Unser Frau - Im Rahmen einer Ortsbegehung in Unser Frau, auf Einladung des Kulturvereines Schnals und des Heimatpflegeverbandes Südtirol, erkundeten vor kurzem rund zahlreiche Kulturinteressierte die gewachsene Baukultur des Dorfes. Ausgehend vom Kirchplatz neben der über 700jährigen Pilgerkirche erwanderte die Gruppe den Ort. Dabei war vor allem der Blick von außen des Heimatpflegers Albert Willeit aus Gais ein Blick auf eine Tallandschaft, die sich besonders durch beeindruckende und gut erhaltene Hofensembles auszeichnet. Diese bestehen zumeist aus einem Paarhof mit getrenntem Wohn- und Futterhaus sowie verschiedenen Nebengebäuden wie Speicher und Schuppen. Traditionellerweise wurden alle Gebäude in Blockbauweise mit flachen Legschindeldächern errichtet. Diese besondere Schnalstaler Höfe- Architektur gilt es wertzuschätzen und für die Zukunft zu erhalten und man sollte nur mit Bedacht, Können und Respekt daran weiterbauen. Solche traditionellen Hofensembles haben zudem eine besondere Anziehungskraft für den Tourismus.
Im Mittelpunkt der Ortsbegehung stand die Besichtigung des Gasthauses „Schnalser Unterwirt“, welcher in Kürze nach mehrmaliger erfolgloser Versteigerung wohl den Eigentümer wechseln wird. Der 1694 erstmals urkundlich erwähnte Gasthof „zum Hirschen“ und umgangssprachlich als „Gasthof Unterwirt“ bekannt, war bis vor wenigen Jahren noch als Bäckerei und Gastwirtschaft mit Pizzeria in Betrieb. Ein großes Anliegen aller Beteiligten, wie auch in der anschließenden Diskussion unterstrichen wurde, ist der Erhalt dieses nur teilweise denkmalgeschützten Baues zusammen mit der Veranda. Die hölzerne Veranda, deren Alter auf rund 100 Jahre geschätzt wird, war über Jahrzehnte das Vereinshaus des Dorfes und als solches Treffpunkt für Feiern, Zusammenkünfte und Veranstaltungen aller Art. Sie ist somit in das kollektive Gedächtnis des Ortes eingegangen, sodass das Gesamte ein wichtiges schützenswertes Ensemble darstellt.
Wie ein landwirtschaftlicher Betrieb durch innovative und ganzheitliche Bewirtschaftungsformen den Weiterbestand garantieren und auch die Weitergabe an die nächste Generation erfolgreich bewerkstelligen kann, berichteten anschließend Johann und Petra Tappeiner vom Oberniederhof, auf welchem neben der Milchwirtschaft, der Züchtung vom Aussterben bedrohter Tierrassen, auch ein Hofladen sowie Urlaub auf dem Bauernhof in historischen Gebäuden gemeinsam das Weiterleben des Hofes sichert. Gerade die touristische Nutzung jahrhundertealter Bausubstanz erforderte dabei höchste Sensibilität der Bauherren, wie sich alle beim Rundgang durch die geräumigen und äußerst gelungenen Ferienwohnungen überzeugen konnten.
Ebenfalls eine touristisch sensible Weiterentwicklung erfuhren die Besucher der Ortsbegehung bei der Führung durch Hausherrn Alexander Rainer im Josephus: Im rund 100jährigen Haus aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts konnten durch sanfte Renovierung und gekonnte Integration von Altem und Neuem mehrere Ferienwohnungen entstehen, die vor allem neue Gästeschichten anziehen und begeistern.
Abgerundet wurden die interessanten neuen Blicke auf das gewohnte Orts- und Dorfbild durch das Flurnamen-Wissen des Heimatpflegers Johannes Ortner, mit welchem der Kulturverein Schnals bereits vor Jahren das gemeinsame Flurnamenprojekt umgesetzt hat.
Im Anschluss an die Ortsbegehung wurde im archeoParc Schnalstal Resümee gezogen. Die Obfrau des Heimatpflegeverbandes Südtirol Claudia Plaikner bedankte sich bei Monika Gamper für die Organisation dieser Veranstaltung und für ihr kulturelles Engagement. Sie lobte die noch sehr intakte Höfelandschaft des Schnalstales, unterstrich aber gleichzeitig den schleichenden Verlust historischer Bausubstanz, gewachsener und ortsbildprägender Elemente wie Gassen, Trockenmauern und Zäunen und wies auf die Wichtigkeit eines Ensembleschutzplanes für die Gemeinde hin. Bürgermeister Karl Josef Rainer erinnerte an die vorbildhafte Förderung von Schindeldächern durch die Gemeinde Schnals und unterstrich die Notwendigkeit, den Ensembleschutz zur Chefsache zu erklären, damit er endlich Realität wird.
Der Präsident des Kulturvereines Schnals Benjamin Santer plädierte in seinem Schluss-Statement an alle Teilnehmer, Multiplikatoren zu sein für den Erhalt der einzigartigen Kulturlandschaft des Tales. Denn am Ende ist es doch feinfühlige Baukultur, die unsere gestaltete Kulturlandschaft, die unsere Täler und Dörfer wertvoll machen. Die sie für uns und unsere Kinder zu Orten machen, wo wir uns wohlfühlen. Und schließlich sind es ganz besonders unsere Gäste, die unsere Kultur- und Naturlandschaft schätzen.
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