„Zwischen den Mühlsteinen der Diktaturen“

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Herbert Raffeiner beim Vortrag über die Option im Josef Maschler Haus in Tschars. Organisiert und eingeladen hat der Bildungsausschuss Kastelbell-Tschars Herbert Raffeiner beim Vortrag über die Option im Josef Maschler Haus in Tschars. Organisiert und eingeladen hat der Bildungsausschuss Kastelbell-Tschars

Tschars - Südtirol war eingeklemmt, die Südtiroler Bevölkerung kam zwischen den Mühlsteinen der Diktaturen. Vom Kaiserreich war nach dem 1. Weltkrieg nur noch eine Schrumpfnation Österreich übrig, in der dazu noch 1934 ein Bürgerkrieg losgebrochen ist. „Von einer Schutzmacht, wie wir sie heute haben, war damals nichts vorhanden“. Herber Raffeiner ließ die kleine Zuhörerschar in die Welt der Diktaturen eintauchen, in die Welt des Faschismus in Italien, der die Südtiroler Bevölkerung mit der Politik der Unterdrückung, dann mit der Politik der Majorisierung traktierte. In Deutschland übernahmen die Nationalsozialisten ab 1933 die politische Agenda, ließen 1935 im Saarland darüber abstimmen, ob das Land und die Bevölkerung zum Deutschen Reich gehören solle. 90,7 % der Abstimmenden waren für das Reich. Es waren die Vorboten, der Vorabend der sogenannten Option für etwas weniger als 200.000 Südtiroler:innen. Aus der „Elimininazione dei tedeschi dall’Alto Adige“ wurde eine „Verfrachtung“. Raffeiner erläuterte, wie und wer über die Köpfe der Südtiroler entschieden hat (Heinrich Himmler, „Reichsführer SS“ und Präfekt Giuseppe Mastromattei) und wer und wie im Land organisiert und mit Stimmungsmache mitgemischt hat (der Völkische Kampfring Südtirols VKS, die AdO, die Arbeitsgemeinschaft der Optanten, die ADERTS, die amtliche deutsche Einwanderungs- und Rückholungsstelle und der Andreas-Hofer-Bund AHB, der sich um Hans Egartner und Friedl Volgger für die Dableiber eingesetzt hat, um nur einige zu nennen). Bis 31. Dezember 1939 müsse optiert und bis 31. Dezember 1942 sollen alle abgewandert sein. Es kam anders, der Krieg, die Unsicherheiten, die Gerüchte, die Zweifel. Trotzdem: der VKS hat an Himmler gemeldet, dass 90,7 % für Deutschland optiert hätten, das italienische Statistikamt sprach von 70 %. „Man weiß es bis heute nicht genau“, sagte Raffeiner. Als gültig anerkannt ist heute die Zahl 86,4 %.
Raffeiner ist im Gemeindearchiv von Kastelbell-Tschars fündig geworden und konnte mit Zahlen und Dokumenten aufwarten: In der Gemeinde Kastelbell-Tschars haben 1125 Familienoberhäupter für Deutschland optiert, das sind 1960 Leute insgesamt. 43 haben für Italien bzw. für das Dableiben optiert. Die Zahlen stellt Raffeiner dem Bildungsausschuss um die Vorsitzende Kathi Doná und die Vize Helga Pircher zur Verfügung. In der Diskussion kamen diverse Episoden zur Sprache und die Anregung von Robert Kaserer, dass man zu hause „a bissl strialn“ und so mögliche Dokumente zu Tage fördern solle. (eb)

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