatscher von Ende Juli dieses Jahres ist der Weg freigeschaufelt worden. Der Bezirksgemeinschaft Vinschgau wird es damit ermöglicht, den Stellenplan für einen Polzeidienst zu schaffen.
Der Bezirksrat, also die Versammlung aller Bürgermeister plus drei Vertreter der größeren Gemeinden Schlanders, Mals und Latsch, hat am 9. November beschlossen, den Stellenplan in der Bezirksgemeinschaft Vinschgau um 19,5 Stellen aufzustocken. Ziel ist es, den Ortspolizisten die Möglichkeit zu eröffnen, ihren Arbeitgeber wechseln zu können. Die Ortspolizisten sind derzeit von den jeweiligen Gemeinden angestellt. Ab sofort obliegt es den Gemeinden und auch den einzelnen Ortspolizist:innen, ob sie einem Wechsel zur Bezirksgemeinschaft zustimmen.
Der Kommandant Christian Carli, angestellt in der Gemeinde Schlanders und Koordinator des Polizeidienstes im Vinschgau, wird seinen Arbeitgeber nicht wechseln. Denn die 8. Funktionsebene in einer Gemeinde ist anders bewertet als die 8. Funktionsebene in der Bezirksgemeinschaft. Carli, wenn er denn zur 8. Funktionsebene in die Bezirksgemeinschaft wechseln wollte, hat schlicht die Voraussetzungen dafür nicht.
Die Bezirksgemeinschaft hat bereits vor mehr als einem Jahr bei der Landesregierung angesucht, eine Stelle als Funktionär der Gemeindepolizei (Berufsbild N. 76, 8. FE) schaffen zu können, um Christian Carli den Übertritt von der Gemeinde Schlanders in die Bezirksgemeinschaft zu ermöglichen. Carli wäre so seine eigene Vorhut gewesen. Begründet wurde das Ansinnen so: „Im Jahr 2022 wurde zwischen den Gemeinden Graun, Mals, Glurns, Taufers i. M., Schluderns, Prad, Stilfs, Laas, Schlanders, Martell, Latsch, Kastelbell-Tschars, Schnals, Naturns und Plaus eine Vereinbarung betreffend den Ortspolizeidienst auf deren Gemeindegebiet abgeschlossen. Diese sieht die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle bei der Bezirksgemeinschaft Vinschgau vor, die sämtliche Ortspolizisten begleitet, beratet, für einheitliche Vorgangsweisen sorgt und die Fortbildung vorbereitet und organisiert. Für die Koordinierungsstelle ist die Anstellung eines Funktionärs der Gemeindepolizei vorgesehen. Im Konzept für die Weiterentwicklung des Ortspolizeidienstes Vinschgau sind im Detail die Aufgaben dieser Koordinierungsstelle beschrieben.“
Die Landesregierung lehnte ab: „Die Landesregierung hat bereits mit Entscheidung vom 12.01.2021 erklärt, dass die Behandlung der Anträge um Stellenplanänderung, betreffend die Aufstockungen im Verwaltungsbereich, ausgesetzt werden, bis die Bezirksgemeinschaften einen Vorschlag für die Definition von Personalstandards vorlegen. Die gegenständliche Stellenplanänderung, welche einzig die Schaffung einer Stelle als Funktionär der Gemeindepolizei beinhaltet, muss somit abgelehnt werden.“
Dabei war es Christian Carli, der mit seinem mehrstufigen Konzept die Ortspolizei als Koordinator auf ein professionelles Level gebracht, auf einheitliche Vorgangsweise getrimmt und letztlich als Corps in großen Teilen zusammengeschweißt hat. Die letzte Stufe des Konzepts ist es, den Polizeidienst bei der Bezirksgemeinschaft als „Bezirkspolizei“ anzusiedeln. Dies wäre eine Premiere in Südtirol, eine weitere Stufe einer übergemeindlichen Zusammenarbeit und mit entsprechenden Dotationen versehen. Die Gemeinden ohne eigenen Ortspolizisten, die sich bisher mit Vereinbarungen mit anderen Gemeinden den Polizeidienst einkaufen müssen, wären im Verbund mit der Bezirksgemeinschaft gut und womöglich besser aufgehoben. Dass die polizistenlosen Gemeinden Glurns und Taufers die Gangrichtung in Richtung Bezirksgemeinschaft ohne Vorbehalte unterstützen, hat auch damit zu tun, dass dort der Schlanderser Generalsekretär Georg Sagmeister als Sekretär amtet.
Im Bezirksrat wurde der Stellenplan für die Schaffung eines Polizeidienstes einstimmig genehmigt. In den Wortmeldungen war noch ein kleiner Nachhall jener Skepsis zu vernehmen, mit der im Sommer 2021 das Ansinnen der Gemeinde Schlanders begegnet worden war, den Kommandanten Christian Carli auf 6 Monate befristet anzustellen und mit einer Konzeptentwicklung im Bereich des übergemeindlichen Polizeidienstes zu beauftragen. In den Diskussionen in den Bürgermeisterrunden ging es laut und heftig zu und die Bürgermeister von Latsch Mauro Dalla Barba und von Mals Josef Thurner scheuten sich nicht, ihre Bedenken und Kritiken öffentlich zu äußern. Auch der Vinschgerwind hat die Meinungen abgewogen, Befindlichkeiten gesammelt und mit der Titelgeschichte „Wie Schlanders vorprescht“ die Frage gestellt „Haben wir ein Sicherheitsproblem?“
Die Zeiten haben sich geändert, die Koordinaten verschoben. Der Malser BM Josef Thurner hat damals gesagt, dass ein Gemeindepolizist grundsätzlich für die Gemeinde da sei, in der er angestellt ist und dass die Gemeinde ja schließlich den Gemeindepolizisten bezahle. Dann haben die zwei Gemeindepolizisten der Gemeinde Mals gekündigt und sind nach Schlanders abgewandert.
Der Latscher BM Mauro Dalla Barba war vor zwei Jahren in seiner Wortwahl im eigenen Gemeinderat überbordend. In Richtung des Ortspolizei-Koordinators Carli sagte Dalla Barba, dass er zur Brückenkapelle in Latsch knieend gehe, sicher nicht nach Schlanders.
Die Töne im Bezirksrat am 9. November hingegen waren versöhnlicher bis hin zur Stummheit. So meldete sich der Malser BM Josef Thurner überhaupt nicht zu Wort, während der Latscher Mauro Dalla Barba zugab, dass die Skepsis im Laufe der Zeit immer mehr verflaut sei. Die Position der Gemeinde Latsch sei die, dass die Ortspolizei-Zusammenarbeit im Bezirk gut funktioniere, die Latscher Dorfpolizistin Tanja Plörer sich in dieser Zusammenarbeit gut aufgehoben fühlte. Bei der Genehmigung des Stellenplanes handle es sich um eine Kann-Genehmigung und um keine Muss-Genehmigung, sagte Dalla Barba und kündigte an, dass das Personal bei der Gemeinde Latsch bleiben solle.
In den Bürgermeisterrunden sei in den letzten zwei Jahren intensiv diskutiert worden, schickte der Bezirkspräsident Dieter Pinggera seine Erläuterungen zum Beschluss voraus. Vor zwei Jahren sei man mit der Konzepterstellung gestartet und die letzte Stufe sei nun, dass aus den 6 bis 7 Dorfpolizeistandorten ein einziger Arbeitgeber werden solle. In den Bürgermeisterrunden sei einhellig die Meinung vertreten worden, dass die Bezirksgemeinschaft die Voraussetzungen dafür schaffen solle. Dann liege die Entscheidung bei den Gemeinden selbst und einem Wechsel müsse jeder einzelne Dorfpolizist zustimmen.
Der Latscher Gemeinderat Joachim Weiss wollte wissen, ob denn die Kompetenzen über die Ortspolizei weiterhin beim Bürgermeister liegen würden, auch wenn der künftige Arbeitgeber die Bezirksgemeinschaft sein sollte. Operativ ändere sich nichts, gab Pinggera zur Antwort. Die Hoheit bleibe bei den Bürgermeistern in ihren jeweiligen Hoheitsgebieten. Auch blieben die dezentralen Arbeitsstellen bestehen. „Die Dorfpolizisten müssen nicht nach Schlanders kommen“, sagte Pinggera.
Es sei im Herbst allerdings so gewesen, legte Weiss nach, dass im Obervinschgau von den Dorfpolizisten Traktoren kontrolliert worden seien. „Wenn der jeweilige Bürgermeister sagt, dass die Ortspolizisten mit Vernunft vorgehen sollen, dann tun sie das auch“, sagte Weiss. Er habe aber die Befürchtung, dass eben nicht mehr mit Vernunft vorgegangen werde.
Der Kastelbeller BM Gustav Tappeiner widersprach. Es habe auch in der Gemeinde Kastelbell Kontrollen bei Traktoren gegeben. Da sei einer sogar ohne Nummernschild unterwegs gewesen. Die Bauern müssten sich halt auch an die Verkehrsregeln halten. Er habe nur positive Erfahrungen mit diesen Kontrollen gemacht. Tappeiner sagte auch: „Es braucht eine bestimmte Übergangsphase. Neuanstellungen im Polizeidienst sollten ab sofort über die Bezirksgemeinschaft erfolgen. Jedem Bürgermeister bleibt die Kompetenz und die Hoheit, eigene Prioritäten zu setzen. Es wird aber jede Gemeinde in die Pflicht genommen und die Kosten für den Polizeidienst müssen aufgeteilt werden.“ Auf die derzeitige Regelung wies Pinggera hin. Bei den Vereinbarungen gelte der Finanzierungsschlüssel, dass 30 % über eine Pro-Kopf-Quote und 70 % über effektiv geleistete Stunden abgerechnet werden. „Dieses System funktioniert.“
Die Stimmung im Bezirksrat war dann soweit, dass die augenzwinkernde Bemerkung von Dieter Pinggera „Aus der Skepsis ist beinahe schon Euphorie geworden“ unwidersprochen blieb.
Der Beschluss für die Stellenaufstockung fiel einstimmig, ebenso der Beschluss über die Einrichtung einer neuen Abteilung „Ortspolizei“ als strukturelle Folgemaßnahme.
Der Ball liegt jetzt bei den Gemeinden und bei den Ortspolizisten selbst, ob sie das Angebot der Bezirksgemeinschaft annehmen und daraus eine Bezirkspolizei formen wollen.