Frau Rosamunde Patscheider hat die Geschicke im Altenheim Schluderns jahrzehntelang entscheidend mitgeprägt, als rührige Heimleiterin und später als Präsidentin des „Konsortium-Betriebs Schluderns-Laas“, der die Heime in beiden Orten führt. Nun zieht sie sich ins Privatleben zurück.
von Magdalena Dietl Sapelza
Einsam und verlassen lebten zwölf betagte Menschen im Altenheim von Schluderns, als Rosamunde 1974 als Praktikantin dorthin kam. Um deren notdürftige Betreuung kümmerten sich vier „Barmherzige Schwestern“, die oft überfordert waren. Es fehlte an allem. Im Keller wurden Hühner gehalten. „Di Not hot mi gonz betroffen gmocht, unt s‘ Heim hon i wia a Ghetto empfundn“, erinnert sie sich. Sie verspürte schon damals das Bedürfnis, etwas zu ändern. Doch sie war vorerst dort nur das „Mädchen für alles“. Ein Erlebnis bleibt ihr unvergessen: Sie sollte der Schwester Oswalda helfen, im Keller ein Huhn zu schlachten. Noch nie hatte sie das gemacht, wollte sich aber keine Blöße geben. Sie hackte dem Tier wie befohlen den Kopf ab, erschrak fürchterlich, und schon schoss das blutende Federknäuel durch die Luft. „Insre weißn Schüzen hobm norr liab ausgschaug“, lacht sie.
Rosamunde wuchs auf dem „Telfnerhof“ in Verdings bei ihren Großeltern auf. Denn als Dreijährige hatte sie ihre Mutter verloren und ihr Vater war an der Front. Mit ihren Eltern, die als Optanten ausgewandert waren, hatte Rosamunde zuvor in Ischgl gelebt. Nachdem ihr Vater später als Polizist in Nauders stationiert wurde, heiratete er seine zweite Frau und holte die inzwischen 11-jährige Tochter zu sich ins „Fuhrmannsloch“. Es war der 15. August 1952 als Rosamunde ankam, genau an dem Tag, an dem ihr Bruder geboren wurde. Ihre Verunsicherung war groß. Alles war ihr fremd und sie wollte nach Verdings zurückwandern. Sie ging ein Stück in den Wald, gab dann aber auf. „I hon Ongst kriag, weil i in Weg nit gwisst hon. Sie fügte sich, besuchte die Volksschule und dann die Hotelfachschule in Innsbruck. Ihre Eltern hatten inzwischen den Gasthof „Dreiländerblick“, am Reschenpass gebaut. Das Winter-Praktikum führte sie nach St. Moritz. Erstaunt war sie, dass man ihr dort wöchentlich einen freien Tag zugestand. „Sel isch himmlisch gwesn“, schwärmt sie. Noch heute denkt sie daran, wie sie auf der Piste sitzend fasziniert den Skifahrern zuschaute. Und vor dem „Palace Hotel“ versuchte sie einen Blick auf Elvis Presley zu erhaschen. Schon bald kehrte sie in den elterlichen Gasthof zurück. Dort lernt sie den Maurer Luis Patscheider (Jg. 1934) aus Langtaufers kennen. Das Paar heiratete 1961 und bezog eine Wohnung in Schluderns. „Noch Longtaufers hon i nit gean gwellt“, verrät sie. Sie schenkte drei Kindern das Leben, war Mutter und Hausfrau. „S Gelt isch olm knopp gwesn, ober i möcht dia Zeit nit missn“ sagt sie. Luis ging seinem Beruf nach und investierte viel Zeit in den Bau des Eigenheims, das die Familie 1993 bezog. Als die Kinder aus dem Gröbsten waren, schaute sich Rosamunde nach einer Arbeitsmöglichkeit um. Bei einer Sprechstunde fragte sie die damalige Landesrätin Waltraud Gebert Deeg, ob etwas mit Kindern möglich wäre. Diese meinte, dass sie mit ihren 33 Jahre dafür schon zu alt sei und riet ihr, den einjährigen Altenpflegekurs in Bozen zu besuchen, der einmal wöchentlich in italienischer Sprache abgehalten wurde. Rosamunde ließ sich überzeugen. Italienisch stellte für sie kein Hindernis dar. Das Praktikum führte sie dann ins Schludernser Altenheim, wo sie später auch angestellt wurde. Neues Personal ersetzte dort nach und nach die Ordensfrauen und das Heim wurde saniert. 1980 übernahm Rosamunde die Heimleitung. Fortan bemühte sie sich, den Menschen ein Altern in Würde zu ermöglichen und war dankbar, dass nun auch finanzielle Mittel bereitstanden. Sie öffnete das Haus, verbesserte die Betreuung und forcierte einen weiteren Umbau. Sie sprang ein, wenn Not am Mann war, übernahm Krankentransporte und hielt Sterbenden stundenlang die Hand. Sie liebte ihren Beruf. Dieser füllte sie aus. „Der Gebert Deeg muaß i heint nou fürn Tipp donkbor sein“, meint sie.
2001 ging Rosamunde in Pension. Ihren Ausgleich fand sie bei Bergwanderungen und bei Reisen mit Kolleginnen, die sie einst in der Altenpflegeschule kennengelernt hatte. Diese stützten sie auch nach dem Tod ihres Mannes 2002. Die Verantwortung als Präsidentin der Heime übernahm sie 2003.
Nach den Gemeinderatswahl 2020 endet ihre Amtszeit. Den Menschen in den Heimen wird sie auch weiterhin verbunden bleiben. Es bedrückt sie, dass es in der derzeitige Coronakrise nicht mehr möglich ist, ihnen so nahe zu sein wie vorher. Doch sie meint: „Einsam sein di Leit im Heim heint trotzdem nit. Viele ondere drhoam sein oft viel einsamer.“