Wolfgang Platter, am Tag des Heiligen Franz von Sales (Patron der Journalisten), 24. Jänner 2011
Vom 5. – 7. November 2010 hat im französischen Regionalpark Vercors die diesjährige Vollversammlung der Arbeitsgemeinschaft für das Internationale Bartgeier-Monitoring (IBM) in den Alpen stattgefunden. Anlässlich dieser jährlichen Vollversammlung des IBM werden unter den am Wiederansiedlungsprojekt beteiligten Wissenschaftlern und Feldforschern die Beob-achtungen und Erkenntnisse ausgetauscht und anschließend veröffentlicht. Für den Nationalpark Stilfserjoch hat der mitarbeitende Ornithologe Enrico Bassi an der diesjährigen Vollversammlung teilgenommen. Er ist unser Bartgeier- und Vogelexperte.
Im heutigen Beitrag fasse ich die wesentlichen Neuigkeiten des Bartgeier-Jahres 2010 zusammen.
Das Wiederansiedlungsprojekt
Die Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen hat im Jahre 1986 begonnen. Das Artenschutzprojekt wird demnach im heurigen Jahr 2011 25 Jahre alt. 10 Jahre nach den ersten Freilassungen gab es ab dem Jahre 1997 wieder die ersten Naturbruten von Bartgeiern in den Alpen. Die Populationsgröße der Bartgeier in den Alpen wird derzeit auf 150 Tiere geschätzt.
Freude in Österreich
Im Jahre 2010 gab es den ersten Aufzuchterfolg eines in freier Natur geschlüpften Bartgeierjungen in Öster-reich. Der Jungvogel wurde im Krumltal im salzburgischen Anteil des Nationalparks Hohe Tauern vom Bartgeierpaar „Andreas Hofer“ und „Colleen“ erbrütet und aufgezogen. Beide Altvögel stammen aus dem Alpenzoo in Innsbruck und waren in der Zoovoliere in den Jahren 1996 bzw. 1989 geboren worden. Sie hatten bereits sieben Mal ohne Erfolg gebrütet und ab dem Jahr 2005 war jährlich ein Jungvogel geschlüpft, aber nicht bis zum Ausfliegen aus dem Horst aufgekommen. Umso größer ist die Freude der österreichischen Projektpartner, zumal gerade Österreich mit der Bartgeierzuchtstation Haringsee bei Wien einen wesentlichen Beitrag zum Wiederansiedlungsprojekt leistet.
In Österreich haben sich inzwischen in freier Wildbahn zwei weitere Paare (Hubertus, geboren 2004 und Ambo, geb. 2002 sowie Pinzgarus, geb. 2008 und Doraja, geb. 2005) gebildet.
Die Freilassungen 2010
Im abgelaufenen Jahr wurden an drei Orten insgesamt acht Jungvögel aus den verschiedenen Aufzuchtstationen freigelassen. Die Freilassungsorte lagen im französischen Naturpark Vercors und im italienischen Naturpark Alpi Marittime in Piemont, beide in den Westalpen also. Der dritte Freilassungsort war das Calfeisental im Kanton St. Gallen in der Schweiz. Die Strategie in der Wahl der Freilassungsorte in den kommenden Jahren zielt darauf ab, die Bartgeier-Populationen zwischen den Alpen und den Pyrenäen und zwischen den Alpen und der Restpopulation auf der Insel Korsika möglichst zu verknüpfen.
Die autochthonen Populationen in Europa
Die natürlichen Bartgeier-Populationen außerhalb der Alpen zählen derzeit in Europa nach Angaben von M. Razin und R. Herredia (2010) 140 territoriale Paare in den spanischen und französischen Pyrenäen. Für die Insel Korsika gibt. J.F. Seguin (2010) 9 Brutpaare an, auf Kreta sind es nach Xirouchakis (2010) 5-6. Weiters gibt es in Eur-asien eine zahlenmäßig nicht quantifizierte Population von Bartgeiern in der Türkei.
Die Reproduktion 2010 in den Zoos
In den Zoos und Aufzuchtstationen stehen für das Wiederansiedlungsprojekt in den Alpen insgesamt 33 Brutpaare zur Verfügung. Diese Bartgeier-Paare haben in den Volieren im Jahre 2010 insgesamt 25 Jungvögel erbrütet, wovon 21 flügge geworden sind.
Die Naturbruten in den Zentralalpen
Seit 2007 sind in den Zentralalpen um das Ortler-Cevedale-Massiv und im Engadin 6 Brutpaare anwesend, drei davon im lombardischen Anteil des Nationalparks Stilfserjoch. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich in Südtirol ein neues Bartgeier-Paar gebildet hat.
Alle drei Bartgeier-Paare der lombardischen Täler des Parks haben im Jahre 2010 eine Brut begonnen, zwei (Paar Livigno und Paar Zebrù) haben ihren Jungvogel erfolgreich aufgezogen. Das Paar Bormio ist im letzten Jahr Ende April in der Brut gescheitert, die Eiablage war erfolgt gewesen. Das Paar Val Mora-Ofenpass (CH) hat im Jahre 2010 nicht gebrütet.
Für die an näheren Details hochinteressierten und großen Bartgeier-Fans gibt die nachstehende Tabelle alle Bruten der vier Paare im Nationalpark Stilfserjoch und in der Val Mora im Münstertal ab dem Jahre 1998 wieder: