Dienstag, 19 März 2013 00:00

Die Leute behandeln einen freundlich, solange man selbst freundlich ist

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Islam Shafiqul, 49, Bangladesch

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1990 war ein Jahr, in dem ich viel erlebt habe. Ich kam mit dem Flugzeug nach Rom, um ein Fuball-WM-Spiel live zu sehen. In Rom haben dann viele Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Daraufhin haben sich einige entschieden hierzubleiben. So wie ich.
Ich wohnte dann zwei Jahre in Mailand und suchte Arbeit. Doch vergeblich. Als ich 1992 hörte, dass es in Südtirol leichter wäre, eine Arbeitsstelle zu finden, zog es mich dorthin.

In Bozen kaufte ich mir eine Zeitung und sah, dass das Gasthaus „Schwarzer Adler“ in Naturns einen Zweitkoch suchte. Ich bewarb mich, ohne jemals eine Kochausbildung gemacht zu haben. Und ich bekam den Job. Nur durch Zuschauen lernte ich kochen. Ich war dort ein Jahr lang als zweiter Koch tätig, doch dann bot sich mir eine andere Stelle als Koch im Hotel „Naturnserhof“, in dem ich dann auch meine Wohnung hatte. Am Anfang verständigte ich mich nur mit Händen und Füßen, einiges lernte ich mir selber mit dem Wörterbuch. Doch am besten habe ich Deutsch erst durch den Kontakt mit anderen Leuten gelernt.
Fünf Jahre lang lebte ich alleine hier in Südtirol doch 1998 kam meine Frau aus Bangladesch nach Südtirol. Noch im selben Jahr heirateten wir. Wir zogen gemeinsam in eine andere Wohnung und meine Frau fand eine Arbeit in einem Obstmagazin, in dem sie heute noch arbeitet. Das Glück wich in diesem Jahr nicht von unserer Seite und es wurde uns unsere Tochter Sinthia geschenkt. Ich bin sehr stolz auf meine Tochter, denn sie ist eine gute Schülerin und eine sehr nettes Mädchen mit vielen Freunden. Meine Frau und ich  zogen Sinthia in unserer Muttersprache Bengalisch auf. Doch naürlich spricht sie auch Deutsch, so wie all die anderen Kinder hier. Zudem beherrscht sie die englische, italienische und indische Sprache. Im Schuljahr 2012/2013 wird sie ein Gymnasium in Meran besuchen.
Meine Frau, Sinthia und ich gehören alle dem islamischen Glauben an. Obwohl in Meran eine Moschee ist, gehen wir selten dorthin, um zu beten. Lediglich bei wichtigen Festtagen, wie zum Beispiel zu Beginn des Ramadans, besuchen wir die Moschee. Zuhause beten wir viel, aber nicht immer haben wir Zeit, fünf Mal am Tag zu beten, was für uns auch nicht weiter schlimm ist. Trotzdem ehren wir unsere Religion und es stand nie in Frage, dies aufzugeben, nur weil wir in Südtirol leben. Neben der Religion pflegen wir die Weiterführung der indischen Küche, sowie der bengalischen Sprache, die wir zu Hause sprechen.
Da mir der Kontakt zu meiner Heimat und meiner Kultur immer noch sehr wichtig ist, fahre ich alle ein bis zwei Jahre zurück nach Bangladesch, um meine Familie und meine Freunde zu besuchen. Auch wenn ich meine alte Heimat immer noch sehr schätze, lebe ich sehr gern in Südtirol, da es im Vergleich zu Bangladesch viele Vorteile hat. Meine neue Heimat ist im Vergleich zu Bangladesch sehr offen und es gibt bessere Arbeitsmöglichkeiten, weil hier nicht so viele Menschen leben. Es gibt hier mehr Platz für die Verwirklichung eigener Träume und auch die öffentlichen Gebäude, wie z.B. Krankenhäuser, sind sehr viel hygienischer. doch am meisten bewundert habe ich nach meiner Ankunft hier die hohen Berge und vor allem den Schnee; die weißen Flocken kamen mir vor wie kleine Wunder, als ich sie das erste Mal sah.
Als ich nach Südtirol kam, hatte ich eine gewisse Vorstellung vom Leben hier, da ich schon viele Eindrücke aus dem Fernsehen gewonnen hatte, aber das Ganze live zu erleben, war eine ganz neue Erfahrung. Auch die vielen Bräuche der Südtiroler beobachte ich jedes Jahr mit viel Freude und bewundere, auch wenn ich nicht an allen Festen aktiv teilnehme, die Südtiroler für ihre Kultur. Im Grunde ist der einzige große Vorteil in Bangladesch, den ich gegenüber von Südtirol sehe, dass meiner Meinung nach die alten Menschen hier in Südtirol einfach in die Altersheime abgeschoben werden, sobald sie nicht mehr für sich sorgen können, während man in Bangladesch schon für wenig Geld eine Pflegehilfe für zu Hause engagieren kann.
Ich kann nur sagen, dass ich mein Leben hier in Südtirol sehr genieße, ich habe viele neue Leute kennengelernt und wurde eigentlich auch immer freundlich aufgenommen. Meiner Meinung nach wird man überall akzeptiert, solange man arbeitet und sich ein wenig an die neue Kultur anpasst. Hier in Naturns finde ich mich sehr gut zurecht, denn halb Naturns kennt mich und überall, wo ich hingehe, werde ich immer freundlich begrüßt. Ich glaube, dass man immer freundlich aufgenommen wird, solange man selbst auch freundlich ist. Ein wichtiger Grund, weshalb ich von Mailand nach Südtirol gegangen bin, ist, dass man hier leichter Arbeit findet und das ist mir sehr wichtig, denn ich will arbeiten.
Ob ich jemals wieder nach Bangladesch zurückgehe, weiß ich nicht genau, aber ich weiß, dass, obwohl ich sehr gerne in Südtirol lebe, Bangladesch immer meine Heimat bleiben wird.

Dieses Portrait entstand im Rahmen des Projektes „Zuhause in der Ferne“ im Schuljahr 2011/2012 in der 3B des Sprachengymnasiums Schlanders. Das Projekt begleitete die Fachlehrerin für Deutsch Helga Karner. Der Vinschgerwind bedankt sich bei den Schülerinnen, der Fachlehrerin und den Portraitierten, dass sie uns die Portraits – diese und weitere – zur Verfügung stellen.


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