Vinschgau/Algund - Es geht los. Seit einem Monat wird sichtbar an der Elektrifizierung der Vinschgerbahn gearbeitet. Erste Masten stehen bereits in Algund. Im Laufe der nächsten Monate sollen 1500 Masten entlang der Bahnstrecke stehen. Ende 2024 könnten die neuen Züge probefahren.
von Erwin Bernhart
Gerammt, gerüttelt, geschüttelt: Es vibriert entlang der Bahnstrecke. Good vibrations für die Vinschgerbahn. Die Arbeiten für die Elektrifizierung der Vinschgerbahn werden sichtbar, hörbar, spürbar. „Ich bin froh, dass es losgeht, jetzt sieht man was“, sagt ein sichtlich erleichterter Direktor der Südtiroler Transportstrukturen AG (STA) Joachim Dejaco.
Seit einem Monat werden die Masten gesetzt. Sechs Meter lange, hohle Metallrohre werden in den Boden gerammt und gerüttelt, soweit, dass nur noch der Ansatz an der Oberfläche sichtbar bleibt. Die Rohre bilden das Fundament, auf dem dann die Masten aufgeschraubt werden können. An der Rohroberkante sind bereits vorgefertigte Elemente für die Verschraubung der verzinkten Masten angeschweißt. An den Masten werden dann die Ausleger, die Querarme oben, befestigt, die die Stromleitungen tragen werden.
„Jetzt sieht man was“
„Das Einrammen der Fundamentrohre“, so sagt Dejaco, „ist der aufwändigste Teil der Arbeiten.“ Der Transport der Rohre und das Einrammen erfolgt von speziellen Maschinen auf den Gleisen - mit Greifarm und Rammvorrichtung.
Die Baufirmen G.C.F. Generale Costruzioni Ferroviarie und INEO Scle Ferroviarie, internationale und renommierte Spezialisten im Bereich des Eisenbahnbaus und auf vielen Bahnstrecken in Europa und vor allem in England tätig, beginnen auf der Vinschger Bahnstrecke warmzulaufen. Derzeit werden pro Tag 7 Rohrfundamente gesetzt, es sollen 10 pro Tag werden, und damit 300 bis 400 Meter Gleisstrecke pro Tag. Denn alle 40 Meter soll ein Mast errichtet werden.
1500 solcher Fundamente samt Masten werden es am Ende sein, die die Bahnstrecke zwischen Mals und Meran säumen werden. Ein gewaltiges Vorhaben, welches von den Vinschgern lang gefordert und herbeigesehnt, längst politisch abgesegnet und vom Bahnbetreiber STA in aufwändiger Büroarbeit vorbereitet worden ist.
Ab Oktober wieder direkt nach Meran
Die Strecke Meran-Töll ist derzeit zuglos. Weil der Josefstunnel noch Baustelle und damit nicht befahrbar ist, ist die zuglose Strecke für die Baustelle so etwas wie die Gunst der Stunde. Dort kann ungestört gearbeitet werden. Was der Baustelle Gunst der Stunde ist den Vinschger Bahnbenutzern seit Monaten ein Ärgernis und mit der Frage verbunden, wann denn der Zug wieder bis nach Meran durchfahren wird können.
Joachim Dejaco sagt dazu, dass es nach den unvorhersehbaren Schwierigkeiten mit der Firma Emaprice derzeit an der Baustelle zügig weitergehe und dass eine Inbetriebnahme der Strecke Töll-Meran im kommenden Oktober möglich sein wird.
Auch auf der Töll beim Onkl Taa sind bereits neue Fundamente gesetzt worden. Es habe anständig vibriert und Teller und Vasen hätten getanzt, habe der Onkl Taa gesagt.
Damit die Arbeiten entlang der Bahnstrecke im Vinschgau ungestört gemacht werden können, musste in langen Vorbereitungen der Zugfahrplan abgeändert werden. Mit den politischen Vertretern, mit Vereinen und Verbänden, mit den Tourismusorganisationen im Tal wurde vereinbart, dass während der Bauphase die Züge an den Wochenenden ruhen werden. Unter der Woche wird demnach nachts und an den Wochenenden voll gearbeitet (sh. Tabelle). Ausnahmen gibt es zu „Ferragosto“ - da arbeitet Italien und also auch die G.C.F. Generale Costruzioni Ferroviarie nicht. Zugute kommen wird diese Pause vor allem den Ritterspielen in Schluderns. Die Züge werden in dieser Zeit und auch um den 8. Dezember zu Mariä Empfängnis planmäßig fahren.
Züge für Ritterspiele
„Es kann passieren“, macht Joachim Dejaco auf eventuelle Schwierigkeiten beim Setzen der Fundamente aufmerksam, „dass man im Boden auf einen Findling, also auf einen Stein stößt.“ Dann werden die Fundamentrohre ordentlich verbeult. Ist der Stein in mehr als 4 Metern Tiefe, dann passt’s und es wird das Rohr abgeschnitten. Ist der Stein mehr an der Oberfläche, dann muss ausgehoben und aufwändig ein Betonfundament gegossen werden. Dieser Fall kann die Bauzeiten verzögern. „Unterirdisch kann man nichts ausschließen“, sagt Dejaco.
Klar ist, wo die Masten auf den jeweiligen Bahnhöfen hinkommen sollen. Architekt Walter Dietl, der bereits die Bahnhofssanierungen betreut hat, hat in einem Projekt genau festgelegt, wo welcher Mast im Bahnhofsareal stehen muss, damit sich die Masten so harmonisch wie möglich in das Bahnhofsbild einfügen.
Auch hat man mit dem Heimatpflegeverband Vinschgau Form und Farbe der Masten abgestimmt: Grün oder Zinksilber? Man hat sich gemeinsam für verzinkte Masten entschieden, weil dies wartungsfreundlicher ist und weil es sich um technische Anlagen handelt, die man durchaus sehen sollte.
Oberleitungen im Herbst 2024
26 Millionen Euro sind für das Errichten der Masten, inklusive Unterwerke und Stromsteuerung vorgesehen. Die Stromeinspeisung in die Oberleitungen von der Primärkabine in Goldrain muss noch errichtet werden und ist in diesem Vertrag enthalten.
Die Oberleitungen werden erst kurz vor den Testfahrten, voraussichtlich im Herbst 2024, angebracht. Das hat einen guten Grund. Man wolle, so Dejaco, dem Kupferdiebstahl vorbeugen. Sind die Leitungen montiert und gleich danach der Strom eingeschaltet, soll nichts mehr geklaut werden können.
Geschüttelt, nicht gerührt
Die STA ist als Betreiber der Vinschgerbahn Bauherr und bei sämtlichen Baubesprechungen ist mindest ein STA-Vertreter mit von der Partie. „Wir sind also der erste Ansprechpartner für die Baufirma und wir beaufsichtigen die Arbeiten“, sagt Dejaco. Als Bauleiter hat man einen externen beauftragt.
Es wird also geschüttelt und nicht gerührt auf der Bahnstrecke Meran-Mals und im ersten Quartal 2024 stehen die 1500 Masten. Daran will man in der STA nicht rütteln. Good Vibrations für die Vinschgerbahn.