Zum Nachdenken - von Pater Urs Maria Stadelmann - Nun sitze ich in meiner Mönchszelle und versuche die gewünschten Zeilen über das bevorstehende Weihnachtsfest niederzuschreiben. Schreiben kann herausfordernd sein. Vielleicht gehört es darum auch zum klösterlichen Leben dazu? Kaum von ungefähr schreibt der hl. Benedikt von Nursia (+547) in seiner Regel, dass der Abt seinen Mönchen alles Notwendige geben soll, wozu eben auch der Schreibgriffel gehörte (vgl. Benediktsregel 55,19). Der Wandel der Zeit ging jedoch auch an den Klöstern nicht spurlos vorbei und der Griffel wurde wohl oder übel durch den Computer ersetzt. Also definitiv nichts mehr mit dem Schreiben auf Wachstafeln im romantischen Kerzenlicht - sogar im Kloster. Die guten alten Zeiten sind vorbei und wir gehen in rasantem Tempo auf eine unbestimmte Zukunft zu. Da könnte man es geradezu mit der Furcht zu tun bekommen. Wer kennt es nicht, dieses unangenehme Gefühl im Bauch, wenn man ins Ungewisse blicken muss? Ähnliches hat bereits Maria vor gut 2000 Jahren erfahren, als ihr der Erzengel Gabriel erschien und ihr einen Sohn verheißen hatte. Diese Botschaft war so ungeheuer für die Jungfrau Maria, dass sie selber erschrak. „Fürchte dich nicht“, waren die Worte des Erzengels auf ihren Schreck. Die Furcht war anscheinend auch im Leben Mariens präsent. Ob Maria auch Angst verspürte?
Zumindest vielen Eltern dürfte die Angst um ihre Kinder bekannt sein. Auch dazu gibt es eine passende Erzählung in der Heiligen Schrift.
Als Josef und Maria vom alljährlichen Paschafest in Jerusalem wiederum nach Nazareth reisten, bemerkten sie nach einer Tagesreise, dass der zwölfjährige Jesus sich nicht wie angenommen unter den Verwandten und Bekannten befand. Jesus blieb nämlich ganz unbemerkt im Tempel zurück und wurde erst nach drei Tagen wiedergefunden. „Kind, warum hast du uns das angetan? Dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht.“ (Lk 2,48). War das nun Furcht, Angst oder schlicht ein Ausdruck elterlicher Fürsorge? Dies mag nach einer eher müßigen Frage klingen doch scheint es mir beachtenswert, dass in der Weihnachtserzählung öfters von Furcht die Rede ist, doch niemals von Angst. Auch die Hirten auf dem Feld sollten sich nicht fürchten (vgl. Lk 2,10). Doch was meint nun Angst?
Ein Beispiel von Angst wird uns ebenfalls im Lukasevangelium geschildert, in der Erzählung von den Knechten, denen ihr Herr eine ansehnliche Summe anvertraute, mit der sie in seiner Abwesenheit wirtschaften sollten (vgl. Lk 19,11ff). Tatsächlich tat dies auch der Großteil der Knechte mit großem Erfolg. Nur von einem Knecht heißt es, er habe das Geld in einem Schweißtuch verwahrt und in der Erde vergraben. Der Grund war: Er hatte Angst vor seinem strengen Herrn. Mit der Vorgehensweise dieses Knechtes war der Herr jedoch ganz und gar nicht zufrieden. Auch er hätte Handel betreiben oder das Geld zumindest auf der Bank anlegen sollen. Doch er tat es nicht, weil er eben Angst hatte. Die Angst hat daher etwas Lähmendes an sich, sie hindert den Menschen, Initiativen zu ergreifen und lässt ihn manchmal sogar Wesentliches im Leben verpassen.
Bei der Furcht hingegen, die uns in der Weihnachtserzählung im Zusammenhang mit Maria und den Hirten begegnet, verhält es sich nicht so. Es trat keine Lähmung ein, sondern es tat sich eine ganz neue Wirklichkeit auf, auch wenn diese für Maria und die Hirten im ersten Augenblick noch nicht fassbar erschien. Die Furcht ist konstruktiv und öffnet die Zukunft, die Angst hingegen hemmt und hat stets etwas Bedrohliches an sich. Bestimmt hatte der hl. Petrus Angst, als er auf dem Wasser Jesus entgegengehen wollte und dann zu sinken drohte. „Er schrie: Herr, rette mich!“ (Mt 14,30). Konnte Petrus denn nicht schwimmen? Ganz im Gegenteil, er war Fischer von Beruf und es war Petrus, der dem Auferstandenen ans Ufer vom See von Tiberias entgegen geschwommen ist (vgl. Joh 21). Die Angst bringt somit noch eine Eigenschaft mit sich: Sie raubt die Hoffnung, neigt zur Extreme und gaukelt dem Menschen gerne vor, er befinde sich in einer existenziell aussichtslosen Situation.
Aussichtslos war die Situation hingegen vor der Menschwerdung Gottes. Gerade Gott ist es, der dem verlorenen Menschen entgegengekommen ist, um ihm die Fülle der Lebensfreude zu schenken (vgl. Joh 17,13). Die weihnachtliche Zeit bietet dem Menschen somit alljährlich die Gelegenheit, über das tiefe Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung nachzudenken. Dies darf durchaus mit einer gewissen (Ehr-)Furcht geschehen. Unpassend ist nur eines: Die Angst. Denn das Licht ist gekommen, um die Finsternis zu vertreiben (vgl. Joh 1,5). Dies sollten wir niemals vergessen, nicht einmal in unseren tiefsten Ängsten und Nöten. Denn es ist letztendlich die vollkommene Liebe, welche die Ängste vertreibt (vgl. 1 Joh 4,18). Und diese Liebe Gottes kam zu uns verborgen und unscheinbar im Jesuskind.