Vinschgerwind: Herr Zeller, was halten Sie von folgendem Szenario: Herbst 2013, Richard Theiner Landeshauptmann und Karl Zeller Senator für das Burggrafenamt und für den Vinschgau.
Karl Zeller: Es gibt viele Szenarien. Ich habe den Eindruck, dass der Parteiobmann Richard Theiner kein Interesse an einer Kandidatur als Landeshauptmann hat, obwohl er heute sicherlich in der Pole-Position wäre. Was meine Person angeht: Ich gehe davon aus, dass heuer das Wahlgesetz im Parlament geändert wird. Dann sind alle Szenarien neu zu überdenken.
Unmöglich ist das Szenario also nicht?
Unmöglich ist im Leben nichts. Der Vinschgau hat einen amtierenden Senator. Das soll, wenn möglich, auch so bleiben. Das hängt aber auch davon ab, wie die Reduzierung der Parlamentarier ausschauen wird. Die Frage wird dann sein, ob wir es schaffen, die Wahlkreise zu erhalten. Die Frage wird sein, wird es noch drei Senatoren geben, wird es noch die theoretisch möglichen drei Kammerabgeordneten geben. Wenn es so kommt, wie ich befürchte, wird es sowieso eng für alle werden.
Was befürchten Sie?
Ich rechne damit, dass es für Südtirol insgesamt vier Parlamentarier geben wird. Zwei Abgeordnete und zwei Senatoren. Deshalb wird es neue Szenarien geben.
Sie haben in der Vergangenheit schon Organigramme ausgearbeitet. Welches Szenario für den Herbst 2013 bezogen auf den Landtag ist Ihres?
Ich gehe davon aus, dass wir die absolute Mehrheit halten können. Es wird sicher ein neuer Landeshauptmann oder Landeshauptfrau kommen, den oder die wir in diesen Vorwahlen, wie auch immer sie kommen werden, ermitteln werden. Sicher ist, dass das Jahr 2013 ein einziger Wahlkampf sein wird. Wahrscheinlich wegen der Vorwahlen eine doppelte und eine erhebliche Materialschlacht. Jeder, der Kandidat werden will, muss natürlich einen erheblichen Wahlkampfaufwand betreiben. Wir werden mit den Mitglieder-Vorwahlen der Parlamentarier beginnen, dann kommen voraussichtlich im April 2013 die Parlamentswahlen. Gleich danach die Vorwahlen für den Landeshauptmann. Danach wird der Wahlkampf für den Landtag losgehen.
Die absolute Mehrheit der SVP, die Sie sich wünschen, wird möglicherweise auch mit Ihrer Hilfe bewerkstelligt. Sie haben, im Auftrag der SVP, einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet, in dem die Wahlen zum Landtag neu geregelt werden sollen. Die Parteileitung hat Ihren Entwurf bereits genehmigt. Warum kommt der nicht zur Abstimmung?
Der Entwurf wird jetzt eingebracht. Was ich nicht verstehe, warum gerade jene Parteien gegen diesen Entwurf sind, die selbst ein Grundmandat einführen wollen. Das von uns vorgeschlagene System führt zum selben Ergebnis bei der Mandatszuteilung. Der Weg zu einem Wahlgesetz mit Grundmandat ist uns aber aufgrund eines Verfassungsurteils versperrt. Deswegen müssen wir das D’Hondt-System anwenden. Dieses hätte auch disziplinierende Wirkung auf die einzelnen Parteien. Wenn sich die Parteien rational verhalten, schließen sie sich zu größeren Gruppen zusammen. Sieht man im Reglement im Landtag vor, dass es die Einmann-Fraktionen nicht mehr geben wird, wird auch die Opposition gestärkt. Eine Opposition mit mehreren Mitgliedern kann besser arbeiten und es wäre billiger...
...Andreas Pöder und Donato Seppi würden damit rausfliegen.
Oder sie schließen sich mit anderen Parteien zusammen. Ich glaube, dass die Einmann-Fraktionen nicht viel Sinn haben.
Jeder hat seine Wähler...
Sicher. Die Auswirkungen des neuen Wahlgesetzes sind aber, dass sich maximal ein bis zwei Mandate verschieben werden.
Welche Mehrheiten benötigt ein neues Wahlgesetz?
Die absolute Mehrheit. Und danach kommt eine Volksabstimmung. Wir werden sowohl das Wahlgesetz als auch das Gesetz für die direkte Demokratie einem Volksentscheid unterziehen.
Eine Direktwahl des Landeshauptmannes ist in ihrem Vorschlag nicht vorgesehen.
Nein. Eine Direktwahl des Landeshauptmannes ist angesichts des vom Autonomiestatut vorgeschriebenen Verhältniswahlrechts nicht sinnvoll. Bei der Verfassungsänderung 2001 haben wir klipp und klar gesagt, dass wir bei unserem Verhältniswahlrecht bleiben wollen. Auch weil ein Mehrheitsbonus bei uns mit den verschiedenen Volksgruppen nicht richtig wäre.
Bei der SVP-Landesversammlung soll unter anderem auch darüber entschieden werden, wie ein künftiger Spitzenkandidat der SVP gefunden werden soll. Ihre Meinung ist es, dass dies die Delegierten bei der Landesversammlung tun sollen. Warum?
Das ist meine Meinung. Ich habe aber immer gesagt, dass das die Ortsobleute selbst entscheiden sollen und nicht die Parteispitze oder andere Exponenten. Auch in der Parteileitung haben wir gesagt, wenn die Ortsgruppen, die rund 1000 Delegierten, das entscheiden wollen, ist das eine große Aufwertung der Partei. Wenn die Ortsobleute diese Entscheidung aber den SVP-Mitgliedern überlassen wollen, und das scheint wohl die mehrheitliche Orientierung zu sein, geht mir das auch gut. Allerdings ist es unsere Aufgabe als Bezirksobleute die Vor- und Nachteile aufzuzeigen. Der Vorteil ist, dass man rund 51000 SVP-Mitglieder mobilisieren kann, das ist um einiges mehr als die 1000 Delegierten. Der Nachteil ist, dass schwächere Gruppen innerhalb der SVP unter die Räder kommen, weil - nehmen wir ein Beispiel - der Bauernbund, der viele Stimmen in der SVP hat und diese auch gut mobilisiern kann, durch ein solches System sehr im Vorteil ist. Das muss man wissen.
Muss man aber nicht auch wissen, dass der Einfluss auf die rund 1000 Delegierten von bestimmten Kreisen in der SVP ähnlich stark ist?
Sicher gibt es Einflussmöglichkeiten, welches System man auch wählt. Wenn man aber glaubt, den Ortsobleuten anschaffen zu können, was sie zu tun haben, dann ist das eine Illusion. Allerdings ist es so, dass die Ortsobleute in der Regel alle Mitgliederschichten vertreten. Man muss auch wissen, dass Vorwahlen enormes Geld kosten. Ich schätze 50.000 Euro pro Nase bei den Parlamentswahlen. Und bei den Vorwahlen für den Landeshauptmann wird man unter 100.000 Euro nicht wegkommen. Das muss man berücksichtigen.
Das klingt so, als ob Sie mögliche neue Kandidaten abschrecken wollten.
Nein, das ist die Realität. Verbandskandidaten haben enorme Vorteile und Quereinsteiger werden es entgegen der Meinung einiger nicht leicht haben, weil sich ein Quereinsteiger innerhalb kurzer Zeit mit viel Materialeinsatz bekannt machen muss.
Die Wahrscheinlichkeit, neue Gesichter über eine Basiswahl zu erhalten ist allerdings größer, als über die Abstimmung der Delegierten...
Das ist über die Ortsgruppen leichter...
Jetzt flunkern Sie aber...
Ich mache seit 20 Jahren Politik und a bissl Erfahrung habe ich schon in diesen Dingen.
Ist es nicht einfacher, gewünschte Kandidaten über die Delegierten, sprich die Ortsobleute, durchzubringen als über eine Basiswahl, an der alle SVP-Mitglieder teilnehmen können?
Mir gehen beide Systeme gut. Jedes hat Vor- und Nachteile. Wir müssen nur überlegen, wie wir den Ausgleich innerhalb der Sammelpartei beibehalten können. Wir werden in einigen Monaten ja sehen, wer nach den Vorwahlen jammern wird. Langfristig, das ist meine Meinung, ist es mir lieber, wenn das die Delegierten machen. Populärer ist in der heutigen Stimmungslage sicher die Wahl über die Mitglieder.
Sie mögen die Parteibasis nicht?
Das stimmt überhaupt nicht, es war ja mein Bezirk, also das Burggrafenamt, der als erster die Mitgliederwahl bei den Parlamentswahlen vorgeschlagen hat.
Themenwechsel: Ein großes Thema in der SVP und vor allem auch darüber hinaus ist die Geschichte rund um die Energie, rund um die Skandale in der SEL-AG. Ihren eigenen Parteikollegen wurde die Einsichtnahme in die Verträge zwischen SEL-AG und Edison nicht gewährt. Die Grünen haben sich diese Einsichtnahme über das Gericht erstritten. Muss sich die SVP dafür nicht schämen?
Soweit ich von Landesrat Laimer informiert bin, haben Schuler und Noggler sehr wohl Einsicht nehmen können. Ich war immer der Meinung, dass man aus der ganzen Geschichte kein Geheimnis machen soll.
Sie selbst waren einer der Kritiker zu den SEL-Edison Verträgen.
Ja, der Verträge der SEL mit der Edison. Die Kontakte mit dem ENEL haben mein Kollege Brugger und ich 2007 mit Bersani eingefädelt. Die SEL mit dem Direktor Rainer als spiritus rector wollte da ja einen Krieg anzetteln, während mit der Edison immer eitel Sonnenschein war. Bei Enel hat die SEL mit null Kapital die 60 Prozent Beteiligung erhalten. Ich habe 2001 schon die Vorgangsweise am Reschenstausee scharf kritisiert, weil die Verträge mit Edison hinter dem Rücken der Vinschger Bürgermeister abgeschlossen worden sind. Völlig unkorrekt. Auch die Vorgangsweise beim Marteller Stausee und der anderen Edisonwerke habe ich nie verstanden. Viel zu teuer war diese Aktion. Man hätte besser den Verfall der Konzessionen abwarten sollen wie bei ENEL und nicht um teures Geld bei Edison einsteigen sollen. Da habe ich in der Parteileitung schon einige kritische Fragen gestellt.
Über die DELMI wollte sich die SEL mit knapp 200 Millionen Euro die 40-Prozentbeteiligung der Edison sichern. Das ist gründlich in die Hosen gegangen. Die Franzosen haben die Edison und damit auch deren Beteiligungen in Südtirol gekauft. Wurde die SEL schlecht beraten?
Da haben wir wohl - wie es heute aussieht - zwischen 50 und 100 Millionen Euro verloren. Das ist kein Ruhmesblatt für die SEL. Damals ist das allerdings gegen die Bedenken vieler so durchgezogen worden. Das Ergebnis sieht man ja.
Sollen, nachdem das Personal der SEL-AG ausgetauscht worden ist, auch die Berater der SEL im Hintergrund ausgetauscht werden?
Soweit ich weiß, ist ja einiges passiert. Bei der Stein an Stein ist ja meines Wissens das Beratungsbüro gewechselt worden.
Von einer Heimholung der Energie kann man wohl nicht sprechen.
Richtig ist, dass die Enel-Werke fast zum Nulltarif heimgeholt werden konnten. Die Edisonwerke sind uns hingegen sehr teuer zu stehen gekommen. Aus meiner Sicht, wäre das in dieser Form nicht notwendig gewesen.
Ihre Meinung: Sollten es die Vinschger beim Rekurs in Martell darauf ankommen lassen?
Eine Verhandlungslösung und ein Vergleich sind immer vernünftiger als eine Gerichtsentscheidung, wo es immer einen Verlierer gibt. Ich kann nicht verstehen, dass dieses Thema nach so vielen Jahren nicht endlich abgeschlossen wird, der Spielraum zur Befriedigung der Interessen aller Beteiligten wäre ja zweifelsohne vorhanden.
Interview und Fotos: Erwin Bernhart
Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau