Nachgedacht im April 2021
Mit Hans Küng ist einer der profiliertesten Theologen der neueren Kirchengeschichte verstorben. 1928 geboren, hat der Priester des Bistums Basel eine beachtliche Karriere als Theologieprofessor hinter sich, wie auch sein langjähriger Kollege, Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI. Hans Küng hat die Dinge beim Namen genannt, gelegen oder ungelegen, wenn auch mitunter polemisch. Es liegt in der Natur der Sache, dass dies zu Schwierigkeiten mit der Obrigkeit führt.
979 wurde ihm auf Betreiben der Deutschen Bischofskonferenz und mit Billigung von Pap
st Johannes Paul II. ohne Vorankündigung die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen. Ein derartiger Akt führt zwangsläufig zur Verhärtung auf beiden Seiten: Der römischen Autorität des Lehramtes stand nun ein Hans Küng gegenüber, der auch gegenüber wohlgemeinter Kritik seitens seiner Kollegen leider zusehends immuner zu werden schien. Die Universität Tübingen dachte nicht im Geringsten daran, diesen hochkarätigen Wissenschaftler zu entlassen: Der Lehrstuhl wurde umgewidmet in „Ökumenische Theologie“. Der Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis wurde nicht zuletzt deshalb ausgesprochen, weil Küng die „Unfehlbarkeit des Papstes“ in Frage stellte. Nun war er nicht der erste, der dies tat, und er wird auch nicht der Letzte sein. Heute, Jahrzehnte später, herrscht auch in der Kirche ein breiter Konsens darüber, dass dieses Dogma, ein Konstrukt des 19. Jahrhunderts unter Papst Pius IX. wohl nicht der Weisheit letzter Schluss war und ist. Wer sich die eigene Unfehlbarkeit verordnet, will vor allem eines: Macht und damit das letzte Wort. Jemandem den Beruf zu verbieten, ist in der Regel der hilflos schlechte Stil einer Diktatur. Berufsverbote für nicht Linientreue gab es zuhauf damals auch in der DDR, einem System, welches die Kirche ja vehement zu bekämpfen versuchte. Es wäre l
ange genug Zeit gewesen, den ersten Schritt zu tun und Hans Küng zu rehabilitieren. Und es wäre eine Frage der Grösse, des Anstandes und des guten Stils gewesen. Wenn man bedenkt, dass Galileo Galilei auch erst Jahrhunderte später, nämlich im Jahre 1992 von der Kirche rehabilitiert wurde, besteht noch Hoffnung. Ohne den Bruch von 1979 und den Verhärtungen auf beiden
Seiten hätte die Geschichte womöglich eine segensreichere Wendung genommen. Wenn sich Menschen aber gegenseitig das Gespräch verweigern, ist dies noch nie
gut gekommen.
Von Don Mario Pinggera