Das sonderbare Evangelium (Mk 2,1-12) kurz vor Beginn der diesjährigen Fastenzeit lässt aufhorchen. Jesus ist von einer großen Menschenmenge umgeben und man bringt einen Gelähmten zu ihm. Aufgrund der vielen Leute muss der Zugang in das Haus über das Dach erfolgen. Jesus vergibt dem Mann seine Sünden und heilt ihn. Sehr zum Ärger der religiösen Autorität: Der Zuspruch Jesu „Deine Sünden sind dir vergeben“, ärgert sie. Denn nur Gott selbst kann Sünden vergeben. Jesus kontert: „Was ist leichter zu sagen, nimm deine Bahre, steh auf und geh, oder deine Sünden sind dir vergeben?“ Jesus deutet damit etwas ganz Existenzielles an: Keine Heilung ohne Vergebung der Sünden! Werfen wir nochmals einen Blick auf den Gelähmten (oder vielleicht auch die Gelähmte). Es ist nicht gesagt, welche Art von Lähmung hier vorliegt. Wir vergessen gerne, dass es neben der körperlichen Lähmung auch noch andere Lähmungen gibt. Zum Beispiel die Lähmung durch Angst: Wenn ich in meinem Leben nicht mehr weiter weiß, keinen Mut mehr aufbringen kann, wenn ich resigniere, im Beruf oder in der Partnerschaft. Oder die Lähmung durch Sucht, wenn ich mich mit Suchtmitteln abfülle, mich so der Wirklichkeit und damit auch der eigenen Kontrolle entziehe. Wobei eine ganz gravierende Sucht die Eifersucht ist, wo ich auf alles und alle neidisch bin und mich damit selbst lähme. Nicht zu vergessen ist die Lähmung durch Hass, eine Lähmung die mir restlos alle schönen Seiten des Lebens einschläfert. All diese Lähmungen sind ein schleichendes „Nein“ zu einem Leben, von dem wir nicht einmal wissen, wie lange es ist. Und da wir nur eine begrenzte Zeit hier auf Erden zur Verfügung haben, können wir uns derartige Lähmungen gar nicht leisten. Diese Lähmungen lähmen unser Leben im wahrsten Sinne des Wortes. Sie sind Sünde. Und Sünde heißt nichts anderes als Gottferne, und da Gott die Liebe ist, bedeutet Sünde nichts anderes als Lieblosigkeit. Deswegen setzt Jesus vor die Heilung die Vergebung der Sünden. Und zwar explizit hier auf Erden noch. Zuerst gilt es, Ballast abzuwerfen, die Lähmungen zu beseitigen. Im Alten Testament war es undenkbar, dass ein Menschensohn Sünden vergeben kann. Nur Gott selbst konnte Sünden vergeben. Deswegen auch die Empörung der Pharisäer. Und wie oft sagen wir: „Mit Dir möchte ich nichts mehr zu tun haben. Du bist für mich gestorben!“ Seit Jesus geht genau das nicht mehr. Was zeigt, dass wir zum Teil noch im Alten Testament verhaftet geblieben sind. Seit Jesus gibt es für uns nichts mehr, was außerhalb des Verzeihbaren liegt!
Der alte Spruch ist einmal mehr wahr: „Schenke Blumen während des Lebens, denn auf dem Grab sind sie vergebens.“