Dienstag, 22 Januar 2013 00:00

Hilfe aus dem Vinschgau kommt an

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 s6_2678Viele von uns haben das Bedürfnis zu helfen, etwas zu spenden, etwas Gutes zu tun. Man hat die Mittel, man kann sich´s leisten. Und doch fällt es schwer. Wofür habe ich nochmal gespendet? Konnte ich auch wirklich jemandem helfen? Wurde ich bloß ausgenutzt? Jeder sollte sich genau informieren, was und wofür er spendet. Finanzielle Hilfe z.B. ist nicht zwangsläufig  für jeden das Richtige. Die Verantwortung darüber sollte der Spender selbst tragen, oder er nimmt die Sache einfach in die Hand…

von Sylvia Ilmer Wieser

Gib dem Menschen einen Fisch, und er isst für einen Tag. Lehre ihm das Fischen, und er isst ein Leben lang.“ Dieses chinesische Sprichwort finde ich in der Broschüre der humanitären Stiftung „Omenia“, welche mir Karl Telser aus Vetzan übergeben hat.

Telser war Mitgründer der Organisation für mittellose Jugendliche in Rumänien und unterstützt diese seit 2005. „Jedes Hilfsprojekt sollte mit der Frage beginnen, ob man es auch im Stande ist, zu Ende zu bringen“, sagt Karl Telser. Arme müssen soweit betreut werden können, dass sie auf eigenen Füßen stehen. Dies verläuft mitunter in einer Zeitspanne zwischen fünf und acht Jahren. Wenn man bedenkt, aus welchen Verhältnissen, sozialer, seelischer und oft auch körperlicher Verwahrlosung die Menschen kommen. In Rumänien zahlt der Staat Sozialhilfe nur bis zum 18. Lebensjahr, danach ist jeder auf sich gestellt. Die Jugendlichen, die die Stiftung „Omenia“ betreut, sind Obdachlose, leben teilweise unter Brücken oder in besetzten Rohbauten, manche verwaist, die anderen ohne jeglichen Kontakt zu ihrer Familie. Mit der Hilfe und dem Mitwirken von vielen Freunden und Spendern aus dem Vinschgau konnte Karl Telser ein Projekt verwirklichen, das einen fundamentalen Grundstein für die Jugendlichen aus Iasi legt: die Hilfe zur Selbsthilfe. Es wurden eine Bäckerei und eine Maurerei gegründet. Dort werden die Jugendlichen nun ausgebildet, können sogar Lehrgänge an Schulen besuchen und haben somit ein finanzielles Standbein im Leben gesichert, denn ausgebildete Arbeiter sind rar in Rumänien. Außerdem arbeiten diese zwei hauseigenen Firmen nach europäischem Standard, auch dies ist ein Vorteil für die Jugendlichen in der rumänischen Arbeitswelt. Einige bleiben auch direkt in der Bäckerei oder der Baufirma angestellt. Weiters wurde ein Gebäude errichtet, von den jungen Maurerlehrlingen selbst, sozusagen mit bloßen Händen und mit den geringen Mitteln der Baufirma. In Zusammenarbeit mit den vielen Vinschger Helfern und Spendern konnte der Bau letztendlich fertiggestellt werden. Es gelang Karl Telser sogar, eine Klasse der Berufsschule Schlanders für zwei Wochen zur Mithilfe mit Lerneffekt nach Rumänien einreisen zu lassen. Alle Fenster stammen vom alten Gebäude der Lebenshilfe in Schlanders, das Haus wurde eigens dafür angepasst und logistische Meisterleistungen wurden vollbracht. Ebenso stammt ein großer Teil der Einrichtung von einem Hotel, das renoviert wurde. Den Balkon zimmerte eine Vinschger Seniorengruppe vor Ort, das Holz dafür spendete ein Sägewerk. „Unterstützt wurden wir unter anderem von den Südtiroler Ärzten für die Dritte Welt mit Dr. Antonio Pizzecco, ohne dem es das Projekt wahrscheinlich nicht mehr gäbe“, sagt Telser. In dem Haus sind nun die Bäckerei und die Baufirma untergebracht, außerdem dient es als Unterkunft für die Jugendlichen. Das Haus bietet nun Platz für 30 Personen, im Alter zwischen 18 und 26 Jahren. Es gibt Mehrbettzimmer mit sanitären Einrichtungen, Küche und Speisesaal für die Verpflegung, alles einfach, aber funktionell. Sie werden medizinisch und psychologisch betreut. Mitarbeiter für soziale Dienste sorgen für die Eingliederung in die Gesellschaft, knüpfen Kontakte mit Familienangehörigen oder versuchen diese zu finden. Rundumbetreuung ist gewährleistet und dies sind die besten Voraussetzungen, den Sprung aus der Armut zu schaffen, welcher oft nicht einfach ist, bedenkt man, dass viele von ihnen kein anderes Leben kennen und wie mir Karl Telser erzählt, auf ihre eigene Weise glücklich, zumindest fröhliche Menschen sind. Sie leben wie Familien unter den Brücken, haben sich eingerichtet und doch fehlt es ihnen an allem, an Essen, an Kleidung, an medizinischer Versorgung und vor allem an einer Zukunftsperspektive. Sie müssen viele Dinge erst lernen, z.B. das Einhalten von Arbeitszeiten, warum überhaupt arbeiten, warum Schule, warum Pünktlichkeit, warum Kommunikationsregeln beachten usw. „Nicht jeder schafft es“, sagt Telser, „nicht jeder will es schaffen, auch dies gehört dazu. Man kann die jungen Leute nicht einsperren, jeder muss lernen, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Aber manchmal kommen sie zurück, das ist für uns ein unbeschreiblicher Moment. Ich habe Glück gehabt, Mittel zur Verfügung zu haben, um helfen zu können“, erklärt Telser am Schluss unseres Gesprächs, „und manchmal werde ich gefragt, warum ich nicht hier helfe, es gibt auch bei uns Arme. Dann sage ich immer, das geht nebenher, denn ich habe schon Vinschger mit nach Rumänien genommen, denen es wohl auch an Perspektive gefehlt hat, und plötzlich konnten sie wieder ganz zufrieden sein mit ihrem Leben“.

s6_0152s6_2782Giuliano, der sein Studium bereits abgeschlossen hat, war auf der Suche nach „Abwechslung“. Mit Karl Telser beschloss er, nach Rumänien, nach Iasi zu gehen, um die Stiftung und die Jugendlichen zu besuchen und dort ein „bisschen mitzuhelfen“. „Junge Leute haben oft einen besseren Draht zu anderen Jugendlichen und oft mehr Einfluss, besonders in heiklen Situationen“, erklärt Karl. Nun ist es für Giuliano schon der zweite Aufenthalt dort und er schickt mir aktuelle Fotos und Berichte. „Mit einem Jungen namens Andrei Rusu habe ich zusammen Brot ausgeliefert, nun helfe ich zwei anderen Jungs auf der Baustelle. Sie haben sich zusammen ein Grundstück gekauft, von dem Geld, das sie in der Stiftung als Lehrlinge verdienten. Die Grundstückspreise in Rumänien sind sehr gering. Nun bauen sie dort zusammen ein Doppelhaus. Sie bauen an ihrer Existenz. Die s6_2101Baufirma hilft ihnen und bildet so wieder ihre Lehrlinge aus. Es ist ein Kreislauf.“ „Ein Mädchen, das sehr lange von der Stiftung betreut wurde und wegen eines Augenleidens operiert und geheilt werden konnte, wollte plötzlich nicht mehr. Eine Weile haben wir sie in Ruhe gelassen, das ist ein wichtiger Prozess, die jungen Leute müssen diese Erfahrung oft machen. Dann haben wir sie wieder gefunden, unter einer Brücke. Sie will den Absprung noch einmal versuchen und sich von der Stiftung helfen lassen, dann wird jeder wieder herzlich aufgenommen“. „Diesmal bin ich hierhergefahren, um ein altes Auto zu liefern, einen 4x4, der hier sehr nützlich sein kann im Winter. Das Auto war vollbeladen mit verschiedenen Spenden aus dem Vinschgau, diese haben wir vor Weihnachten an Familien aus der Umgebung verteilt“. „Die Zeit hier ist für mich eine sehr positive Erfahrung, man hat die Möglichkeit zu erfahren, dass es Menschen gibt, die mit wenig auskommen und mit wenig zufrieden sein können“.


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