Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Pankratius, dem Ersten Eisheiligen, 12. Mai 2019
In der Fußgängerzone von Schlanders wird derzeit nach Plänen von Dr. Arch. Stefan Marx am neuen Informationszentrum „avimundus“ gebaut. Die neue Struktur wird größere Ausstellungsflächen als die derzeitige in der Kapuzinergasse für eine interessante und attraktive Präsentation der Vogelkunde bieten. Das neue Nationalparkhaus soll für die Wander- und Beobachtungssaison im nächsten Frühjahr 2020 zugänglich sein. Am Regiebuch für das Einrichtungs- und Ausstellungskonzept wird derzeit gearbeitet.
Im heutigen Beitrag möchte ich als Einstimmung vier Vogelarten vorstellen: zwei Kulturfolger und zwei in ihrem Bestand abnehmende Arten, weil sie mit den Veränderungen ihrer Lebensräume nicht mehr zurechtkommen.
Der Turmfalk (Falco tinnunculus)
Nach dem Mäusebussard ist der Turmfalk der zweithäufigste Taggreifvogel. Er ist kleiner und schlanker als die Krähen. Wie der Sperber hat er einen langen Schwanz, doch längere, nicht so stark gerundete Flügel. Adulte Weibchen und Männchen sind an ihren Federmorphen unterscheidbar: Beim Männchen sind der Oberkopf, der Hinterrücken und der Schwanz grau, beim Weibchen braun. In den Alpen hat der Turmfalk eine große Höhenamplitude, er bewohnt die Tieflagen ebenso wie die Felsen weit oberhalb der Baumgrenze. Der Turmfalk ist ein Zugvogel und Teilzieher, der in allen Teilen Mitteleuropas auch überwintert. In der Wahl seines Lebensraumes ist der Turmfalk sehr anpassungsfähig. Falken bauen kein eigenes Nest. Die Eier werden in Mauerlöchern, Felsspalten, Felshöhlen, aber auch in ehemaligen Krähen- und Elsternestern abgelegt. Die Stadtfalken am Wiener Stephansdom haben es als Filmstars in die „Universum“-Serie der Dokumentarfilme des österreichischen Fernsehens geschafft. In den letzten Jahren hat ein Turmfalken-Pärchen auch am Turm der Schlanderser Pfarrkirche regelmäßig gebrütet und im Sommer war der Bettelruf der noch nicht flüggen Jungvögel vom Turmgesims unüberhörbar und eine akkustisch prägende Stimme der Natur im Dorfzentrum.
Turmfalken kann man im offenen Gelände leicht bei der Jagd beobachten. Dabei haben Turmfalken verschiedene Jagdstrategien. Am häufigsten ist der Suchflug, bei dem der Falk auch das allseits bekannte Rütteln einsetzt. Das Auge des Turmfalken sieht im Ultraviolettlicht-Bereich. Mäuse gehören zum Hauptbeutespektrum der Turmfalken. Der Mäuseurin reflektiert das UV-Licht. Und der Turmfalk kann mausreiche Wiesen ob der Lichtreflexion des Mäuseurins schon aus der Luft erkennen und gezielt ansteuern. Neben dem Suchflug setzt der Turmfalk auch die Luftjagd (etwa auf Stadttauben) und die Ansitzjagd ein. Im Winter wechselt der Turmfalk von der Flugjagd zur Ansitzjagd. Experimente lassen vermuten, dass die Flugjagd etwa viermal so viel Energie beansprucht, wie die Jagd aus dem Ansitz. Der Wechsel der Jagdweise zwischen Sommer und Winter erklärt sich also aus der Verringerung des Energieaufwandes für den Beuteerwerb.
Die Elster (Pica pica)
Die Elster ist ein Jahresvogel aus der Familie der Krähenverwandten (Corvidae). Sie ist ein Brüter der offenen Landschaft mit Baumgehölzen und Hecken. Neben der Schwarz-Weiß-Zeichnung ihres Gefieders, das an den Flügeldecken blaugrün schillert, ist der überlange, gestufte Schwanz auffällig. Der Flug der Elster ist geradlinig, flatternd, häufig mit kurzen Gleitphasen. Die Elster hat es als Kulturfolger in unsere Siedlungsbereiche geschafft und baut inzwischen auch in unseren Park- und Zierbäumen ihr großes, überdachtes Reisignest. Oft kann man sie auf Rasenflächen im ruckartigen Schreitschritt bei der Nahrungssuche beobachten. Neben Bodenwürmern und Insekten nimmt sie auch Speisereste an. Sie frisst aber auch Vogeleier und Jungvögel von Singvogelarten und gilt als opportunistischer Nesträuber. Die „diebische Elster“, die Schmuck und schillernde Gegenstände stiehlt und in ihr Nest verschleppt, erfreut sich eines fast sprichwörtlichen Bekanntheitsgrades, ist aber eine falsche Legendenbildung.
Der Wendehals (Jynx torquilla)
Der Wendehals ist eine Vogelart, deren Bestand stark schwindet, weil die Art mit den Lebensraumveränderungen in den intensivierten Obstwiesen nicht mehr zurechtkommt. Der Wendehals ist ein Höhlenbrüter, der sich vor allem von Ameisen ernährt. Die vormaligen Streuobstwiesen mit den alten Hochstammbäumen in weiten Pflanzabständen und ausfaulenden Ast- und Stammlöchern als Nisthöhlen waren der bevorzugte Lebensraum des Wendehalses. Er ist ein Zugvogel, der sich bei uns zwischen Mai und September aufhält. Jetzt, wenige Tage und Wochen nach seiner Rückkehr aus Afrika sind die Gesangsstrophen der Männchen unverkennbar, wenn man sie sich einmal eingeprägt hat. Mit diesem Balzgesang versucht das Männchen ein Weibchen in sein Territorium zu locken. Das Weibchen antwortet meist mit einem höheren und leiser vorgetragenen Ruf. Wendehälse nehmen als Ersatzbrutort auch Nistkästen an. Wenn diese etwa schon von Kohlmeisen besetzt sind, vertreibt der Wendehals die Nestkonkurrenten aggressiv und wirft Eier und Junge aus dem Nest. Der Wendehals gehört zur Familie der Spechte (Picidae), obwohl er eher einem Singvogel gleicht und auch nicht wie die Spechte mit Hilfe des Stützschwanzes klettert. Seine rindenfarbige Federzeichnung tarnt den Wendehals hervorragend. Im Gebirge steigt der Wendehals nicht über 1.000 Meter Meereshöhe auf. Sein Schnabel ist kurz und pinzettenartig spitz zum Erbeuten der Ameisen, aber zum Meißeln von Bruthöhlen zu schwach. Der Name Wendehals kommt von der Schreckstellung des Vogels bei Störungen in der Bruthöhle, weil er dann seinen Hals schlangenartig reckt und wendet. Die kleinen, noch völlig nackten Nestlinge bilden eine „Wärmepyramide“ und versuchen so, möglichst wenig Wärme zu verlieren. Sie hocken dabei auf den Fersen eng aneinandergedrückt und lehnen sich gegenseitig die Hälse über die Schulter. Zunächst sind sie wie ein Dachziegel ausgerichtet, später bilden sie einen Kegel und betteln mit emporgereckten Hälsen ihre Eltern um Futter an.
Der Steinrötel (Monticola saxatilis)
Zum Schluss sei heute in Erwartung der Eröffnung des neuen „avimundus“ der Steinrötel als seltenes Kleinod des Vinschgauer Sonnenberges vorgestellt. Der Steinrötel ist eine kleine, kurzschwänzige Drosselart mit relativ langem Schnabel. Er ist ein Sommervogel (meist April/Mai – September), der südlich der Sahara überwintert. Der Alpenhauptkamm stellt die nördliche Verbreitungsgrenze dieser mediterranen Vogelart dar. Der Steinrötel brütet auch im felsigen Gelände der österreichischen und Schweizer Südalpen. Im Federkleid haben die Männchen und Weibchen einen ausgesprochenen Geschlechterdimorphismus. Am Vinschgauer Sonnenberg zieht sich der Steinrötel in immer höhere Felsbereiche zurück und die Territorien mit singenden und revierverteidigenden Männchen werden immer weniger. Der Bestand an Steinröteln im Vinschgau und an den warmen Porphyr- und Felshängen des Südtiroler Unterlandes hat sich in den letzten dreißig Jahren so drastisch verringert, dass die Art heute vom Aussterben bedroht ist. Mein Großvater mütterlicherseits Anton Verdroß (1888 – 1969), vom Ladurnhof in Schlanders stammend, hat mir als Kind immer erzählt, dass er als Bub vor seiner Eiberufung zum Militär mit nachfolgender achtjähriger russischer Gefangenschaft im Ersten Weltkrieg den ob seines exotischen Gefieders und seiner Gesangstrophe begehrten Vogel gefangen und per pedes zum Landecker Markt gebracht habe, um in Notzeiten ein „paar Kreuzer“ zu erwirtschaften.