Anita Pichler hat sich dem Tierschutz verschrieben und ist der festen Überzeugung, dass Tierschutz und Umweltschutz eng zusammen gehören. Sie sieht ihre Aufgabe darin, zu sensibilisieren und vorzuleben. Seit 2015 ist sie Vorsitzende des Tierschutzvereins Vinschgau.
von Magdalena Dietl Sapelza
Zu Tieren fühlt sich Anita von klein auf hingezogen. Sie fütterte die Kätzchen auf „Kreischtegg“ und begleitete ihren Nachbarn zur Stallarbeit. Während der Feldarbeit auf dem Hof ihres Opas beobachtete sie Schmetterlingen, Käfer und Blumen. Überglücklich war sie, als sie selbst zwei Kätzchen geschenkt bekam. Doch nachdem ein Kätzchen bereits in der ersten Nacht Opfer eines Marders geworden und das zweite nicht mehr auffindbar war, kullerten ihre Tränen. Diese trockneten erst, als das zweite Kätzchen wieder auftauchte. Ihr Vater war Lastwagenfahrer und Hausmetzger für Verwandte. Einmal war sie bei einer Schlachtung dabei. „Das war ein Schock und hat mir sehr weh getan. Ich konnte damit nicht umgehen. Und das begleitet mich bis heute“, erklärt sie.
Nach der Pflichtschule besuchte Anita das Realgymnasium in Schlanders. Nach zwei Jahren brach sie ab und lernte Verkäuferin. Eine Stelle in einer Metzgerei musste sie aufgeben, weil sie immer die Tiere vor sich sah. Gerne nahm sie daraufhin die Stelle in der Latscher Altersheimküche an. Sie begann die Ausbildung als Altenpflegerin und Familienhelferin. „Endlich wusste ich, was für mich richtig ist“, meint sie. Nach einiger Zeit im Altersheim von Naturns wechselte sie in den Bereich Hauspflege. Berufsbegleitend absolvierte sie eine Ausbildung als Freizeitgestalterin. Heute betreut sie ihre Mutter, die nach einem Schlaganfall pflegebedürftig ist.
Privat fand Anita ihr Glück mit Thomas Rinner. „Er ist meine große Liebe seit ich 15 Jahre alt war“. Sie wohnt nun mit ihm und den beiden Kindern in Latsch. Ihre Familie steht hinter ihrem Einsatz für den Tierschutz. Ihr Mitgefühl für kranke und verwahrloste Kätzchen führte Anita zum Verein „Südtiroler Tierfreunde“ und zu Tierärztinnen, die für Kastrationen der Katzenmütter sorgten. „Ich konnte nicht mit anschauen, wie elend viele Katzen lebten, die sich ungehindert vermehrten“, sagt Anita. 2007 begann sie mit dem Aufbau der Sektion Vinschgau und gründete 2015 den „Tierschutzverein Vinschgau“. Sie und ihr Team kümmern sich hauptsächlich um Katzenkolonien und um Kastration. Immer wieder nimmt Anita kranke Kätzchen bei sich auf oder solche, die niemand mehr haben will und versucht sie zu vermitteln. Wenn Tiere nicht mehr zu retten sind, gilt für sie: „Tier-Leid zu beenden, ist auch Tierschutz“.
Anita geht es längst nicht nur um Kätzchen, sondern um den Umgang der Menschen mit den Tieren generell. Es geht ihr um Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung der Konsumenten. „Diese haben den Bezug zu den Tieren deren Fleisch sie essen größtenteils verloren. Für ein Kilogramm Vollkornbrot geben sie bis zu fünf Euro aus, kaufen aber Hühnerschenkel für unter drei Euro. Die Konsumenten blenden aus, wie armselig das Huhn gehalten werden muss, damit seine Schenkel so billig verkauft werden können“, erklärt sie. „Und ein Huhn hat nicht nur Schenkel, genauso wie ein Schwein, ein Rind... nicht nur Filets hat.“ Anita möchte Initiativen ergreifen, um die Menschen zurückzubringen wo sie einmal waren, als noch alle Teile eines Tieres verwendet wurden. Und sie regt an, die kleinen Kreisläufe zu nutzen. „Mir schwirren so viele Gedanken im Kopf herum. Es treibt mich an, eine Initiative zu starten, ich weiß nur noch nicht wie“, meint sie. „Was den Tieren bei Transporten angetan wird, ist den Konsumenten kaum bewusst. Ein Irrsinn ist, dass unsere Kälber durch ganz Europa und in die Türkei gekarrt werden und wir billiges Kalbfleisch aus Argentinien kaufen. Das umzudrehen ist nicht nur Tierschutz sondern auch Umweltschutz. Es braucht ein Umdenken.“ Anita ist Vegetarierin, doch sie respektiert auch jene, die es nicht sind. „Ich versuche zu sensibilisieren, vorzuleben und freue mich, wenn ich Spuren hinterlasse. Jeder für sich kann im Kleinen etwas bewirken. Wenn ich nur einen oder zwei Menschen überzeugen kann, habe ich schon viel erreicht“, sagt sie.
Regelmäßig ist Anita in Schulen zu Gast, spricht über Schmetterlinge, Bienen, Käfer, zeigt Naturbilder, die sie als Hobbyfotografin macht. Sie lässt die Kinder bei Rollenspielen nachempfinden, wie sich das Kaninchen in einem engen Käfig fühlt. Sie spricht mit Tierhaltern und freut sich, wenn sie etwas bewirken kann. So hat ein Bauer, mit dem sie öfters über Schweine und deren Haltung diskutiert hat, seinen Schweinestall umgestaltet. Mit einer Abstufung aus Holz hat er einen trockenen Ruheplatz für die Tiere geschaffen.
Wie Tiere leben, wenn sie genügend Platz haben, beobachtet Anita täglich in ihrem kleinen Gehege auf „Ramini“, einem Stück Grund, das sie geerbt hat. Dort leben Katzen, Kaninchen, Schafe, Ziegen, Hühner... Viele der Tiere hat sie aus misslichen Situationen gerettet und gibt ihnen das Gnadenbrot. „Wir Menschen müssen uns fragen, wo sind wir hingekommen? Wann hören wir auf, Tiere und Natur zu vergewaltigen?“, sagt Anita. „Vielleicht bringt gerade die augenblicklich schwierige Zeit ein Umdenken.“