Beide beschlossen zu heiraten. Bei der Hochzeitsplanung tauchte ein Hindernis auf. Paula war in den Options-Turbulenzen staatenlos geworden, und Otto musste alle Hebel in Bewegung setzen, bis er bei der Quästur in Bozen die italienische Staatsbürgerschaft für seine Braut erhielt. „Weil i a Ledige gewesn bin, hobm miar norr gmiaßt um 5e z’Morgaz heiratn“, erklärt sie.
Ein „lediges Kind“ zu sein belastete ihr Leben. Vor allem als Kind stand sie oft im Abseits. Hingezogen fühlte sie sich zu ihrem Großvater, nachdem ihre Mutter geheiratet und eine neue Familie gegründet hatte. Als Witwer zog der Großvater nach der Option 1939 mit seiner Familie nach Strengen in Nordtirol, wo er Wohnraum in einer armseligen Mühle fand. Als Aufseher war er für russische Kriegsgefangene in Fiss verantwortlich. 1941 ließ er die kleine Paula von einer Schweizer Frau nachholen. Oft nahm er sie mit ins Gefangenenlager. „Di Russen sain feine Leit gweesn“, erinnert sie sich. „Si hobm miar sogor a Spielkuch baut“. Und sie erinnert sich auch an den Bombenalarm und an ihre Flucht vom Klassenzimmer in den nahen Bunker. 1943 kam die Familie ins „Siedlungshaus“ nach Imst. Kurz nach Kriegsende holte ein Onkel Paula dort ab und schmuggelte sie über die Grenze zurück nach Südtirol. In der Familie ihrer Mutter wartete viel Arbeit auf die inzwischen 10-Jährige. „I hon in Ocker oft stundnlong Erd und Mist trogn“, sagt sie. Auch als Dienstmagd bei Bauern half sie aus. „Mitn Schnopper (Sichel) hon i miar oft di Händ drschnittn“, betont sie. Später mühte sie sich als Zimmermädchen ab, in Meran, Hafling, Toblach und schließlich in Sulden, wo sie ihren Mann traf. Otto hatte in Stilfs Maurer gelernt und ging nach dem Militärdienst in Verona und Glurns ein Jahrzehnt lang seinem Beruf nach. Dann nahm er die Anstellung als Skiliftmann am Stilfserjoch an, wo er 31 Jahre lang tätig war. Paula schenkte fünf Kindern das Leben. Das erste Kind starb im Meraner Krankenhaus an Typhus. Nie werden Paula und Otto den unerwarteten Anblick ihres kleinen Sohnes vergessen, der an Kabeln hängend tot in seinem Bettchen lag. Die anderen vier Kinder entwickelten sich gut. Mit Bitternis erfüllt sie jedoch noch heute, dass sie sich nach der Geburt der ersten Kinder jedes Mal das „Firisegne“ über sich ergehen lassen musste, um wieder die Sakramente empfangen zu können. „Di Pfarrer hobm di Miater behondlt, wia wenn si a schware Sünd begongen hattn“, ärgert sie sich. Und noch heute bewegt sie, dass sie ihr erstes Kind auf Anordnung des Pfarrers nicht in ein eigenes Grab legen durfte, sondern im Sarg eines fremden Toten beilegen musste. „Ma hot an Haufn erduldn gmiaßt“, meint sie. Nachdem die Kinder aus dem Gröbsten draußen waren, trat auch Paula eine Arbeit am Stilfserjoch an und zwar als Mithilfe im „Ortlerhaus“, wo sie eines der Kleinen notfalls auch mitbringen durfte. Nun sind die Kinder längst aus dem Haus, und die beiden Senioren führen gemeinsam ihren Haushalt. Paula ist durch ihre Diabetes-Erkrankung gesundheitlich angeschlagen und nach einem Sturz auf den Rollstuhl angewiesen. Auch ihre Lunge braucht täglich mehrere Stunden künstlichen Sauerstoff. Otto geht ihr rund um Uhr zur Hand. „Miar tian afnond schaugn unt mitnond wirtschoftn so guats geat“, sagt Otto. Paula kocht noch immer selbst, und Otto reicht ihr die Zutaten. Der rüstige Senior kümmert sich um den Haushalt, um den Garten und seine drei Schafe. „Di Schof sain mai Hobby“, bekräftigt er.
Freude hat er auch an Kriegsrelikten aus dem Ersten Weltkrieg, die er am Stilfserjoch gefunden hat. Das Ehepaar hadert nicht mit dem Schicksal. „Miar miaßn’s nemmen wia’s isch unt zommholtn - in Freud unt Leid, wia miars inz versprochn hoobm.“
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