„Wenn ich einen jungen Menschen begraben muss, oder bei einem tragischen Tod setzt mir das schon auch zu“, sagt er. Wichtig ist ihm, bei seiner Arbeit die Würde der Verstorbenen zu wahren.
Wenn im kleinen Bergdorf Stilfs eine Beerdigung ansteht, erhält Richard an seinem Arbeitsplatz in Ischgl, wo er als Liftarbeiter tätig ist, sofort eine telefonische Mitteilung von Pfarrer Florian Öttl. Sobald seine Schicht zu Ende ist, setzt er sich ins Auto und fährt in den Vinschgau. Denn mit seinem Arbeitgeber hat er abgesprochen, dass er zwei Tage unbezahlte Freistellung erhält, oder seine Schicht am Lift tauschen kann, um die Beerdigungen in Stilfs zu betreuen. Steht eine Erdbestattung mit Sarg an, beginnt er nach Absprache mit den Angehörigen schon am Tag darauf mit Pickel, Schaufel, Schubkarren und selbst entworfener Schalungsvorrichtung mit den Aushubarbeiten. „Es ist harte Handarbeit und kein Zuckerschlecken", sagt er. „Meist brauche ich dafür zwei Tage“. Im Winter bei zugefrorenem Boden ist die Arbeit viel kraftraubender, als im Sommer. Da nimmt er den kleinen Kompressor der Gemeinde zur Hand.“
Richard hilft dem Bestatter bei der Aufbahrung des Toten in der Leichenkapelle. Bei der Beerdigung wirkt er als Vorbeter mit und meist auch als Fahnenträger. Dem Pfarrer geht er bei der Einsegnung vor dem Gasthof Sonne und bei der Verabschiedung auf dem Kirchplatz zur Hand. Wenn der Friedhof dann menschenleer ist und die Angehörigen beim Trunk versammelt sind, deckt er den Sarg behutsam mit Erde zu, bringt den Erdhügel in Form, schmückt ihn mit Kränzen, Blumenschüsseln und richtet das Kreuz auf.
„Die Einladungen zum Trunk nehme ich nie an, denn da müsste ich bei allen gehen, damit es keine Beleidigung gibt“, verrät er.
Als Totengräber begann Richard im Sommer 1995 nach einem Gespräch mit dem damaligen Bürgermeister Josef Hofer, der einen Ersatz für den bisher mit der Totengräber-Aufgabe betrauten Gemeindearbeiter suchte. Richard meinte spontan: „Das könnte ich schon tun“. Und Hofer antwortete ihm genauso spontan: „Dann bitte gerne“. Kurz darauf öffnete Richard das erste Grab.
Bis heute hat er 203 Erd- und 14 Urnenbestattungen begleitet. Er dokumentiert alles genau, alle Gräber und die Zahl der jeweils darin begrabenen Verstorbenen. Denn in den einst aus Platzmangel bis 2.20 tief angelegten Gräbern im Stilfser Friedhof dürfen höchstens drei Särge übereinender liegen. „In jüngster Zeit ist im Friedhof etwas mehr Platz geworden. Zehn alte Grabstätten wurden aufgelassen“, erklärt Richard. Abwanderung spiele dabei eine Rolle und auch, dass sich zunehmend mehr Menschen für eine Einäscherung entscheiden. Urnen bestattet er in den Gräbern, wobei eine Tiefe von 80 Zentimetern genügen. Richard bedauert, dass es in seinem Friedhof noch keine Urnenwand gibt. Diese wäre, seiner Meinung nach, längst genauso erforderlich wie einst die Leichenkapelle. Heute ist die vor vier Jahren errichtete Kapelle nicht mehr wegzudenken.
Immer wenn sich Richard daheim in Stilfs aufhält und Zeit hat, schaut er im Friedhof nach dem Rechten, unauffällig und aus freien Stücken. Er jätet Unkraut, kehrt Laub zusammen, bringt mit der Schaufel frische Erdhügel in Form, verräumt den Schnee und einiges mehr.
Derzeit hat er Urlaub und macht den Friedhof für das Allerheiligenfest sauber. Oft spricht er mit Angehörigen, die er an den Gräbern ihrer Lieben antrifft. Die meisten wissen es sehr zu schätzen, was er für die Dorfgemeinschaft leistet.
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