Vinschgau - AUS DEM GERICHTSSAAL
Mit März dieses Jahres soll es Ernst werden mit der Mediation. Was ist darunter zu verstehen? Die Gerichtsbarkeit in Italien, vor allem die zivile, ist schon lange dem Kollaps nahe. Im Jahre 2009 betrug die Zahl der anhängigen Verfahren 5.500.000 (fünf Millionen fünfhunderttausend!). Die Prozesse dauerten in der 1. Instanz vor dem Landesgericht durchschnittlich drei Jahre, mehr als drei Jahre in der Berufung vor dem Oberlandesgericht und ungefähr gleich lang vor dem Kassationsgericht.
Wer so lange auf ein Urteil warten muss, kommt sich nicht zu Unrecht als verschaukelt vor. Denn verspätetes Recht ist gleichbedeutend mit Rechtsverweigerung, von den Schäden für die Volkswirtschaft ganz zu schweigen. Aber auch dem Staat kommt diese seine Säumigkeit teuer zu stehen: 250 Millionen musste er allein im letzten Jahr an Schadenersatz für verspätete Rechtsprechung „berappen“!
Deshalb das Bestreben, der kollabierenden Justiz etwas Luft zu verschaffen und die Anzahl der neuen Verfahren zu begrenzen. Diesem Zweck dienen soll die obligatorische Mediation: ab März soll es nämlich Pflicht werden, vor Einreichen der Klage eine Schlichtungsstelle anzurufen, damit dort der Versuch unternommen werden kann, den Streit vergleichsweise beizulegen. An und für sich ein vernünftiger Gedanke: Die Parteien sparen Zeit, Geld und Nerven, gleichzeitig werden die Gerichte entlastet. Allerdings sind die Mechanismen für die Einrichtung der Mediationsstellen und für die Bestellung der Mediatoren derartig kompliziert, dass Zweifel an deren Funktionsfähigkeit angebracht sind. Außerdem scheint der Gesetzgeber bei den Auswahlkriterien für die Schlichter keinen großen Wert auf deren fachliche Kompetenz und längere Berufserfahrung im Umgang mit Streitfällen zu legen.
Anstatt sich von der sich abzeichnenden Totgeburt „Mediation“ Wunder zu erwarten, sollten Justitias „Waisen“ alle Möglichkeiten zur Streitvermeidung ausschöpfen und über Alternativen zur ordentlichen Gerichtsbarkeit (Schlichtung, Schiedsgerichte) nachdenken. Denn dort liegt noch viel bisher ungenutztes Potential, Zeit und Geld zu sparen. Doch darüber ein andermal!
Peter Tappeiner,
Rechtsanwalt